131 GEBURTSTAG Johann Gruber
Ab 1919 erhält er die Möglichkeit, ein Lehramtsstudium in Wien zu absolvieren. Grubers Universitätsprofessoren, die zu den fortschrittlichen ihrer Zeit gehören, konfrontieren ihn unter anderem mit den Ideen neuer Unterrichtsmethoden. Sie treten ein für ein Lernen durch Selbsttätigkeit, also Lernen aus eigenem Antrieb und mit eigener Zielsetzung, für einen gemeinsamen Unterricht von Mädchen und Buben, für den wertschätzenden Umgang mit jungen Menschen anstelle der traditionellen strengen Züchtigung, die aus heutiger Sicht als Kindesmisshandlung im Bildungssystem zu werten ist.
Johann Gruber soll Leiter des Katholischen Waisenhauses werden, doch die Übergabe verläuft nicht wie geplant. Direktor Vinzenz Blasl und Johann Gruber haben völlig verschiedene Ansichten in erzieherischen Belangen. Das führt zu massiven Konflikten. Grubers fortschrittliche Methoden stoßen bei Blasl auf tiefe Ablehnung. Um den Konflikt zu lösen, wird Gruber schließlich auf Beschluss der Diözese zum Direktor der Linzer Blindenanstalt in der Volksgartenstraße bestellt und stürzt sich mit dem ihm eigenen Tatendrang in seine neue Arbeit. Der frische Wind stößt bei den Kreuzschwestern, die die Hauswirtschaft führen und als Erzieherinnen tätig sind, bald auf heftigen Widerstand. Sie stoßen sich besonders an der Öffnung der Verbindungstüre zwischen Mädchen- und Burschentrakt tagsüber und äußern sittliche Bedenken: Gruber mische sich in die Hauswirtschaft ein, gehe ins Wirtshaus, komme zu knapp zum Messelesen und halte zu wenig körperliche Distanz zu den blinden Kindern und Jugendlichen. Gruber, der sich um bessere Verköstigung der Pfleglinge bemüht und für den ein ungezwungener Kontakt mit ihnen eine Selbstverständlichkeit ist, kontert mit dem Vorwurf der mangelnden Fürsorge der Schwestern. Gruber ist alles andere als pflegeleicht, er eckt an und scheut nicht die Konfrontation.
Seine Einstellung gegen die Nazis führt nur wenige Wochen nach dem „Anschluss“ zu seiner Verhaftung und einem nachfolgenden Schauprozess, in dem Gruber verurteilt wird. Vorausgegangen ist dem eine Denunzierung durch den Lehrer an der Blindenschule, Josef Baumgartner. Baumgartner sammelt nicht nur Aussagen Grubers gegen die neuen Herrscher, er begleitet auch Pfleglinge zur belastenden Zeugenaussage bei der Gestapo und später auch zu den Prozessen. Mit seiner Hilfe geben sie zu Protokoll, Gruber hätte sich ihnen unsittlich genähert.
Nach Aufenthalten in der Strafanstalt Garsten wird Johann Gruber für kurze Zeit in das Konzentrationslager Dachau überstellt und anschließend in das Konzentrationslager Gusen deportiert. Als beim Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Gusen und St. Georgen ein prähistorisches Gräberfeld gefunden wird, lässt die SS systematisch Grabungen durchführen, über die Gruber als Historiker die Aufsicht in der Funktion eines Kapos führt. Später betreut er auch ein lagerinternes historisches Museum. Gruber scheint die Aufgabe ganz zur Zufriedenheit der SS zu erfüllen und genießt gewisse Freiräume, die es ihm ermöglichen, ein geheimes Netzwerk der Hilfe aufzubauen, das vielen zum Überleben verhilft. Daneben gründet er gemeinsam mit polnischen Lehrern eine Lagerschule. Legendär ist die Gruber Suppe, eine Gemüsesuppe, die er organisiert, indem er Häftlinge aus der Küche mit Zigaretten versorgt. Im Gegenzug kann er mit dieser Suppe täglich mindestens 30 geschwächte Häftlinge verpflegen.
Durch Denunziation fliegt Grubers geheimes Hilfswerk im Frühling 1944 auf. Am 7. April 1944 wird er vom Lagerführer Fritz Seidler ermordet.
Am 7. Jänner 2016 wird das Urteil, das die Nationalsozialisten gegen ihn fällten, aufgehoben.