Montag 29. April 2024

Ohne Wüste geht es nicht

In der Wüste bahnt sich großes an

Wer in der Wüste lebt, kann nicht arbeiten, aber er hat Zeit für Fragen, für Zweifel, für die Auseinandersetzung mit sich selbst und mit Gott. Zeit in der Wüste bedeutet innere Suche, Zeit der Krise und des Klagens. Und Zeit der Versuchung.

Markusevangelium Kap. 1

9 Und es geschah in jenen Tagen, da kam Jesus aus Nazaret in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen.

10 Und als Jesus aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel aufriss und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam.

11 Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.

12 Und sogleich trieb der Geist Jesus in die Wüste.

13 Jesus blieb vierzig Tage in der Wüste und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm.

14 Nachdem Johannes ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes

 

Zweimal haben wir hier die Wüste. Zunächst Johannes, der ja sprichwörtlich der „Rufer in der Wüste“ geworden ist. Wir verstehen darunter jemand, dessen warnende Worte von der Mehrheit nicht angenommen und überhört werden. Bei Johannes war es aber ganz anders: Er hatte großen Erfolg, die Leute pilgerten in Scharen zu ihm: „Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus“, erzählt Markus.

Abseits ihres Alltags holen die Menschen sich neuen Zuspruch für ihr Leben, empfangen die Taufe als Zeichen der Umkehr und eines neuen Lebens im Geist der Weisungen Gottes.

 

Und zum Zweiten die Wüste, in die Jesus geht: Jesus hat bei der Begegnung mit Johannes noch eine besondere Offenbarung. Die Stimme vom Himmel, die ihn mit einer besonderen Nähe zum Ewigen auszeichnet. Und der Geist Gottes wie eine Taube.

Bitte hört genau hin: Es steht da „wie eine Taube“ kommt der Geist Gottes, und nicht „in Gestalt einer Taube“. Damit haben wir Noa vor Augen – mit der Taube, die das Ende der grossen Flut und den ersten Bund Gottes mit der gesamten Menschheit ankündigt. (Der Bundesschluss mit Noa war die erste Lesung heute am Sonntag.) Ein Vogel, der als Zeichen der Liebenden gilt – schon damals im Orient. Nicht mit Feuer und Sturm, nicht als heroischer Befreiungskampf in einer Situation der Unterdrückung, sondern in einem sehr sanften Bild wird Gottes besonderer Auftrag an Jesus angekündigt – wohl anders als viele Menschen es erwartet hätten. Später wird Jesus ja auch nicht wie ein Staatsmann hoch zu Ross, sondern auf einem Esel in Jerusalem einreiten.

 

Zurück zum Jordan: Wenn Gott spricht, ist das nicht so einfach zu verkraften. Da geht es nun nicht mit großem Hurra hinaus in die Welt mit dem Rückenwind höchster Autorität, sondern Markus erzählt vom Rückzug in die Wüste. Ja, der Geist treibt Jesus in die Wüste. Gott selbst scheint hier nach seinem machtvollen Wort auf die Bremse zu steigen: Werde dir erst einmal bewusst, was meine Zusage für dich bedeutet.

Ganz ähnlich erzählt es Paulus im Brief an die Gemeinde ein Galatien. Nach seiner lebensentscheidenden Offenbarung vor den Toren der Stadt Damaskus zieht er sich drei Jahre in die arabische Wüste zurück.

Auch der Profet Elija und der spätere König David hatten zwischen spektakulären Auftritten immer wieder „Auszeit“ in der Wüste: die Wüste als Zuflucht, als Ort des Rückzugs und des Wartens, ist den Zuhörern des Evangelisten Markus ein gängiges Bild.

 

Jesus blieb 40 Tag in der Wüste, erzählt der Evangelist Markus. Das ist natürlich eine heilige Zahl und nicht mit dem Kalender gerechnet. Vierzig Tage und Nächte regnete es bei der großen Flut. Und wiederum nach vierzig Tagen öffnete Noa das Fenster der Arche. Mose blieb ebenfalls 40 Tage und vierzig Nächte am Berg und empfing dort die Weisungen Gottes. Und natürlich die vierzig Jahre, die die Israeliten in der Wüste waren, bevor sie das Land Kanaan in Besitz nehmen konnten. Genau so lange, 40 Jahre, war David König in Israel.

 

Freiwillig ist man nicht in der Wüste, schon gar nicht auf Dauer. Nur der Ruf Gottes hat Johannes dorthin geführt. Die Wüste ist lebensfeindlich und gefährlich. Psalm 104, der große Schöpfungspsalm, erzählt, wie gut der Ewige alles geschaffen hat:

20 Du sendest Finsternis und es wird Nacht, dann regen sich alle Tiere des Waldes.

21 Die jungen Löwen brüllen nach Beute, sie verlangen von Gott ihre Nahrung.

22 Strahlt die Sonne dann auf, so schleichen sie heim und lagern sich in ihren Verstecken.

23 Nun geht der Mensch hinaus an sein Tagwerk, an seine Arbeit bis zum Abend.

 

Zum genialen Plan Gottes gehört, dass Menschen und wilde Tiere einander nicht begegnen. Bei Jesus wird ausdrücklich gesagt, dass er bei den Tieren lebte. Eine außergewöhnliche Situation – wie einst im Paradies.

 

Dass die Engel ihm dienten, ist für damalige Ohren dagegen nichts Ungewöhnliches. Gott sorgt für die Seinen, das kennt man: das war so mit dem Volk Israel, dem Gott Manna, Wachteln und Wasser schenkte. Das war so beim Propheten Elija, der in der großen Trockenheit von Raben versorgt wurde. Das war so bei Jona, der seiner Berufung nicht folgen wollte. In der Wüste kann man nicht für sich selbst sorgen. Die Wüste steht außerhalb des Nutzbereichs der Welt. Wer in der Wüste lebt, kann nicht arbeiten, aber er hat Zeit für Fragen, für Zweifel, für die geistige Auseinandersetzung mit sich selbst und mit Gott. Zeit in der Wüste bedeutet innere Suche, Zeit der Krise und des Klagens. Und Zeit der Versuchung.

 

Über die Versuchung sagt der Evangelist Markus nichts Näheres. Das würden wir natürlich gerne wissen: Darum werden es später Matthäus und Lukas ihren Leserinnen und Lesern genauer erklären. Im Dialog mit dem Teufel widersagt Jesus dort der Versuchung, alles selbst vollbringen zu wollen (Steine zu Brot machen) und nicht auf Gottes Fürsorge zu bauen; Jesus lässt sich nicht versuchen, sich für unsterblich zu halten (sich von den Mauern des Tempels zu stürzen) und er greift nicht nach weltlicher Macht, die ohne die Begrenzung durch den Ewigen auszukommen vermeint.

 

Dass Versuchungen uns Menschen überall bedrängen können, das schreibt der Kirchenvater Beda Venerabilis:

Jesus wurde also vierzig Tage und vierzig Nächte lang in Versuchung geführt, um zu zeigen, dass solange wir hier leben und dem Herrn dienen – sei es wenn uns gute Zeiten verwöhnen, was zum "Tag" gehört, sei es wenn uns Böses widerfährt, was den "Nächten" entspricht - in der ganzen Zeit der Widersacher gegenwärtig ist und nicht aufhört, unseren Weg durch Versuchungen zu behindern. Die vierzig Tage und Nächte bedeuten die ganze Zeit dieser Welt. Denn vierteilig ist die Welt, in der wir dem Herrn dienen; und zehn Gebote sind es, durch deren Beobachtung wir gegen den Feind streiten; und vier mal zehn gibt vierzig. – soweit der Kirchenvater.

 

Natürlich wurden Versuchungen bald einmal mit allem Körperlichen in Verbindung gebracht, besonders mit Sexualität – etwa schon im 2. Petrusbrief des Neuen Testaments. Das geschah unter Einfluss der griechischen Philosophie, die zwischen Geist und Materie klar unterschied. Nur das Geistige zählte; alles, was mit unserer körperlichen Existenz zu tun hat, wurde als schlecht angesehen.

Von dieser Abwertung des Irdischen finden wir noch nichts bei Markus. Während Matthäus etwas später erzählt, dass Jesus gefastet hätte und hungrig war, wird Jesus bei Markus von Anfang an von Engeln bedient.

 

Wird der Ewige uns in der Wüste ernähren? Im Psalm 78 zweifeln die Israeliten daran: „Sie redeten gegen Gott; sie fragten: Kann uns denn Gott den Tisch decken in der Wüste?“ – Ja klar kann er, im Nachhinein wissen wir das. Mose hat an den Felsen geschlagen, sodass Wasser floss und Bäche strömten. Aber das genügte ihnen nicht. Im Psalm fragen sie weiter: „Kann er auch Brot geben und Fleisch bereiten seinem Volk?“ – Ja Gott kann es. Wir kennen die Erzählungen von den Wohltaten Gottes, die er an seinem Volk Israel gewirkt hat und von Jesus, seinem Sohn, als Zeichen des angebrochenen Himmelreiches.

Und auch, wenn die Gier der Menschen nach immer mehr seit damals bis heute ungebrochen ist, so weiß der Psalm 78: „Doch er ist barmherzig, vergab die Schuld und vernichtete nicht. Oftmals ließ er ab von seinem Zorn und unterdrückte seinen Groll.“

 

Was können wir also für unsere Fastenzeit aus der Wüste mitbringen?

  • Vielleicht dies: Uns bewusst zu werden, dass es kein segensreiches Wirken ohne vorherige Klarheit geben kann. Und dass es zu dieser Klarheit Zeiten der Klärung bedarf, die im Getriebe des Alltags nicht möglich sind. Der Versuchung des „immer produktiv Seins“ nicht zu erliegen und nicht der Versuchung nach schnellen und einfachen Antworten.
  • Auch: Uns in bester biblischer Tradition zu besinnen, dass wir in Gottes Schöpfungsplan eingebunden sind. Halte dich nicht selbst für Gott oder Gott ähnlich! Bedenke, dass die Herrschaft über Erde, Tiere und Menschen allein Gott gehört. Und aus diesem Bewusstsein unserer Umwelt, der Erde und den Menschen, mit entsprechender Ehrfurcht zu begegnen. Der Versuchung, uns selbst für die Krone der Schöpfung und das Maß aller Dinge zu halten, nicht nachzugeben. (Die Krone der Schöpfung ist der siebte Tag, der Sabbat, der Ruhetag zur Ehre Gottes. Damit erst ist die Schöpfung vollendet.)
  • Und vor allem: Darauf zu vertrauen, dass Gott uns auch durch Wüsten-Zeiten in unserem Leben nähren und tragen wird. Er trägt durch die Zweifel und Anfechtung, wenn wir uns mit dem vergleichen, was in der Welt so normal und anerkannt zu sein scheint. Es gilt, der Versuchung zu widersagen, aus Angst engherzig und kleinmütig zu werden.

Gott führt nicht in Versuchung, aber er führt uns in der Versuchung. Das hat Papst Franziskus zur Diskussion um die entsprechende Vaterunser-Bitte gesagt. In diesem Sinn sollen wir sie stets auch sprechen. Mit dem Gedanken des 2. Petrusbriefs vertrauen wir Gott unsere dunklen Stunden an: „Der Herr kann die Frommen aus der Versuchung retten.“

 

So ermutige ich dich, der du in der Wüste auf das Große wartest, das Gott schenken wird: Bleib eingebunden in das Geschenk des Lebens, das Gott gibt, und in seinen Bund des Gebens und Nehmens. So wie es die Taube des Noa und danach der Regenbogen als Zeichen des ersten Bundes verheißen. Amen.

 

Markus Himmelbauer, 18.02.2018
Fastenpredigt in Maria Puchheim

Namenstage
Hl. Katharina von Siena, Hl. Theoger, Hl. Dietrich von Thoreida
Bibelwort von heute
Quelle

Bibelwort zum Tag

Missverstehen führt zum Götzendienst Einerseits Erfolg und andererseits lebensbedrohende Verfolgungen (gespaltene...
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