Donnerstag 2. Mai 2024

Gutes Leben für alle soll möglich sein

Sozialpredigt zum 25. Sonntag im Jahreskreis, 23.September 2007

Evangelium: Lk 16,1-13
Lesungen: Am 8,4-7; 1Tim 2,1-8

 

Autorin: Mag. Susanne Lammer


Der Exodus Israels aus Ägypten war der Auszug aus ungerechten ökonomischen Verhältnissen, die auf dem Verhandlungsweg nicht zu bessern waren.

Das am Sinai gegebene Gebot an befreite Menschen sollte deren Freiheit bewahren und anderen gewähren. Dem dient auch die ganze Wirtschafts- und Sozialgesetzgebung.

Heute ist es noch immer nicht selbstverständlich, dass alle gut leben sollen. Aktuelle politische Diskussionen rund um Grundeinkommen, Mindestlohn, staatliche Pensionsvorsorge, Krankenversicherungen, Asylverfahren, Privatkonkurse, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe… zeigen, dass einige wenige um vieles besser leben können als andere. Dass einige wenige besser für sich „vorsorgen“ können als die, die gerade so viel verdienen, um ihre Lebenshaltungskosten so recht und schlecht zu decken. Und dass viele viel zu wenig haben, um für sich und ihre Angehörigen sorgen zu können.

 

Die Lesungen und das Evangelium von heute fordern eindeutig auf, Hilflose und Arme nicht auszunützen, sondern für sie Partei zu ergreifen und ihnen wirtschaftliches (Über)leben zu ermöglichen. Timotheus spricht von der Verantwortung derer, die Macht ausüben. Und im Lukasevangelium wird uns vor Augen geführt, dass das System des „Mammon“ (im Sinn von Gewinnmaximierung, Machtausübung, Abhängigkeiten schaffen und erhalten) wahrem Glauben entgegensteht.

Welche Verantwortung haben wir als ChristInnen heute, die Welt zu gestalten und lebenswert zu machen – für alle?

 

Lesungen

 

Am 8,4-7

Hört dieses Wort, die ihr die Schwachen verfolgt und die Armen im Land unterdrückt. Ihr sagt: Wann ist das Neumondfest vorbei? Wir wollen Getreide verkaufen. Und wann ist der Sabbat vorbei? Wir wollen den Kornspeicher öffnen, das Maß kleiner und den Preis größer machen und die Gewichte fälschen. Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen, für ein paar Sandalen die Armen. Sogar den Abfall des Getreides machen wir zu Geld. Beim Stolz Jakobs hat der Herr geschworen: Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen.

 

 

1 Tim 2,1-8

Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können. Das ist recht und gefällt Gott, unserem Retter; er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle, ein Zeugnis zur vorherbestimmten Zeit, als dessen Verkünder und Apostel ich eingesetzt wurde – ich sage die Wahrheit und lüge nicht -, als Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit.

 

Evangelium

 

Lk 16,1-13

Jesus sagte zu den Jüngern: Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Diesen beschuldigte man bei ihm, er verschleudere sein Vermögen. Darauf ließ er ihn rufen und sagte zu ihm: Was höre ich über dich? Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung. Du kannst nicht länger mein Verwalter sein. Da überlegte der Verwalter: Mein Herr entzieht mir die Verwaltung. Was soll ich jetzt tun? Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht, und zu betteln schäme ich mich. Doch – ich weiß, was ich tun muss, damit mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin. Und er ließ die Schuldner seines Herrn, einen nach dem anderen, zu sich kommen und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Er antwortete: Hundert Fass Öl. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich gleich hin, und schreib „fünfzig“. Dann fragte er einen andern: Wie viel bist du schuldig? Der antwortete: Hundert Sack Weizen. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, und schreib „achtzig“. Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. Ich sage euch: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es (mit euch) zu Ende geht. Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen. Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Reichtum nicht zu verlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann euer (wahres) Eigentum geben? Kein Sklave kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.

(14.15) Das alles hörten auch die Pharisäer, die sehr am Geld hingen, und sie lachten über ihn. Da sagte er zu ihnen: Ihr redet den Leuten ein, dass ihr gerecht seid; aber Gott kennt euer Herz. Denn was die Menschen für großartig halten, das ist in den Augen Gottes ein Gräuel.

 

Predigtgedanken

 

Jesus ist auf dem Weg von Galiläa, der Kornkammer Palästinas, nach Jerusalem, der Großstadt, und je weiter er Richtung Jerusalem kommt, desto mehr spielen Geld und Recht eine Rolle in seinen Reden.

 

Diesmal erzählt Jesus seinen Jüngern und einigen Pharisäern vom Verwalter eines reichen Mannes. Von ihm sagte man, er verschleudere sein Vermögen.

Wörtlich übersetzt heißt es: er zerstreut es, was bedeutet, dass er offensichtlich mit dem Geld etwas anderes macht, als vom reichen Mann in unternehmerischer Hinsicht gewünscht wurde. Der reiche Mann war unzufrieden mit dem Verwalter und entließ ihn, denn schließlich war der Verwalter ja dazu angestellt, sein Vermögen zu vermehren. Der Verwalter stand auf einmal arbeitslos da.

 

Aus welchen Motiven auch immer der Verwalter dann umdachte, er entschloss sich jedenfalls, den Schuldnern – solange er noch konnte - einiges zu erlassen.

Die 100 Bat Öl des ersten Schuldners entsprechen 3650 Litern Öl, wobei man von einem Olivenbaum ca. 120 kg Oliven ernten konnte, aus denen man 25 l Öl pressen konnte. D.h. der Schuldner würde ca. 146 Olivenbäume benötigen. Oder – in Geld ausgedrückt: 100 Bat Öl entsprechen in etwa 1000 Denaren oder 5 Jahreseinkommen eines Taglöhners.

Die 100 Sack oder Kor Weizen entsprechen etwa 550 Zentnern, d.h. 27.500 kg. Hier handelt es sich umgerechnete um etwa 500 Denare oder 2 ½ Jahreseinkommen.

Es handelt sich also um riesige Schuldmengen!

 

Die verschiedenen Abgaben und das verwickelte Steuersystem des Imperium Romanum waren die Hauptursachen dafür, dass der Großteil der Bauern und Landarbeiter trotz überdurchschnittlich guter Bodenbeschaffenheit in entsetzlicher Armut leben musste. Die mehrfachen und übertriebenen Abgaben, die zu den fortlaufenden Preissteigerungen hinzukamen, machten auch das Leben der werktätigen Massen in den Städten immer unerträglicher.

Übliche Vertragsarten waren, dass eine Geldschuld in Naturalien umgesetzt wurde, ohne Angabe eines Rückzahlungstermins und ohne Bestimmung der Rückzahlungsrate.

Üblicher Zinssatz für Öl war 100 %, für Weizen 25 %. Der soviel höhere Zinssatz für Öl hängt damit zusammen, dass Materialien, die anfällig waren für Fälschungen (durch Panschen, Strecken o.ä.) entsprechend höheren Zinssätzen unterlagen.

Damit hat der Verwalter des heutigen Evangeliums sozusagen den Zinssatz auf die Schuld zurückgenommen und dadurch das jüdische Recht wiederhergestellt. Laut jüdischer Tora gab es ja das Verbot, für Darlehen unter Juden Zins zu erheben (vgl. Dtn 15,7-11; 23,20; Ex 22,24; Lev 25,35-37). Nur faktisch boten sich zahlreiche Möglichkeiten, dieses Verbot zu umgehen. Und dass es ständig umgangen wurde, darauf weisen viele alttestamentliche Belege (Ez, 18,8.13.17; Am 2,8, Ps 15,5;…). Für den, der das moralische Risiko nicht scheute und dessen Gewissen in Bezug auf das Gottesrecht weit genug war, war es allemal ein leichtes, den Darlehensvertrag so abzufassen, dass der tatsächlich erhobene Zins darin überhaupt nicht erkennbar in Erscheinung trat und Gesetz und Gerichtsbarkeit demgegenüber vollkommen machtlos waren. Verdeckte Zinsnahme war also üblich, aber nicht erlaubt.

 

Wie auch immer die Verträge aussahen, die der Verwalter mit den Schuldnern dieser Geschichte abgeschlossen hat, unter dem Druck der Verhältnisse kehrt der Ökonom hier wieder zu den jüdischen Grundlagen und Grundprinzipien seines Berufsstandes zurück. In Wahrheit betreibt er durch den Schuldnachlass die Wiederherstellung des jüdischen Rechts.

Der Verwalter erkannte, dass das Wirtschaftssystem, das er vertrat und vollzog, das gesellschaftlich erlaubt war und praktiziert wurde, Leben zerstörte – das Leben der Schuldner, die immer mehr verschuldet wurden, und letztlich auch seines.

Er entschloss sich, umzukehren zur Tora, dem jüdischen Recht, die den Schuldnern und ihm Freiheit und leben schenkt.

 

Und der Herr (Gott) lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters – so zumindest übersetzt es die Einheitsübersetzung der Bibel. Wörtlich heißt es, er lobte die Klugheit des Oikonomos tes adikias, was so viel wie den Ökonom der Ungerechtigkeit bedeutet, der es mit dem mamones tes adikias, dem Mammon der Ungerechtigkeit zu tun hat.

 

Der Begriff „Mammon“ meint hier nicht nur Geld als Zahlungsmittel, sondern das gesamte ökonomisch-rechtlich-politisch-religiöse System, das nicht allen Menschen gutes Leben ermöglicht, sondern nur einigen wenigen. Dieses System erzeugt letztlich Unrecht und Unfrieden. Es wurde von Jesus kritisiert, und wird heute von vielen globalisierten Bewegungen kritisiert, bei WTO-Treffen und in regionalen Arbeitskreisen, von Privatpersonen und großen Organisationen, bei lokalen Kundgebungen und riesigen Demonstrationen. Auch die alttestamentlichen Propheten kritisierten dieses System schon vor mehr als 2500 Jahren: In der heutigen Lesung entlarvt Amos die, die Schwache und Arme verfolgen und unterdrücken, die sie betrügen um sich selbst immer noch mehr Vorteile zu verschaffen. Amos verspricht, dass Jahwe keine dieser Taten vergessen wird, denn gutes Leben soll für alle möglich sein!

 

Und Jesus legt diese Geschichte auch noch aus und empfiehlt seinen Jüngern: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons! Und er sieht ganz realistisch: Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.

 

Zwei völlig verschiedene Arten, wie Wirtschaften bzw. Verwalten verstanden werden kann, werden uns hier gezeigt.

* Die biblische, gottgewollte Wirtschaftsweise ist gekennzeichnet durch den Begriff „Gerechtigkeit“. Ziel und Zweck des Wirtschaftens ist es in diesem System, nützliche und notwendige Güter an alle zu verteilen, damit alle gut leben können. Ausgangspunkt dafür ist die von Gott reichlich ausgestattete Schöpfung und das Wissen, dass genug für alle da ist. Im Vertrauen auf diese Fülle sollen wir verantwortlich mit dieser Schöpfung umgehen. Motiv für jedes Wirtschaften ist der Bedarf der Menschen und die Frage nach der Gerechtigkeit und nach gerechten und lebensfreundlichen Verhältnissen. Die Ökonomie ist quasi die Voraussetzung oder Ermöglichung eines kulturellen und sinnerfüllten Lebens.

* Dagegen wird mit dem Begriff oder System „Mammon“ eine Wirtschaftsweise bezeichnet, deren Zweck und Ziel der Erwerb und die Vermehrung von Gütern, Waren und Geld ist. Kriterium für wirtschaftliches Handeln ist nicht mehr das gute Leben aller, sondern der Besitz und der Handel mit letztlich einem einzigen Ziel: der Geldvermehrung. Ausgangspunkt dabei ist der Gedanke der Knappheit. Daraus folgt ein Ringen um einen möglichst großen Anteil an dieser Knappheit. Die Folge sind nicht mehr solidarische Beziehungen der Menschen untereinander sondern Konkurrenzbeziehungen und ein Gegeneinander.

 

Als ChristInnen sind wir aufgefordert, Gott und dem Leben zu dienen.

Wir können uns maximal FreundInnen machen mit Hilfe des Mammons der Ungerechtigkeit, und Jesus warnt uns davor, dass wir dem System Mammon den ersten Platz überlassen könnten, denn der ist immer noch bei Gott!

 

 

Texte

 

Jesus sagte: Glückselig nenne ich, die arm sind. Sie sollen in Gottes Reich leben.

Er sagte auch: Glückselig nenne ich die Trauernden. Sie sollen getröstet werden.

Und wir vermuten, dass dies nicht nur dich und mich betrifft, sondern unsere Gesellschaft insgesamt und ihre Ordnungen.

Dass es also heißen soll: Wer bedürftig ist, wer Mangel leidet, wem etwas fehlt, wer damit an der Veränderung der Welt interessiert ist, an der Veränderung auf das Reich hin, das kommen soll, wer trauert über die derzeitige Aufteilung von Grund und Boden, von Bildung und Wissen, wer bekümmert ist über die Unterdrückung, Entrechtung und Ausbeutung von zwei Dritteln aller Menschen – dem gilt die Verheißung…

 

Er sagte: Glückselig nenne ich, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten; denn Gott wird sie satt machen.

Er sagte auch: Glückselig nenne ich, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen; denn ihr Lohn wird groß sein.

Und wir vermuten, dass dies nicht nur dich und mich betrifft, sondern unsere Gesellschaft insgesamt und ihre Ordnungen. Dass es also heißen soll: Wer danach trachtet, Gerechtigkeit zu schaffen, an einer immerwährenden Verbesserung der Gesetzgebung und des Strafvollzuges mitzuwirken, an einer gerechteren Verteilung des Eigentums, an einer partnerschaftlichen Ordnung zwischen Männern und Frauen, Erwachsenen und Kindern, Lehrern und Schülern, Hochschulen und Studenten, Arbeitgebern und Arbeitern – und wer um eines solchen Trachtens nach Gerechtigkeit willen diffamiert wird, Schaden leidet an seinem Ruf, an seinem Vermögen, an seiner Freiheit – dem gilt die Verheißung.

 

(Vilma Sturm, in: Dorothee Sölle, Fulbert Steffensky, Politisches Nachtgebet in Köln, Stuttgart 1969, 107f.)

 

 

 

 

 

                                                                                                                        

Unruhig ist unser Herz

 

Unruhig ist unser Herz,

bis es ruht in Gott.

 

Unruhig ist unser Herz,

und darum dürfen wir uns nicht ausruhen,

solange die Welt so ist, wie sie ist.

 

Unruhig ist unser Herz,

und darum müssen wir reden und kämpfen,

solange so viel Unrecht geschieht.

 

Unruhig ist unser Herz,

und darum müssen wir unsere Talente nützen,

solange so viel Hilfe gebraucht wird.

 

Unruhig ist unser Herz,

bis es ruht in Gott.

 

Und unruhig war auch das Herz

von Jesus von Nazareth,

der nicht im Lehnstuhl eingenickt,

sondern am Kreuz erstickt ist.

 

(Josef Dirnbeck, Martin Gutl, in: Gebetsmappe KJL, 242)

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