Samstag 27. April 2024

Der neue Bund

Sozialpredigt zum 5. Fastensonntag (17.03.2024) im Jahreskreis, Lesejahr B
Autorin: Eva Bauernfeind-Schimek, Referentin Fachbereich Gesellschaft und Soziales

Die Propheten und Prophetinnen des Alten Testaments spielen im Judentum und Christentum eine wesentliche Rolle. Sie sind Vermittler zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Mensch, Sprachrohr, um Gottes Volk auf den rechten Weg zurückzuführen. Die Prophet:innen vertreten zwei sehr zentrale Anliegen: den Glauben an den einen Gott – und Rücksichtnahme auf soziale Schwächere.

Die Prophet:innen des Alten Testaments sind aber auch soziale Reformer. Sie treten auf für Gerechtigkeit und gegen Unterdrückung und Missstände innerhalb der Gesellschaft. Sie kritisieren die Reichen und Mächtigen für die Ausbeutung der Armen. Die Prophet:innen sind das Gewissen der Nation und erinnern das Volk an seine moralische Verantwortung gegenüber den Schwachen und Bedürftigen. Ihre Botschaften haben konkrete Auswirkungen auf das soziale Gefüge der Gesellschaft – es versteht sich von selbst, dass eben diese Botschaften der Prophet:innen nicht immer mit Begeisterung gehört werden. Vielmehr stoßen ihre Worte oft auf Kritik, nicht nur von außen, sondern auch aus den eigenen Reihen. Dennoch: Die Prophet:innen leisten Widerstand gegen das bestehende System und machen aufmerksam auf Unfreiheit.

In dieser Rolle sehen wir Mose in einer der prominentesten Erzählungen des Alten Testaments. Er fordert sein Volk auf, Ägypten zu verlassen, für eine verheißungsvolle Zukunft und eine gerechtere Gesellschaft. Aus Sklav:innen wird ein Volk, das den Entschluss fasst, in Gemeinschaft zusammenzuleben, die Zehn Gebote werden zum Leitfaden für ein soziales Miteinander. Der Auszug aus Ägypten ist also nicht nur eine physische Migration im wahrsten Sinne des Wortes, sondern auch eine geistige und soziale Veränderung, ein Prozess, der das Volk dazu ermutigt, sich von alten Strukturen zu lösen und neue Wege des Miteinanders zu finden – auf der Grundlage von Gottes Geboten.

Ein weiteres Beispiel ist Jesaja, der die Bedeutung von Mitgefühl und Barmherzigkeit betont. Er ermahnte die Menschen, sich um die Waisen und Witwen zu kümmern und das Recht der Armen zu verteidigen. Jesajas Botschaft war geprägt von der Vision einer gerechten Gesellschaft, in der alle Menschen in Frieden und Wohlstand leben können; auch der Prophet Amos predigt gegen soziale Ungerechtigkeit und das unmoralische Verhalten der Oberschicht, die er zur sozialen Verantwortung ruft.

Viele prophetische Botschaften sind Botschaften der Hoffnung, die Verheißung, dass Gott mit uns ist, was mit Jesus Christus ein weiteres Mal bekräftigt wird. Verheißungen über einen Messias, der kommen wird, um eine neue Ära des Friedens und der Gerechtigkeit einzuleiten.

Die heutige Lesung ist Teil einer solchen Prophezeiung. Jeremia verkündet einen bevorstehenden neuen Bund – einen Bund, der durch eine Veränderung im Inneren der Menschen gekennzeichnet sein soll. Die Beziehung zu Gott soll eine unmittelbare sein, Gottes Gesetze nicht nur auf Steintafeln, sondern in ihre Herzen geschrieben sein. Der neue Bund ist ein Hoffnungsschimmer in instabilen, düsteren Zeiten und eine Verheißung von Gottes Treue; der neue Bund bietet die Chance zu einer anderen, tieferen Verbindung zu Gott und ermutigt die Menschen, sich von äußerlichen Riten und Formalitäten zu lösen und stattdessen ein authentisches Verhältnis zu Gott zu pflegen.

Besonders deutlich wird die Veränderung im Vergleich mit dem sogenannten „alten Bund“. Hier dominieren „von außen verordnete“ Gesetze. Im Gegensatz dazu ermöglicht der neue Bund, Gott auf einer sehr individuellen Weise zu begegnen, ihn in seiner bedingungslosen Liebe zu erkennen – und ihm nachzufolgen. Jeremiah betont Gottes Barmherzigkeit. Obwohl sein Volk den bestehenden Bund gebrochen hat, gibt Gott das Versprechen einer Beziehung, die nicht auf Leistung oder Gehorsam basiert, sondern auf Vergebung und Liebe; das Versprechen einer Beziehung, in der Menschen Gott erkennen und in geschwisterlicher Gemeinschaft nicht nur mit ihm, sondern auch miteinander leben. Der Weg ist bereit für Erlösung und die Heilung des menschlichen Herzens.  

Auch für uns Christ:innen hat diese Passage eine besondere Bedeutung: Im Neuen Testament wird sie immer wieder aufgegriffen. Das Leben und Tod Jesu Christus gibt Gläubigen die Hoffnung auf eine neue, gerechte Gemeinschaft, in der sie aus innerer Überzeugung Gott nachfolgen, und eben nicht nur, weil von außen diktierten Vorschriften es so verlangen. Die tiefere, persönliche Beziehung zu Gott muss nicht mehr durch bloße Lehren vermittelt werden, sondern liegt bereits in jedem von uns.

Deutlich wird das auch im heutigen Evangelium, in dem Jesus das Bild des Weizenkorns verwendet, das erst vergehen muss, um Frucht zu bringen. Aus unserer tiefen Überzeugung werden auch wir zur Nachfolge Jesu‘ aufgefordert, in der wir für ein gerechtes, sozial verträgliches Zusammenleben einstehen und Verantwortung übernehmen – durch die Übernahme eines Ehrenamtes, durch Unterstützung von bedürftigen Menschen im eigenen Umfeld, durch die Verteidigung von Menschenrechten ungeachtet von Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder sozialem Status oder durch Maßnahmen, die unsere Schöpfung bewahren.

Nehmen wir ihn also an, diesen neuen Bund, und übernehmen aus Überzeugung Verantwortung in unserer Gesellschaft!

 

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