Freitag 3. Mai 2024

2. Fastensonntag, von der Verklärung zur Klarheit. Anforderungen angesichts Messias Jesu. Worauf sollen wir hören, welche Herausforderungen gebietet die Tradition und warum hat Tora tun ganz konkret auch mit Fülle des Lebens für alle, leistbarem Wohnraum, einer Arbeit, die nährt, und einer gerechten Gesellschaft zu tun. 

 

„Der Schallraum, den das Wort des Herrn von uns fordert, ist unser „Heute“: die Umstände unseres Alltags und die Bedürfnisse unseres Nächsten; die Ereignisse und Forderungen des Evangeliums, die von uns stets dieselben Antworten verlangen, aber in einer täglich erneuerten Gestalt. (Madeleine Debrel)

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Immer wieder berichtet die Bibel von Orten, wo Jesus sich mit Jüngerinnen zurückzieht, neu sammelt. Innehalten, heraussteigen aus dem Alltäglichen, um einen klaren Blick zu bekommen auf das, was ist. In der Geschichte Gottes mit seinem Volk spielen sich zentrale Ereignisse immer am Berg ab. Moses bekommt die lebensfreundlichen Gesetze am Sinai, Profet:innen werden berufen, der Widerstand gegen die Herrschenden, gegen die Unterdrücker kommt aus den Bergen Galiläas, Maria macht sich auf ins Gebirge zu ihrer Verwandten Elisabeth. Jede und jeder weiß es aus eigener Erfahrung. Der Blick vom Berg, von Erhöhungen rückt die Umgebung in ein neues Licht, verschafft Überblick, neuen Ausblick, Fernsicht, auch Weitblick.

 

Jesus nimmt drei Jünger beiseite, sechs Augen sehen mehr, sechs Ohren hören mehr, weil es manchmal so unglaublich erscheint, was passiert. Wenn du da keine weiteren Zeugen nennen kannst, für das, was du gerade erlebt hast, glaubt dir das ja keiner. Jesus organisiert Auszeit für Wesentliches. Da werden alle Register gezogen. Mose, Elija und Jesus. Gewichtiger und wichtiger geht’s nicht. Der Bogen wird gespannt von Mose, der die Tora Gottes überbracht hat und den Auszug ins gelobte Land mitorganisiert hat, über Elija, seines Zeichens Prophet und Mahner, den es immer wieder gebraucht hat, um den rechten, den gerechten Weg Gottes einzumahnen hin zu Jesus, der jetzt mit den Menschen geht und am Aufbau des Reiches Gottes arbeitet. Hier geschieht also Entscheidendes.

 

Kein Wunder also, dass Petrus nicht weiß, was er da sagen soll. Wer kommt schon so unmittelbar mit den Begründern der Tradition in Berührung. Drei Hütten will er bauen, immerhin selber, und nicht bauen lassen, Hand anlegen für die Sache. Er trifft in seiner Unbeholfenheit dennoch Wesentliches. Drei Hütten sollen die Tradition, die ja immer da war, von Mose über Elija bis Jesus, bewahren. Petrus will Handfestes. Daneben gilt die Zusage des Geistes Gottes, der Garant ist dafür, dass Mitmenschlichkeit, Solidarität bestehen werden.

Dafür braucht es immer konkrete Menschen, die vom Geist wissen wollen und ihn weitertragen wollen, die davon erzählen und vor allem tun. Das ist auch heute immer noch und immer wieder aktuell. Glaube ist Tun. Ganz handfest und ganz wirklich. In einer Welt, wo noch viel zu tun ist, um geschwisterliche Verhältnisse zu schaffen. Dafür steht Mose, er erinnert an die Tora, die Wegweisungen zum Leben, wie Fulbert Steffensky die 10 Gebote bezeichnet, Handreichungen für ein gelingendes Leben in Gemeinschaft.

 

In dieser Tradition müssen wir uns füreinander verantwortlich fühlen, es geht gar nicht anders. Hier ist es eben nicht egal, wie es den Menschen rund um uns geht. Wir tragen Mitverantwortung und Jesus ruft uns immer wieder dazu auf, das Leben zu teilen.

 

Wenn etwas dann wie in der Erzählung so weiß wird, wie man es noch nie gesehen hat, vielleicht könnte man auch sagen, wenn der Blick so klar wird, wie noch nie zuvor, da kann einem schon Angst und bang werden. Da kann man sich dem, was man gerade gesehen und erkannt hat, nicht mehr entziehen, da ist man mitten hineingenommen ins Geschehen.

Markus macht in seiner Geschichte der Verklärung Jesu deutlich, was das Wesen des Messias ausmacht. An diesem Wesen soll deutlich werden, woran wir uns als Christinnen und Christen ausrichten sollen. Er beschreibt die „neue“ Ordnung Jesu, die eigentlich eine alte ist, die sich auf die Tradition Mose, die Tora und die Tradition der ProfetInnen, exemplarisch wird hier Elija genannt, stützt. Aus Verklärung wird Erklärung, Offenlegung. Jesus wird vor ihren Augen verwandelt, oder anders gesagt: sie erkennen jetzt, worum es geht. Jesus steht für ein neues Profet:innentum, anknüpfend an Mose und Elia. Diese Tradition garantiert ein Leben in Fülle für alle Menschen, eine Gesellschaft, in der alle Platz haben.

 

Mose und Elija redeten mit Jesus. Genaueres wird nicht geschildert, klar ist allerdings, dass man sich an diesen Dreien orientieren kann und soll für den eigenen Weg, den Weg des Reiches Gottes, wo Menschen zu ihrem Recht, zu ihrer Würde, zu ihrem Menschsein kommen. 

 

Petrus klinkt sich ein, überwältigt von dem, was er gesehen hat. So klar hatte er die Boten und die Botschaft noch nie im Blick. „Es ist gut, dass wir hier bei dir sind.“ Aber für wen ist es eigentlich gut? Möglicherweise für ihn und die anderen beiden Jünger. Gut, dass ich da dabei war, dabei sein durfte. Wenn wir unser eigenes Leben betrachten, werden uns wahrscheinlich auch einige Orte, Begebenheiten, Personen einfallen, die gut für uns, für unsere Entwicklung, für unser Leben waren. Gut, dass ich genau da dabei war. 

Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Du hast uns gezeigt, was für das Leben wichtig ist. Wären wir nicht hier, hier nicht dabei, würde uns Entscheidendes im Leben fehlen. Petrus bringt seine Zustimmung zum gegenwärtigen Augenblick zum Ausdruck. Ihm ist etwas klargeworden, was er möglicherweise noch gar nicht richtig fassen kann. Aber es ist etwas transparent, durchlässig geworden, was vorher verschlossen war.

 

Markus lenkt die Stoßrichtung seiner Erzählung nicht aufs Sesshaft werden, auf das Bauen von Hütten, es geht darum, sich entschlossen der Jesusbewegung  anzuschließen. Die Botschaft vom Reich Gottes bringt in Bewegung, in Bewegung auf den anderen, auf die andere hin. Ein neues Menschsein, ein neues Miteinander bricht an. Untermauert wird das Geschehen von der Stimme, die Himmel und Erde verbindet. Die Stimme bestätigt die Auserwählung Jesu und weist hin, auf Jesus und damit auch auf die Tradition zu hören. Glaube ist Beziehungsgeschehen, ist hören und tun. Diese Erfahrung arbeitet in den Jüngern. Sie sind überwältigt, dürfen dabei sein, wo die Weichen für das Reich Gottes gestellt werden, hautnah.

Der Menschensohn ist Heil und Segen für andere Menschen. Auch wir sollen für unser Leben überlegen, wie wir als Menschen, als Männer und Frauen miteinander umgehen. Wo werden wir in dieser Gesellschaft einander zum Heil, wo sind wir einander Segen? Wo und wie setzen wir uns für ein menschenwürdiges Leben für alle ein? Was heißt das nun ganz konkret? Wohin schauen wir und was kann uns dabei klar werden. 

 

Für viele Menschen wird es immer schwieriger, sich das Leben leisten zu können. Arbeit ist keine Absicherung mehr, das Erleben viele am eigenen Leib. Wer sich an die schwierigen Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst erinnert, weiß, dass selbst die rollierende Inflation, also der Teuerungsausgleich, von Seiten der Dienstgeber nicht bezahlt werden wollte. Immer mehr Personen sind daher trotz Arbeit armutsgefährdet oder kommen mit ihren Fixkosten nicht zurecht. Und Fixkosten sind wie der Name schon sagt Fixkosten. Da gibt es meist wenig Spielraum, gerade bei Miete, Betriebskosten, wie Wasser und Müllabfuhr, Heizung oder Strom. Die Caritas berichtet, dass Menschen anfangen, bei der Heizung zu sparen, weil es sich einfach nicht mehr ausgeht. Sie ist nicht lebensnotwendig, darauf kann man verzichten, wenn es eng wird. Beängstigend ist der Zustand, dass die Lebensmittel ein gewichtiger Preistreiber sind und viele Menschen anfangen, bei der Ernährung und bei den Nahrungsmitteln zu sparen. 

 

Armut ist vorwiegend weiblich. Frauen, oft alleinerziehend, oft Mindestpensionistinnen, die daheim waren, Kinder betreut haben, Angehörige gepflegt haben, fehlt das zum Leben notwendige Geld. Dazu kommt, dass auch unsere Stützsysteme restriktiver werden. Um Sozialhilfe zu bekommen, braucht es oft gewaltige bürokratische Anstrengungen, woran gerade sozial Schwächere scheitern und die Kraft nicht aufbringen zum Ansuchen. 

 

Oberösterreich ist übrigens Bundessieger bei der Anzahl der AMS-Sperren. Ein fragwürdiger Spitzenplatz. Menschen müssen also ein oder mehrere Monate ohne Arbeitslosenbezug auskommen in einer Lebenssituation, wo es ohnehin schon nicht zum Leben reicht. Und das, obwohl das Arbeitslosengeld ein Versicherungsanspruch ist. Immer mehr Menschen sind auch ohne Versicherung, weil sie aus den Systemen rausfallen, weil sie Sperren haben, weil sie den falschen Aufenthaltstitel haben. Auch die Obdachlosigkeit steigt. Ganz still und leise. Die Anzahl der Klient:innen wächst, kaum jemand kriegt es mit.

 

In Kontakt mit Menschen, die in solchen Verhältnissen leben kommen vor allem Sozialvereine und die Caritas. Sonst finden diese Schicksale großteils im Verborgenen statt. Zu groß ist oft die Scham, sich zu outen, gerade in einer Gesellschaft, wo einem dann auch noch die Schuld für die eigene Situation zugeschrieben wird. Noch immer ist das Gefühl da, ich bin ja selbst schuld, wenn ich arm bin. Dass ungerechte Verteilung in einem neoliberalen System der wesentliche Grund dafür ist, wird von den Verantwortlichen konsequent und hartnäckig negiert. Die Mär, dass jeder seines und ihres Glückes Schmied ist, wird dagegen immer noch bemüht. Dass aber die Vermögen von Benko, Wolf und wie sie alle heißen auch durch Steuerermäßigungen und Förderungen der Allgemeinheit entstanden sind, wird tunlichst verschwiegen. 

Aufklärung statt Verklärung, dafür stehen die biblischen Bilder. Hinschauen und handeln, sich betreffen lassen von den Schicksalen anderer, Tora tun, menschenfreundlich einander zugewandt, das ist Auftrag und Verpflichtung. Biblisch sind wir verpflichtet zum Nächsten zu werden dem und der Nächsten, die uns braucht und deren Augen uns anschauen. „Mein Sohn, meine Tochter, entziehe dem Armen nicht den Lebensunterhalt, und lass die Augen des Betrübten nicht vergebens warten. Enttäusche nicht den Hungrigen, verweigere dem Bedürftigen die Gabe nicht und missachte nicht die Bitten des Geringen. Neige dem Armen dein Ohr zu, rette den Bedrängten vor seinen Bedrängern.“ Angesichts der Verhältnisse um uns herum geben die Anweisungen der Bibel wie hier bei Jesus Sirach uns die Richtung vor. Es muss uns Anliegen sein, wie Menschen um uns herum leben und leben müssen und wir sind als Einzelne und als Gemeinde aufgerufen, dass totbringende Strukturen und Verhältnisse nicht das letzte Wort haben. Es muss wieder Aufgabe der Politik werden, dass Leben aller zu sichern und gerade dort in den Markt einzugreifen, wo es um die Daseinsvorsorge und die Grundbedürfnisse der Menschen geht. 

 

Solidarisches Leben und Zusammenstehen wird angesichts der herrschenden Verhältnisse zunehmend wichtiger. Gutes Leben für alle im Blick zu haben und zu sichern, dazu ist es wichtig, dass wir hier sind. „Rabbi, es ist gut dass wir hier sind“, das zu sagen steht auch uns an. Als Konsequenz folgt die Mitarbeit am Reich Gottes, wo alle das Leben haben und es in Fülle haben. Amen. Wir bleiben dran.

 

Text am Ende wird auf Anfrage versandt.

 

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