Mittwoch 25. September 2024

Auf den Kopf gestellt: Geringste werden Erste

Da kommt einer und stellt alles auf den Kopf. Jesus ist ein König, der andere Maßstäbe als die gewohnten anlegt. Seine Herrlichkeit findet Ausdruck im Blick auf das Alltägliche, er nimmt die in den Blick, deren Leben permanent bedroht ist. Jesus, der Menschensohn ist ganz Mensch und stellt die Frage nach dem Leben, nach einem Leben für alle. Biblisch gesehen geht es um den bevorzugten Blick auf die Benachteiligten, die Armen. Mit ihnen identifiziert sich Jesus. Schaffen wir es als Gemeinde, als Christinnen und Christen, die Grundbedürfnisse für diese Menschen zu stillen? Das ist auch heute die entscheidende Frage, an der wir gemessen werden.  

 

Da tauchen Bilder aus Moria auf, Menschen und Kinder in ihren Zelten ohne Boden, hungernd und frierend, die Zelte immer wieder unter Wasser, Obdachlose auf unseren Straßen und Plätzen, die uns ihre Hände entgegenstrecken und um eine Spende bitten, hungrig, Tausende, die täglich weltweit verhungern, weil wir es nicht schaffen, zu teilen, Menschen, die ihre Arbeit verlieren, die in Kurzarbeit große Gehaltsverluste hinnehmen müssen und nicht mehr über die Runden kommen, Arbeitslose, die mit sehr wenig auskommen müssen, Bezieher und Bezieherinnen von Mindestsicherung, wo das Geld bei steigenden Mieten und Lebenserhaltungskosten hinten und vorne nicht reicht.

 

Worauf kommt es im Leben wirklich an? Die Antworten der Bibel überraschen. Was wären eigentlich unsere Antworten darauf? 

 

Kämen uns auch die Hungrigen, Durstigen, Obdachlosen, Ausgegrenzten in den Sinn?

Der König, der uns im Evangelium begegnet, ist anders. Er ist einer, der mit herkömmlichen Königstraditionen bricht, ein König, der eine frohe Botschaft für die Benachteiligten bringt. Er stellt nicht die Frage: Was hast du großes geleistet, wieviel hast du gearbeitet? Hast du gut verdient? Wieviel liegt auf deinem Konto? Wieviele Immobilien hast du? Fährst du ein großes Auto? Hast du in deinem Leben Berühmtheit erlangt, warst du eine wichtige Person des öffentlichen Lebens? Nein, das alles ist Nebensache. Der biblische König ist im Kontrast zu den Königen seiner Zeit, die auf Kosten der Menschen Hofstaat gehalten haben, Kriege geführt und Leben vernichtet haben.
 
Diesen Königen des Todes setzt Jesus einen König des Lebens, Jahwe, gegenüber. Und er bringt prägnant auf den Punkt, worum es im Zusammenleben geht. In Gemeinschaft aufeinander schauen, dass alle leben können. „Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben, ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben,“ ihr habt mich aufgenommen, getröstet, bekleidet und mich besucht, mich in der Arbeitslosigkeit aufgefangen. Auf den Punkt gebracht geht es um die Sicherung der Grundbedürfnisse. In unserem Umfeld und auch weltweit. Das gilt es immer wieder in den Blick zu nehmen, uns berühren lassen und Hand anlegen, damit die Verhältnisse gerecht werden können. 

 

Dafür Sorge zu tragen obliegt aber nicht unserer Beliebigkeit. Von der Tora her gibt es die Verpflichtung dazu, die Mitmenschen und deren Sorgen und Nöte im Blick zu haben. Das macht uns Matthäus bewusst. Der und die Geringste wird als Maßstab für eine solidarische und gerechte Welt genommen. Zuwendung zum anderen wird zum Maßstab des Menschseins. An unseren Früchten werden wir erkannt. Die Frage: Wem werde ich zum Nächsten, entscheidet über unser Christ und Christin sein. Ganz konkret. Wem hast du geholfen, damit ihr  Leben besser sein wird?

 

Für viele im heutigen Evangelium scheint die Grundhaltung der Nächstenliebe ganz selbstverständlich, sie ist in Fleisch und Blut übergegangen. Das zeigt auch ihre Antwort: „Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen, wann durstig?“ Wir wüssten nicht wann und wo. Aneinander zu handeln wird nicht zur großen, außergewöhnlichen Sache erhoben sondern Tora, Nächstenliebe wird getan, ganz konkret und alltäglich. Das braucht keine Veröffentlichung in sozialen Medien oder der Kirchenzeitung. Nein, Nächstenliebe, aneinander tätig werden ist Alltagsgeschäft, muss einfach getan werden, weil wir als Menschen miteinander verbunden sind, verantwortlich füreinander, einander Nächste.

 

Unser Tun wird zur entscheidenden Sache, für uns und für die Anderen. Wer, wenn nicht wir, könnte man sagen, sind verantwortlich, dass das Reich Gottes anbrechen kann. Wer, wenn nicht wir, haben es in der Hand, Hand anzulegen, mit unseren Händen zu teilen, damit alle genug bekommen können, damit gutes Leben, Leben in Fülle für alle möglich werden kann. Wir müssen an der Seite derer stehen, die unter die Räder kommen, auch dort da sein, wo Menschen ihre Arbeit zu verlieren drohen. Mitfühlen und Mitgehen zum Beispiel mit den ArbeitnehmerInnen von MAN, wo der Standort Steyr aus Gier der Eigentümer in ein Billiglohnland verlagert werden soll. Auch da sein, wo Menschen, die in Kurzarbeit sind, ihre Lebenshaltungskosten wegen der Lohneinbußen nicht mehr tragen können, vielleicht ganz praktisch auch mit finanzieller Unterstützung. Umverteilung  konkret. Da sein bei ArbeitnehmerInnen, deren Arbeitsplätze in der Coronakrise weggestrichen wurden, gerade auch bei den hunderten entlassenen LeiharbeiterInnen, die in der Arbeitswelt so schon weniger im Blick sind, und auch bei den vielen, die im Handel ihre Arbeit verloren haben und die medial nicht vorkommen, da sein mit den Arbeitslosen, bei denen, wo das Leben eng geworden ist.

 

Jesus will unsere Blicke bewusst auf die Benachteiligten lenken. Die wesentliche Aufgabe eines Königs im alten Israel war, Tora zu tun, also zu schauen, dass die Weisungen des Ewigen getan werden, Gerechtigkeit und Frieden stiften und Lebensmöglichkeiten für alle sichern. Dazu braucht es auch eine dementsprechende Struktur des Zusammenlebens. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt“, das zählt wirklich. Unser Leben soll ein Segen sein, gerade auch für die Geringsten. Matthäus richtet uns mit seinem Text auf Verhältnisse aus, die wir sonst leicht übersehen, in unserem alltäglichen Leben ausblenden. Das normal Unsichtbare, Unscheinbare wird in den Blick gerückt. Die Bibel schreibt uns quasi eine To-do-list für unseren christlichen Alltag. Keine Frage: Wie oft hast du den Gottesdienst besucht, deine Sonntagspflicht erfüllt? Gottesdienst ist hier der Dienst am Nächsten. Unser Tun ist das Entscheidende, und auch unser Nicht-Tun. Jede und jeder wird gebraucht, damit wir in Verbundenheit miteinander leben können. In der Zuwendung zum Nächsten, zur Nächsten entscheidet sich unsere Menschlichkeit und zeigt sich letztlich das Gesicht unserer Gesellschaft. 

Oben und unten werden biblisch immer wieder bewusst verkehrt und somit neu beschrieben. Das soll uns zum Nachdenken anregen, wie wir uns als Menschen zueinander in Beziehung setzen sollen. Als Menschen sind wir geschaffen, gegenseitig aufeinander angewiesen. Wir sind Hüter und Hüterinnen unserer Brüder und Schwester. So weit, so klar der Auftrag. Wir haben alle füreinander Sorge zu tragen. So bleibt die Frage, wie wir uns als Menschen zueinander verhalten sollen, immer eine wesentliche. Matthäus gibt uns dabei die bevorzugte Blickrichtung vor.

 

Es liegt an uns.

 

Wo die Worte Jesu eingelöst werden, bricht messianische Zeit an, ist das Reich Gottes mitten unter uns und könnten die Worte der Apostelgeschichte Wirklichkeit werden, wo alle alles gemeinsam hatten: „Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt.“ (Apg  4,34)

Text für Gottesdienst:


„Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch immer der, der dir gerade gegenübersteht und das notwendigste Werk ist immer die Liebe.“ 
Zitat von Meister Eckhart    

 

Weiterer Text für den Gottesdienst auf Anfrage.

 

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