Dienstag 14. Mai 2024

"More than words" - Jesu Botschaft als provokative Zumutung und bleibende Zusage

Sozialpredigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B

Johannes 6, 60-69

 

Autorin: MMag.a Maria Dammayr, Theologin und Soziologin

Jesu Worte – Eine provokative Zumutung an die Jesusgemeinde

 

Das heutige Evangelium ist keine ganz einfache Textstelle, sie ist weder selbsterklärend noch selbstverständlich – und von Ihrer Aussage her gleichwohl Zumutung wie Zusage. Um das Murren und das sich breitmachende Unverständnis der Menschen um Jesus herum besser einsortieren zu können, gilt es kurz zurückzublicken auf die Tage und Geschehnisse, die dem vorausgehen. Die Bibel berichtet davon, dass Jesus damals besonders wegen seiner Wundertaten eine große Anhängerschaft um sich sammeln konnte. Dass Jesus vermochte, mit wenig die 5.000 zu speisen, bestaunten die Menschen, sie folgten ihm und wollten ihn zum König machen. Ein König, der uns gut versorgt und unsere (menschlichen) Bedürfnisse stillen kann – darauf haben wir gewartet!

 

Doch dass sich Jesus dann selbst als das Brot des Lebens, als Brot das vom Himmel herabkommt bezeichnet, das dem, der es isst und aufnimmt, das ewige Leben bedeutet – damit können viele nichts anfangen oder können es nicht fassen. Ihnen – so hören wir – werden seine Botschaften zu viel und unglaubwürdig: Sie sagen „Wie kann man das glauben?“ Wie kann das eine Voraussetzung für Nachfolge und Gemeinschaft sein – sein Fleisch essen, sein Blut trinken? Eine Aufforderung, die auch heute Menschen irritiert und befremdet. Es braucht die „Übersetzung“ und einen tieferen Blick, um verstehen zu können, was uns Jesus mit seiner Aufforderung sagen will. Für den Pastoraltheologen und Religionssoziologen Paul M. Zulehner steht diese Aufforderung symbolisch für eine ganz innige Gemeinschaft: Er formuliert es so: „Wer mit mir nicht eine so innige Gemeinschaft hat wie die aufgenommene Nahrung mit dem Körper, erlangt nicht das Ziel seines Lebens, die Vollendung in der Liebe.“ Diese Vollendung in der Liebe bedeutet dann vielmehr das Reich Gottes, sein Reich, in dem Frieden und Gerechtigkeit herrschen; darauf will Jesus uns Appetit und „Hunger“ machen. Auch wenn Jesus weiters davon spricht, dass er, der Menschensohn, hinaufsteigen wird, wo er vorher war, konfrontiert er seine Zuhörerinnen und Zuhörer mit dem Kern seiner Botschaft vom Reich Gottes. Doch diese Botschaft übersteigt jede bisherige Erfahrung der Menschen, sie übersteigt das Denken und Fürwahrhalten Vieler. Sie können seinen Worten keinen Glauben mehr schenken, weshalb sich Viele von der Jesusbewegung abwenden. Ihnen erscheinen seine Worte, das Zugesprochene nicht mehr zumutbar und nicht lebbar – sie erscheinen als eine nicht glaub(ens)würdige Zumutung.

 

Jesu Worte – wie verstehen wir sie heute?

Es scheint, als hätten wir es bereits hier mit einer ersten Austrittswelle zu tun. Und (Kirchen-) Austritte sind uns auch heute kein unbekanntes Phänomen; sie sind mitunter zahlreich und werden unterschiedlich begründet: Menschen verabschieden sich aus der christlichen Gemeinschaft, weil ihnen weder Glaube und Sprache noch die Institution als verständlich oder zeitgemäß scheinen; Menschen wenden sich ab, weil auch „Kirche“ (bzw. ihre VertreterInnen) nicht immer authentisch und auch nicht „ohne Schuld“ sind; dann bieten etwa Vorfälle von Missbrauch nachvollziehbare Gründe für einen Austritt. Die Gemeinschaft wird aber auch verlassen, weil Christsein heute oft nicht mehr attraktiv ist: So wird man zum einen teils bemitleidet und als armselig angesehen, als jemand der glauben muss, weil es ihm an Wissen fehlt; zum anderen ist ChristIn-Sein auch deswegen unattraktiv, weil die Nachfolge Jesu unter den derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen es verlangt, auch unbequeme Positionen zu übernehmen und ein Gegenspieler gegenüber gesellschaftlichen und politischen Mainstream zu sein; gegen einen Mainstream, der Menschen spaltet indem Sozialleistungen gekürzt und Arme gegen noch Ärmere ausspielt; unbequem mag es auch sein, als ein Mitglied der Kirche dort die Stimme zu erheben, wo entgegen dem Trend humanitäres Bleibereicht für Asylsuchende gefordert wird, damit Menschen nicht in Länder geschickt werden, wo sie der sichere Tod erwartet; eine „Stimme gegen den Trend“ erhebt man als ChristIn auch dann, wenn man die Einhaltung von Menschenrechten einfordert oder es nicht dulden möchte, dass auch heuer wieder tausende im Mittelmeer ertrinken. Ja, unattraktiv mag es auch sein, eine Symbolpolitik zu kritisieren, die unter Bezugnahme auf das christliche Kreuz ausgrenzende Praktiken gegen Andersgläubige unterstützt und damit einer aktuellen gesellschaftlichen Strömung entsprechend, Stimmung gegen diese Menschen erzeugt. Die genannten Themen sind unangenehme Themen – sie stören in unserer Welt, in der wir gerne positive „Wunder“ erleben, in der wir lieber um unsere eigenen Rechte und für die eigene Besitzstandswahrung kämpfen. Die Themen sprechen Entwicklungen an, wo es gelingt, Menschen und Gemeinschaften zu spalten und gegeneinander auszuspielen – auch die Christengemeinschaft ist davor nicht gefeit.

 

„Worte des ewigen Lebens“ als bleibende Zusage
Doch Jesus zeigt uns an seinem Beispiel: Es geht ihm nicht um eine gute Stimmung; er nimmt seine Botschaft trotz des Murrens aus dem Volk und obwohl sich JüngerInnen von ihm abwenden nicht zurück. Er beschwichtigt und besänftigt nicht. Nein, er „überhöht“ und radikalisiert: Damit deutet sich an: Es geht wohl um etwas ganz Entscheidendes. Es geht um die Gemeinschaft mit Jesus und das Reich Gottes. Das Reich Gottes ist die Realisierung von Gerechtigkeit und Frieden. Sie zu verwirklichen ist ein Anspruch, den es bereits jetzt, im Hier und Heute und jeden Tag aufs Neue anzustreben gilt.

Mit seiner Botschaft und der Einladung zu seiner Nachfolge fordert Jesus uns heraus – er mutet uns viel zu! Aber es ist eine Einladung, für die wir aus freien Stücken entscheiden ob wir sie annehmen, die wir aber – wie es auch in der Jesusbewegung der Fall war – ablehnen können, wenn wir weggehen. Jesus begleitet uns auf diesem, manchmal herausfordernden und unattraktiven Weg, in Zeiten, die unsere gesellschaftliche Positionierung als ChristIn brauchen. Er stärkt uns mit seinem Geist und schenkt uns mit seinen Worten seine Zusage! Und diese bedeutet mehr als Worte: Sie sind Worte ewigen Lebens – provokative Zumutung und bleibende Zusage.   

 

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