Freitag 26. April 2024

Nichts ist umsonst! - Ein Fest gegen die Entwertung des Menschen

Sozialpredigt zum Fest Mariä Himmelfahrt

Sozialpredigt zum Fest Mariä Himmelfahrt (15. Aug. 2017), Lesejahr A

 

Autor: Dr. Stefan Schlager

Theologische Erwachsenenbildung/Diözese Linz

 

 

Sie gehört für mich zu den bemerkenswertesten Szenen der Filmgeschichte – und ich nehme an, dass auch Sie die Bilder kennen: Charlie, der Akkordarbeiter, kommt zwischen die großen Zahnräder einer riesigen Maschine und wird von ihnen nach vorwärts und nach rückwärts gequetscht – bis ihn die Maschine wieder ausspuckt. Dieser Slapstick stammt aus dem Charlie-Chaplin-Film „Modern Times“. Chaplin spielt darin einen Heimatlosen, der durch Akkordarbeit am Fließband zu Geld kommen will und dabei Opfer der modernen Zeit wird: mit ihrer enormen Beschleunigung und all ihren Normierungen. Am Ende der Szene wird Charlie verrückt. Überall sieht er Menschen, bei denen Schrauben locker sind – und die er nun anzuziehen versucht. Der Tramp muss deshalb in eine Nervenheilanstalt. Nach einiger Zeit entlässt ihn der Arzt mit dem zweifelhaften Ratschlag: „Take it easy!“.

 

Modern Times
In dem Chaplin-Film aus dem Jahr 1936 steckt für mich eine bis heute aktuelle Botschaft: Wenn der Mensch nicht mehr als Mensch wahrgenommen wird und als „zweitrangig“ gilt, kommt er unter die Räder. Er geht unter. Er geht verloren. Das Fest „Mariä Himmelfahrt“ knüpft genau bei dieser Erfahrung an. Am Beispiel Mariens bringt die Kirche allerdings im Kontrast dazu die Hoffnung ins Spiel, dass jeder Mensch und dessen Leben – und sei es noch so bruchstückhaft, so klein und so vorläufig – nicht wertlos ist. Gegen die Logik des Entsorgens und Entwertens hält der Glaube an der Überzeugung fest: Der Mensch steht im Mittelpunkt, mit seiner Würde, seinen Eigenheiten, seinen Grenzen und seiner Geschichte. All das hat in den Augen Gottes bleibenden Wert. Ohne Ostererfahrung wären diese Hoffnung und dieses Vertrauen jedoch nicht möglich und nur ein leeres Versprechen!

„Nach dem zu trachten, was droben ist“ (Kol 3,2)


Dementsprechend dürfen wir heute auf dem jahrtausendealten Fundament des biblischen Auferweckungsglaubens unseren Blick in den Himmel lenken, auf das hin, was uns Menschen von Gott her zugesagt ist. Das Fest „Mariä Himmelfahrt“ fordert uns heraus, ganz im Sinn von Kolosser 3,2 „nach dem zu trachten, was droben ist“. Das aber bedeutet nicht, abzuheben, der Erde den Rücken zuzuwenden, sich von der Welt zu verabschieden. Im Gegenteil! Dieser Blick nach oben schärft unseren Blick für die Welt. Er macht uns leidenschaftlich für das Diesseits, nicht gleichgültig! Dieser Blick in den Himmel stärkt unseren Mut zur Menschlichkeit und vertröstet nicht auf ein Danach. Oder mit den Worten Dietrich Bonhoeffers aus einer Predigt aus dem Jahr 1932:
„Daran entscheidet sich heute Gewaltiges, ob wir Christen Kraft genug haben, der Welt zu bezeugen, dass wir keine Träumer und Wolkenwandler sind. … Dass unser Glaube wirklich nicht das Opium ist, das uns zufrieden sein lässt inmitten einer ungerechten Welt. Sondern dass wir, gerade weil wir trachten nach dem, was droben ist, nur umso hartnäckiger und zielbewusster protestieren auf dieser Erde. Protestieren mit Worten und Taten, um um jeden Preis voranzuführen.“  

 

Aufstand für das Leben
Das Fest „Mariä Himmelfahrt“ zielt somit auf unser Tun, auf unser Handeln, auf unseren Einsatz für eine gerechtere Welt ab. Wer den Himmel – und insbesondere den Auferstanden und dessen Gott – im Blick hat, der steht für das Leben auf und für Gerechtigkeit ein: gegen jede Art von Entwertung und Entsorgung des Menschen. Nicht umsonst ist im Wort „Auferstandener“ der Begriff „Aufstand“ enthalten. Das Gleiche gilt aber auch im Blick auf Maria. Wer auf Maria schaut, sich an dieser Frau und ihrem Leben orientiert, dem begegnet ebenfalls dieser Einsatz für Menschlichkeit. So durfte beispielsweise zur Zeit der Militärdiktatur in Argentinien das „Magnifikat“ nicht bei öffentlichen Versammlungen gesprochen werden. Es wirkte für die Machthaber zu bedrohlich. Denn unmissverständlich zeigt dieser Lobpreis Mariens, wie sehr Gott gerade diejenigen am Herzen liegen, die ausgebremst, an den Rand gedrückt und mundtot gemacht werden. Maria – eine leidenschaftliche Zeugin für die leidenschaftliche Liebe Gottes zu den Schwächsten. Und gerade diese Frau ist – so die Botschaft des heutigen Tages – in den Himmel aufgenommen und von Gott angenommen worden. Es ist also gut, „nach dem zu trachten, was droben ist“, was Zukunft hat, worauf es ankommt.

Kräuter-Wünsche

 

Zum Abschluss meiner Predigtgedanken folgen Wünsche, die ich – anlassbezogen – mit Hilfe von Kräutern zum Ausdruck bringen möchte, die ja an diesem Tag in vielen Kirchen gesegnet werden.

Ich wünsche uns, dass der Blick in den Himmel wie jene Kräuter wirkt, die appetitanregend sind – und Appetit auf ein Leben in Fülle macht, jetzt schon.

 

Ich wünsche uns, dass der Blick nach oben bitteren Kräutern gleicht.
Denn diese lassen uns nicht vergessen, dass insbesondere jene Menschen
einen Platz bei Gott haben, denen Bitteres widerfährt.
Auch wir sollen an ihrer Seite sein, immer wieder aufs Neue.

Ich wünsche mir, dass der Blick in den Himmel den heilenden Kräutern entspricht: Mögen wir durch die verheißene Begegnung mit Gottes be­freiendem „Ich-bin-da“ schon heute geheilt werden von Zynismus und Hartherzigkeit.

Und schließlich wünsche ich mir, dass wir bei unserem Weggehen aus dieser Welt ebenso den Geruch von Weite und Menschlichkeit, Respekt und Einfühlungsvermögen hinterlassen dürfen. So wie es die Legende vom Grab Mariens erzählt, aus dem der Wohlgeruch von Kräutern aufgestiegen sein soll.

    

Amen!

 

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