Freitag 26. April 2024

Nur Mut!

Sozialpredigt zum 20. Sonntag im Jahreskreis  (16. August 2020) im Jahreskreis | Lesejahr A

Mt 15,21-28


Autorin: Mag.a Lucia Göbesberger

Im heutigen Evangelium wird eine Geschichte von Bitten und Protest erzählt, die zu einem guten Ende führen, aber auch einen Wandel bei Jesus bewirken. Wie kommt es dazu?
Jesus zieht sich mit seinen JüngerInnen in das Gebiet von Tyros und Sidon zurück – Städte, die im heutigen Libanon liegen. Dort treffen sie auf eine Frau - eine sehr beharrliche Frau, eine Mutter. Vielleicht eine alleinstehende Frau, deren finanzielle Situation damals häufig sehr prekär war. Sollte sie in einer armen bzw. armutsgefährdeten Familien gelebt haben, so war sie vermutlich erwerbstätig 1, denn das war für das Überleben der Familie unerlässlich. Diese Mutter treibt ein sehr dringliches Anliegen: Ihre Tochter ist krank und leidet. Sie zieht ihr Kind nicht nur groß, sie pflegt es auch.

 

Der Name dieser Frau wird in der Bibelstelle nicht erwähnt, dafür wird über ihre geographische Herkunft Auskunft gegeben: Kanaan. Für Jesus und seine Gruppe gehört sie dadurch zu den anderen, zu den Fremden, zu jenen, für die Jesus und seine Gruppe nicht zuständig sind, für die sie sich nicht interessieren. Das zeigt sich für die Frau darin, dass sie noch nicht einmal Antwort auf ihre Bitte um Hilfe, um Erbarmen bekommt. Sie wird schlicht nicht gehört und wahrgenommen. Ihr Anliegen ist aber sehr dringlich und sie ist äußerst beharrlich und lässt sich nicht entmutigen. Die JüngerInnen schlagen daher vor, sie wegzuschicken, denn sie protestiert lautstark. Sie bringt ihre Bitten trotz der ersten Abfuhr mit Nachdruck, laut und für alle Anwesenden gut hörbar vor. Aber all das bewirkt nichts, sie gehört nicht dazu und wird deshalb nicht ernst genommen. Erst nachdem sie sich zu Boden wirft, kommt es zu einem Dialog. Jesus tritt in das Gespräch ein und antwortet mit einem Bild. Er spricht sie aber nur indirekt an und weist sie auf ihr Anderssein, auf ihr Nichtdazugehören hin. Die namenlose Mutter lässt sich auch dadurch nicht abschrecken. Sie greift das Bild, das Gleichnis auf und vervollständig es. Erst in der Antwort darauf wird sie von Jesus direkt adressiert. Sie wird, wenn auch noch immer namenlos, mit ihrem Anliegen wahrgenommen, erfährt Hilfe/Erbarmen. Sie ist zur ernstzunehmenden Person geworden, erhält Aufmerksamkeit und ihr dringliches Anliegen wird erfüllt.  

 

Jesus hat durch den Protest der Frau sein Selbstverständnis ein Stück geweitet – er ist auch für die anderen da. Wie die JüngerInnen reagierten wird nicht berichtet – sicher war es auch für sie eine Irritation, dass plötzlich KanaanäerInnen auch „angesehen“ werden. Diese Geschichte erzählt uns über Macht- bzw. Herrschaftsverhältnisse, die nicht unbedingt so offensichtlich sind. Es geht um die Frage, wem etwas zusteht bzw. wer welches Stück vom Kuchen erhält. Das beginnt bzw. zeigt sich auf verschiedene Weise:

 

Wem schenke ich Aufmerksamkeit?  Wer ist jenseits meiner Wahrnehmungsschwelle?
Wen nehme ich ernst? Für wen bin ich verantwortlich?

 

Und diese Erzählung ist eine Ermutigung für jene, die in Sorge sind. Das letzte halbe Jahr hat viele von uns vor neue Herausforderungen gestellt. Es hat Menschen in Unruhe und Unsicherheit versetzt. In dieser Situation kann diese Bibelstelle eine Anregung geben: Wichtig ist trotz der Belastung sprachfähig und handlungsfähig zu bleiben so wie die Frau im Evangelium.  Denn all diese Unruhe birgt die Gefahr das Selbstvertrauen zu verlieren und sich zurückzuziehen und das Vertrauen in die (Mit-)Gestaltungskompetenz des eigenen Lebens und des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu verlieren. Matthäus hat hier eine Mut Geschichte aufgeschrieben.  Eine Erzählung, die uns ermutigt Notsituationen und Ungerechtigkeiten zum Thema zu machen und dran zu bleiben, auch wenn es um Probleme geht, die vielen nicht bewusst sind und nicht im Fokus der gesellschaftlichen wie medialen Aufmerksamkeit stehen. Die namenlose Frau kann uns Mut machen und vielleicht finden sich auch Menschen, im näheren oder weiteren Umfeld, die sich mit auf den Weg machen, um die Situation zu verbessern. 
 

 1 Frauen arbeiteten als Tagelöhnerinnen, Bäckerinnen, im Handel, als Marktfrauen, Tänzerinnen, Wasserträgerinnen,… Sie erhielten dafür ein Drittel oder höchstens die Hälfte des Männerlohnes. Eine eigenständige Existenz war für Frauen damals kaum möglich.

 

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