Mittwoch 15. Mai 2024

Habt ihr genug zu essen?

Gedanken (wahlweise) zum 3. und 4. Sonntag im Osterkreis mit Bezug auf Arbeitslosigkeit 30. April - Tag der Arbeitslosen und Arbeit 1. Mai - Tag der Arbeit während den Schutzbestimmungen in der Corona Krise im Jahr 2020


Autorin:  Mag.a Michaela Pröstler-Zopf, Leiterin der Betriebsseelsorge OÖ und seit 1. März 2020 stv. Vorsitzende des Kollegiums Bischöfliche Arbeitslosenstiftung sowie Leiterin des Bereichs mensch & arbeit im Pastoralamt der Diözese Linz
 

 

 3. Sonntag in der Osterzeit (Joh, 21,11-14) „Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch.“ Alternatives Evangelium am 3. Sonntag in der Osterzeit lt. Schott: Emmauserzählung „Sie erkannten ihn, als er das Brot brach“ 4. Sonntag in der Osterzeit (Joh 10, 1-10 und zweite Lesung. Offb 7, 9.14b-17) „Das Lamm wird sie weiden und zu den Quellen des Lebens führen. Sie werden das Leben haben und zwar in Überfluss“

 

 

Habt ihr genug zu essen?

Habt ihr eh genug zu essen? Wer kennt den Ausspruch nicht und denkt dabei sofort an Verwandtschaftstreffen. Ich denke an die gefüllten Tische zu Essenszeiten. Ich denke an die besorgte, aber oft überflüssige Frage der jeweiligen Gastgeberin oder des Gastgebers: „Habt ihr eh genug?“ oder „Greift zu!“

Habt ihr genug zu essen? Unter welchen Bedingungen ist diese Fragen zu sehen und zu stellen?

Im Abschlusskapitel des Johannesevangeliums begegnet Jesu seinen Freund*innen bei der Ausübung ihres Grundberufs. Sie sind Fischer*innen und gerade fertig mit der nächtlichen Arbeit. In dieser erzählten Nacht, sind sie leer ausgegangen. Kein Einkommen. Kein Essen.

„Kinder, habt ihr etwas zu essen?“ werden sie gefragt. Stellt man die Frage an Männer und Frauen, die eine ganz Nacht gearbeitet haben und nichts erwirtschaftet haben, klingt sie gänzlich anders als beim Bild vom Verwandtschaftstreffen mit dem vollen Tisch.

Das Versprechen, dass sie etwas fangen werden, wenn sie die Netze noch mal auswerfen lässt sie hoffen. Durch den reichen Fang, den sie im Anschluss machen erahnen sie Jesus, den Auferstandenen, mitten unter ihnen. Als sie dann Mahl halten und tatsächlich satt werden, erkennen sie den Auferstandenen unter sich.

Ähnliches haben die Emmausjünger bei ihrem Weggefährten erkannt. Sie redeten mit ihm über ihre Ängste und Sorgen. Es brannte ihnen das Herz voller Hoffnung während dieser Begegnung. Als sie dann nach einem langen Marsch bei Tisch saßen und Jesus Brot und Wein mit ihnen teilte, erkannten sie ihn.

Auferstehung ist in beiden Stellen zum Greifen nahe. Sie ist im gemeinsamen sättigenden Mahl spürbar. Sie ist die Nahrung, die Menschen in ihren Alltagssorgen erfahren können. Es geht darum, dass alle satt werden und genug haben. Es geht um das Leben in Fülle für alle.

Wo und wem stellen wir heute die Frage: Habt ihr genug zu essen?

Die Berichte aus der Nachbarschaft und dem Freundeskreis (fast jede*r kennt jemanden, der von Arbeitslosigkeit betroffen ist) und die Nachrichten aus der Welt (Millionen Arbeitslose in Europa) regten in den letzten Monaten zum Denken an. Arbeitslosigkeit kann jede*n treffen. Viele Firmen schickten ihre Mitarbeiter*innen nicht auf Kurzarbeit, sondern meldeten sie arbeitslos. Viele Kleinunternehmen und 1-Person-Unternehmen haben in dieser Krisenzeit keine Einkünfte mehr. Die Folgen davon: das Einkommen reduziert sich auf max. die Hälfte von dem Einkommen davor, die Zukunft ist ungewiss, finanzielle Sorgen und Existenzängste machen sich breit. Das Gefühl „nicht gebraucht“ zu werden wird durch mitleidige oder schiefe Blicke aus der Umgebung verstärkt. Arbeitslosigkeit wurde viel zu lang als „Eigenverschuldung“ abgestempelt, falsche Vorurteile gegenüber arbeitslosen Menschen wurden viel zulange geschürt.

„Mir schnürt es die Kehle zu, ich kriege keinen Bissen mehr runter, die drohende Arbeitslosigkeit macht mir jetzt schon schlaflose Nächte,…“, beschreibt ein 50 jähriger Maschinenschlosser seine Situation.

Parallel dazu höre ich eine andere Stimme: „Jetzt bin ich schon die dritte Woche daheim, ich arbeite viel in der Landwirtschaft. Erst jetzt merke ich, wie mein Kopf zur Ruhe kommt. Ich war so lang in einem Hamsterrad gefangen, immer musste ich an die Arbeit denken, auch am Wochenende wurde ich aus der Fertigung angerufen. Jetzt ist es still geworden, ich baue alten Urlaub ab und merke, wie meine Seele nachkommt.“

„Jetzt habe ich gar keine Chance mehr“, beschreibt eine 15 jährige Polyschülerin ihre Situation. Vor der Krise war sie noch in einigen Bewerbungsverfahren, jetzt hat sie nur noch Absagen. Keine der Firmen, in denen sie arbeiten wollte, nimmt in dieser wirtschaftlich unüberschaubaren Situation Lehrlinge auf.

In dieser Krisensituation rund um Corona im Frühjahr 2020 spitzt sich etwas zu, das vorher auch schon deutlich war. Arbeit, Einkommen, Wohnraum, soziale Räume, Zugang zu Grundstücken und Natur sind nicht gerecht verteilt. Nur mit persönlichem Leistungswillen sind diese ungerechten Verhältnisse nicht zu beheben. Es braucht die gemeinsame Anstrengung von Politik und Wirtschaft, um diese Verhältnisse ins Lot zu rücken.

Die Frage: „Habt ihr genug zu essen?“ kann auch als Verteilungsfrage gelesen werden. Wenn Jesus alles Todbringende überwindet, wenn Jesus das Leben schenkt, wenn Jesus Nahrung sein will und der Hirte ist, der für alle gute Weideplätze findet – dann wird die Frage nach dem Essen zu einer gesellschaftlichen Fragestellung.

Gelingt es uns als Christ*innen so zu leben und so zu teilen, dass alle genug zu essen haben? Mit „genug“ ist in dem Fall auch nicht das nackte Überleben gemeint. Genug bedeutet, dass jedem so viel zugedacht wird, dass er oder sie sich auch als Teil der jeweiligen Gesellschaft fühlt – nicht nur als Almosenempfänger*in. Können wir hier in Österreich so zusammen leben, das jede Person in ihrer ganzen Würde ernst genommen wird - ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Einkommens, ihres Alters, ihres Geschlechts, ihrer Ausbildung, ...?

Gerechte Verteilung ist da ein Schlüsselwort, an dem Maß genommen werden kann. Wir als ChristInnen werden die Frage nach der gerechten Verteilung und nach gerechten Verhältnissen stellen müssen:

In dieser Krisensituation erkennen wir, wie sehr wir einen gut ausgebauten Sozialstaat brauchen, wie wichtig die Grundversorgung und die gute medizinische Infrastruktur sind, wie wichtig eine funktionierende Demokratie ist. In der Krisensituation erkennen wir auch, dass viele, die lebensnotwendige Arbeiten leisten, um gerechte Bezahlung und angemessene Arbeitszeiten streiten müssen (Handel, Pflege, Post-und Paketdienste,…)

Wir hören auch von maßlosen Ungerechtigkeiten: Firmen, die Dividenden an Aktionäre auszahlen und gleichzeitig LeasingarbeiterInnen kündigen und MitarbeiterInnen in Kurzarbeit schicken. Der ungarische Regierungschef, die über Nacht sein Land in eine Quasi Diktatur umwandelt und per Dekret regiert.

Wer nach gerechten Verhältnissen fragt, kann aber auch sein eigenes Verhalten in Frage stellen: Wie werde ich auf die Situation von arbeitssuchenden Menschen aufmerksam? Wie komme ich mit ihnen ins Gespräch, über ihre Vorstellungen vom Leben und über ihre Talente? Kann ich jemandem in meinem Umfeld dabei unterstützen, Arbeit zu finden?

Welche Geschichten erzähle ich am Stammtisch? Kann ich auch über die Lebenswirklichkeiten von Menschen erzählen, die mit vollem Einsatz unter Druck und Stress Arbeit suchen?

Wie kann ich mit meinem Einkauf- und Internetbestellverhalten Arbeitgeber unterstützen, die faire Arbeitsbedingungen für ihre MitarbeiterInnen bieten oder unterstütze ich jene Großkonzerne, von den ich weiß, dass sie menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen?

Die nachösterlichen biblischen Erzählungen geben uns in vielen Beispielen Bilder vom Leben in Fülle. Das Bild vom übervollen Fischernetz, vom reichen Fang, der für alle und für lange Zeit nähren kann, ist ein solches Bild. Das Bild vom nährenden Mahl und die Erfahrung, dass Gott in diesen stärkenden Moment mit uns ist, ist ein solches Bild.

Das Evangelium vom nächsten Sonntag (4. Sonntag in der Osterzeit) lässt uns mit einem ähnlichen Bild zurück. Jesus ist der Hirte, der für gute Weideplätze sorgt und zwar für alle seine Schafe. Jesus bringt das Leben in Fülle, ja in Überfluss.

Wenn wir das Leben in Fülle konsequent weiterdenken, dann muss dies für alle Menschen möglich sein. Die Hoffnung darauf wird von der Erfahrung der Auferstehung beflügelt. Wir erfahren so, dass es Sinn macht für ein gerechtes und gutes Leben für alle einzustehen. Es liegt an uns davon zu erzählen.

 

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