Samstag 21. September 2024

Höchste Zeit für die Schöpfung

Predigtvorschlag zum Erntedanksonntag 2022
von Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger, Linz
Lesung: Gen 6,9.11-14.17-22

Lesung aus dem Buch Genesis


9 Noach war ein gerechter, untadeliger Mann unter seinen Zeitgenossen; er ging mit Gott.


11 Die Erde aber war vor Gott verdorben, die Erde war voller Gewalttat.


12 Gott sah sich die Erde an und siehe, sie war verdorben;
denn alle Wesen aus Fleisch auf der Erde lebten verdorben.


13 Da sprach Gott zu Noach: Ich sehe, das Ende aller Wesen aus Fleisch ist gekommen;
denn durch sie ist die Erde voller Gewalttat.
Siehe, ich will sie zugleich mit der Erde verderben.


14 Mach dir eine Arche aus Goferholz!
Statte sie mit Kammern aus und dichte sie innen und außen mit Pech ab!


17 Siehe, ich will die Flut, das Wasser, über die Erde bringen,
um alle Wesen aus Fleisch unter dem Himmel, alles, was Lebensgeist in sich hat, zu verderben.
Alles auf Erden soll den Tod finden.


18 Mit dir aber richte ich meinen Bund auf.
Geh in die Arche, du, deine Söhne, deine Frau und die Frauen deiner Söhne!


19 Von allem, was lebt, von allen Wesen aus Fleisch, führe je zwei in die Arche, damit sie mit dir am Leben bleiben;
je ein Männchen und ein Weibchen sollen es sein.


20 Von allen Arten der Vögel, von allen Arten des Viehs, von allen Arten der Kriechtiere auf dem Erdboden
sollen je zwei zu dir kommen, damit sie am Leben bleiben.


21 Nimm dir von allem Essbaren mit und leg dir einen Vorrat an!
Dir und ihnen soll es zur Nahrung dienen.


22 Noach tat alles genauso, wie ihm Gott geboten hatte.

 

Evangelium: Lk 13,1-9
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas


1 Zur gleichen Zeit kamen einige Leute
und berichteten Jesus von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte.


2 Und er antwortete ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer,
weil das mit ihnen geschehen ist?


3 Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.


4 Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms am Schiloach erschlagen wurden – meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten als alle anderen Einwohner von Jerusalem?


5 Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.


6 Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine.


7 Da sagte er zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre
und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts.
Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?


8 Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen.


9 Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!


Predigt:


Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder,


vor 16 Jahren, am 30. Oktober 2006 legte der Chefvolkswirt der britischen Regierung, Nicholas Stern, seinem Regierungschef Tony Blair einen Bericht über die Folgen der Klimaerwärmung vor. Die Kernbotschaft lautete: Wenn die
Treibhausgasemissionen ab sofort kontinuierlich reduziert würden, würde das ungefähr ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten. Wenn hingegen nichts getan würde, koste das auf Grund der Schäden der Erderwärmung langfristig ungefähr 20 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Je länger wir zögerten, umso teurer würde es am Ende.


Heute, 16 Jahre später, müssen wir eingestehen, dass wir seitdem fast nichts getan haben. In Österreich haben sich die Treibhausgasemissionen nahezu überhaupt nicht verringert, europaweit nur um etwa 20 Prozent. Die vorgeschlagenen Reduktionsziele des Stern-Reports werden krachend verfehlt. Noch immer emittiert jeder Europäer und jede Europäerin
das Fünffache an Treibhausgasen, das klimaverträglich wäre. Und was ich am Beispiel des Klimas gezeigt habe, lässt sich genauso an dem anderen großen Problem, dem Erhalt der Biodiversität zeigen. Es wird immer teurer, sie zu
erhalten – doch wir tun viel zu wenig.

 

1) Die Folgeschäden kommen immer näher
Dabei kommen die „Einschläge“ immer näher. Große Schadensereignisse haben unsere direkten Nachbarländer erreicht, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die erste Maxi-Katastrophe in Österreich passiert. In der Schweiz der verheerende Bergsturz am Piz Cengalo 2011; in Deutschland die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021; in Tschechien der Tornado ebenfalls 2021; in Italien der Gletscherabbruch an der Marmolata 2022. Ganz zu schweigen von häufigeren Hitzewellen und Dürren, die unserer Land- und Forstwirtschaft seit Jahren schwer zu schaffen machen. Die Folgen der Klimaerwärmung werden von Jahr zu Jahr schlimmer und treten häufiger auf.


Angesichts dessen ist der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Verknappung und Verteuerung der fossilen Energieträger nur das Tüpfelchen auf das „i“. Wer jetzt noch nicht kapiert hat, was die Stunde schlägt, dem ist nicht zu helfen.


2) Die Zeit drängt!
Genau von einer solchen Situation erzählt uns die heutige Lesung. Die Flutkatastrophe, die Menschen und Tieren bevorsteht, ist darin ein Symbol für die Bosheit und Gewalttätigkeit „aller Wesen aus Fleisch“. Sie ist kein Willkürakt eines launenhaften Gottes, sondern menschengemacht und eine logische Folge eines falschen, zerstörerischen Verhaltens, so der Bibeltext. Doch die dramatische Bedrohung nehmen nur jene wenigen ernst, die sich verantwortungsbewusst verhalten: Noach und seine Familie. Sie distanzieren sich vom Tun der Masse, bauen ein Rettungsboot und nehmen die gesamte Schöpfung mit ins Boot.


Auf unsere heutige Situation übertragen könnten wir sagen: Das Wasser der Umweltzerstörung steht uns Menschen und allen Geschöpfen bis zum Hals. Ein Überleben in einer lebenswerten Umwelt ist nur möglich, wenn wir sehr schnell sehr durchgreifend reagieren. Also raus aus dem unreflektierten Konsumieren, raus aus dem verschwenderischen Lebensstil, der Lebensstandard mit Lebensqualität verwechselt, und rein in die Arche des einfachen, solidarischen Lebens, rein in ein achtsames Zusammenleben mit allen Lebewesen!


Auch das Evangelium geht in eine ähnliche Richtung: Da nimmt Jesus Bezug auf zwei menschengemachte Katastrophen. Eine passierte aus Fahrlässigkeit – der Einsturz des Turmes von Schiloach –, eine aus Brutalität – die Ermordung der Galiläer durch Pilatus. Jesus schiebt die Schuld weder Gott noch den umgekommenen Menschen in die Schuhe, sondern interpretiert beide Ereignisse als dringende Mahnung zur Umkehr an alle: „Ihr werdet alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt!“ (Lk 13,3.5) Zweimal sagt er diesen Satz und betont das „alle“: Unsere Geschicke hängen zusammen – wir sollten nicht meinen, dass wir nach dem Floriani-Prinzip vor Katastrophen geschützt sind, die nur die anderen betreffen. Nein, es wird auch uns treffen – wenn wir nicht umkehren.
Dann erzählt Jesus ein wunderbares Gleichnis. Ein Mann hat in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt, der jedoch keine Früchte trägt. Verständlicherweise will er den Baum umhauen und einen neuen an seiner Stelle pflanzen. Doch der Mitarbeiter, der den Baum jahrelang gepflegt und gehegt hat, bettelt ganz demütig: „Ein Jahr noch!“ (Lk 13,8)
Ob der Besitzer ihm die Bitte gewährt, erzählt Jesus nicht. Es bleibt eine offene Frage. – Auch das können wir auf unsere Situation übertragen: Der göttliche Besitzer des irdischen Gartens erkennt, dass die Spezies homo sapiens keine Früchte bringt, sondern das Klima ungebremst weiter schädigt und die Biodiversität weiter ungehemmt zerstört. Doch einer, der fleischgewordene Gottessohn, bittet um einen kurzen Aufschub. Noch ein Jahr, noch ein Jahrzehnt, um klimaneutral zu werden und die Lebensvielfalt zu respektieren! Ob der Schöpfer der Menschheit diesen Aufschub gewährt? Und
ob wir ihn dann nutzen, um tatsächlich Früchte des Klima- und Biodiversitätsschutzes zu bringen?


3) Erntedank: Geschenke verpflichten!
Liebe Schwestern und Brüder, 


Erntedank ist ein Tag des Dankes und der Freude. Trotz aller Anstrengung und harten Arbeit der Bäuerinnen und Bauern, vor der wir großen Respekt haben müssen, haben wir unverdient ein riesiges Geschenk des Schöpfers  empfangen:

 

Auf unseren Feldern und in unseren Gärten ist so viel gewachsen, dass wir davon leben können. Noch dazu in einer Reichhaltigkeit und Vielfalt, die uns Genuss am Essen und Trinken spüren lässt.
Im Jahr des Ukrainekriegs, in dem viel mehr Menschen hungern müssen als sonst, weil das Getreide aus der Kornkammer Europas nicht exportiert werden kann, wissen wir das umso mehr zu schätzen. Aber jedes Geschenk verpflichtet und mahnt auch zu einem sorgsamen Umgang. Die Landwirtschaft ist in hohem Maße abhängig von einem stabilen
Klima und vom Vorhandensein einer reichen Biodiversität. Beides sind wir gegenwärtig im Begriff zu zerstören. Die Zeit läuft uns davon. Es gilt schnell zu handeln. Wir alle müssen unsere Art zu leben und zu konsumieren erheblich verändern. Und zwar heute. Denn schon morgen kann es zu spät sein. Amen.


Liedvorschlag:
Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde (Alois Albrecht/ Ludger Edelkötter; im Gotteslob nur in wenigen Bistumsanhängen
enthalten): - Text: https://cms.bistum-fulda.de/kirchecorona/01_/Weihnachten/Jetzt-ist-die-Zeit-jetzt-ist-die-
Stunde_Text.pdf
- Video: https://www.youtube.com/watch?v=LiA-tdl2fD4&ab_channel=LudgerEdelk%C3%B6tter-Topic


Gebet zur Segnung der Erntegaben oder auch an einer anderen Stelle des Gottesdienstes:


Gott, unser Vater,
du sorgst für deine Geschöpfe.
Menschen, Tieren und Pflanzen schenkst du Wasser, Nahrung und Lebensraum im Überfluss.
Wir danken dir für die Ernte des Jahres
in ihrer unendlichen Vielfalt und ihrem unerschöpflichen Reichtum.
Nähre und stärke uns mit dem, was auf Wiesen und Feldern, Almen und Bergen
und in Gärten und Weinbergen gewachsen ist.
Lass uns allezeit dankbar sein vor dir, unserem Schöpfer,
und gib uns heute den Mut zur ökologischen Umkehr.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
Gabengebet
Jetzt, Gott, willst du uns begegnen.
Jetzt willst du unser Herz berühren.
Jetzt willst du uns verwandeln wie Brot und Wein.
Rühre uns an, rüttle uns auf, verwandle uns,
damit wir deinem Ruf zur ökologischen Umkehr folgen.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.


Anmerkung: Das Motto des Erntedanksonntags ist übernommen von der OeKU, der ökumenischen Arbeitsstelle Kirchen und Umwelt in der Schweiz. Bei dieser Stelle können unter www.oeku.ch auch weitere Materialien zum Thema und für die Schöpfungszeit vom 1.9. bis zum 4.10. bezogen werden.
Die OeKU schreibt zum diesjährigen Motto: Im Schatten von Wirtschaftskrise, Pandemie und neu dem Krieg gegen die Ukraine spitzen sich die Klima- und die Biodiversitätskrise immer mehr zu. Nur wenn wir selbst von Extremereignissen

 

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