Donnerstag 6. Juni 2024

Redemptoristenkolleg Attnang Puchheim

 

 

Kapelle der Gegenwart

Gestaltung von Hubert Nitsch und Josef Ullmann 2005

 

Die Kapelle befindet sich im Exerzitienhaus der Redemptoristen, im zweiten Stock des Klostergebäudes. Die Mitte des Raumes, der als Ort des Rückzugs, des gemeinsamen Gebetes und für Gottesdienste offen steht, ist leer. An seinen Brennpunkten stehen Altar und Ambo aus Birnenholz einander gegenüber. Sie versinnbildlichen die Gegenwart Christi im Brot und im Wort.

 

Ergänzt man ihre Gestalt und Anordnung, so entsteht der Umriss eines Schiffes. An dieser Form richten sich auch die Sitzmöglichkeiten im Raum aus, die zwischen stabilen, an der Wand umlaufenden Bänken und variablen Stühlen variieren. Die Ausstattung des Raumes, zu der auch ein Tabernakel aus Onyx auf einer Birnenholzstele zählt, ist in ihrer Dimension auf die Augenhöhe eines Menschen ausgerichtet. Der Name wird in dem Schriftzug „Gegenwart“ auf der dem Eingang gegenüberliegenden Wand sichtbar. Symbolisch aus den vielen bestehenden Farbschichten herausgenommen, endet die „Gegenwart“ unmittelbar vor dem Ewigen Licht in einem kreuzförmigen vergoldeten „t“.

 

Redemptoristenkolleg Attnang Puchheim. © Ulrich Kehrer

 

Die Gegenwart ist wohl der faszinierendste Gegenstand menschlicher Erkenntnis: Jeder Versuch, sie zu beschreiben oder zu fassen, gehört bereits der Vergangenheit an. Sie, die nicht messbar und darstellbar ist, gibt der Kapelle im Exerzitienhaus des Redemptoristenklosters Maria Puchheim ihren Namen.


Wie wird Gegenwart in diesem Raum des Exerzitienhauses, in dem Menschen eine Aus-Zeit von ihrer alltäglichen Gegenwart verbringen wollen, greifbar? Was zeichnet diese Kapelle aus?


Der knapp zwei Jahre währende Prozess der Gestaltung der Kapelle wurde vom ehemaligen Rektor des Hauses Dr. Hans Schermann, seinem Nachfolger Pater Josef Kampleitner und Pater Alois Parzmair begleitet. Es sei ein Raum, der einlade zum Stillwerden und In-Sich-Gehen, so Pater Alois Parzmair. Ein Raum, in dessen Zurückgezogenheit das Innerste spürbar werden kann.


Die Kapelle befindet sich im Exerzitienhaus, im zweiten Stock des Klostergebäudes. Hierher kommen Menschen, die eine bestimmte Zeit intensiv mit Gebet und Besinnung verbringen wollen. Das Kloster Maria Puchheim ist das erste Exerzitienhaus für Laiengruppen in Österreich. Die Ordensmänner begannen im Jahr 1852, nachdem sie von Erzherzog Maximilian nach Maria Puchheim berufen wurden, mit der Begleitung von Exerzitien. Die Kapelle ist dafür ein zentraler Ort: als Raum des Rückzugs, des gemeinsamen Gebetes und des Gottesdienstes.


Die aufwendige Restaurierung der barocken Stuckdecke gab den Anlass für eine Neugestaltung; ein Unbehagen mit der bestehenden Kapelle gab es seit Längerem. Während Restaurator Johann Reiter mit der Freilegung der Stuckdecke beschäftigt war, beauftragte die Ordensgemeinschaft Architekt DI Josef Ullmann mit der Neugestaltung. Nach einem intensiven Prozess des Suchens und der Umsetzung, gemeinsam mit MMMag. Hubert Nitsch und den Mitgliedern der Gemeinschaft, wurde der neue Raum im Oktober 2005 erstmals wieder genutzt.


„Wir haben auch von ihnen gelernt“, so Pater Alois Parzmair im Rückblick auf die Gespräche mit dem Künstler und dem Architekten, „das Aufeinander-Eingehen und das Erspüren des Raumes“.


Die Mitte des Raumes ist leer. An seinen Brennpunkten stehen Altar und Ambo einander gegenüber. Ergänzt man die Linien ihrer Gestalt und Anordnung im Geiste, so entsteht der Umriss eines Schiffes. Altar und Ambo aus Birnenholz machten die Gegenwart im Brot und die Gegenwart im Wort sichtbar, so Pater Alois Parzmair zur Gegenwart Gottes im Raum.
Die Sitzmöglichkeiten im Raum variieren zwischen Bänken und Stühlen. Während auf der einen Seite die Stühle die leicht geschwungene Verbindung von Altar und Ambo aufnehmen, stößt die Bank auf der anderen Seite unmittelbar an die Wand. Diesem horizontalen Zug entspricht die Lichtschiene. Sie durchläuft die gesamte Länge der Stuckdecke.

 

Redemptoristenkolleg Attnang Puchheim. © Ulrich Kehrer


So manches in dem Raum erschließt sich erst nach eingehender Betrachtung und Reflektion. Erst beim genauen Hinschauen entdeckt man die tiefere Ebene des Schriftzuges „Gegenwart“ an der Stirnseite des Raumes. Aus den verschiedenen Farbschichten, anhand derer die Geschichte der Raumschale deutlich sichtbar wird, haben Architekt und Künstler eine ausgewählt. Sie steht u.a für die Zeitbezogenheit unserer Wahrnehmung der Gegenwart.


Das vergoldete „T“ des Schriftzuges deutet die Form eines Kreuzes an und erstrahlt durch die Flamme des ewigen Lichtes in hellem Schein. Paravents dämmen das natürliche Licht, das durch die beiden Fenster an der Stirnseite in den Raum fällt. Tabernakel, Marienstatue und die auskragende Sitzbank bilden auf der zur Eingangstür gegenüberliegenden Seite eine eigene Andachtszone. Die einzelnen Bereiche im Raum können durch die Schaltung der Lichtschiene besonders hervorgehoben werden. An den weißen Wänden entdeckt man Kreuze in unterschiedlicher Höhe. Es sind dies Apostelkreuze, die der oberen Malschicht entnommen sind. Sie geben, so der Gedanke der Gestalter, Einblick in eine Wirklichkeit, die nur fragmentarisch erfasst werden kann. Ihre unregelmäßige Anbringung nimmt Bezug auf die Verschiedenheit der Apostel in Charakter und Stellung.


Wie die Apostelkreuze und der Schriftzug „Gegenwart“ eröffnen auch die Stühle beim näheren Betrachten außergewöhnliche Perspektiven. Die Idee, Reste von Paramentstoffen für die Verbindungselemente der Stühle zu verwenden, stammt von Hubert Nitsch. Sie entspricht seiner Vorliebe, bereits weggeworfene Materialien wieder zu verwenden, sie in einen neuen Kontext zu stellen und mit Bedeutung aufzuladen.


Für Nitsch, der neben Kunstgeschichte und Theologie auch Bildende Kunst an der Universität Mozarteum in Salzburg studiert hat, ist es nicht die erste künstlerische Auseinandersetzung mit einem Sakralraum. Bereits vor seiner Zeit als Kunstreferent der Diözese Linz hat er in der Bürgerspitalkirche von Laa an der Thaya sowie im Sacellum in Salzburg temporäre Projekte realisiert.


Nicht auf die Baustelle zu gehen, sondern das Kloster zu besuchen, war für Architekt Ullmann eine besondere Erfahrung in der Zusammenarbeit mit dem Haus: „Das Gefühl, nicht Besucher zu sein, sondern aktiv teilzuhaben, war für mich ein bleibendes – eines in dem die Zeit langsamer läuft.“ Für Pater Alois Parzmair hat sich das Ringen um die Gestalt gelohnt: „Es ist ein Raum entstanden, in dem man sich gerne aufhält und gegenwärtig werden kann.“

 

Wenn auch der Raum gleich bleibt, so ist doch die Gegenwart jedes Mal wieder eine neue, sobald man ihn betritt.

 

Martina Gelsinger, OÖ Kulturbericht

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