Donnerstag 2. Mai 2024

Pfarrblatt zum Thema "Familie"

Unser neues Pfarrblatt zum Thema "Familie" ist erschienen!
Sie finden es in Ihrem Postkasten, in der Kirche und auf unserer Homepage.
Hier ergänzend ein Artikel von Univ.-Prof. Dr. Christian Spieß: "Familie als Verantwortungsbeziehung"

Familie als Verantwortungsbeziehung

Eigentlich bildet die „Heilige Familie“ die heutige Situation der Familie gut ab: Eine nicht ganz reguläre Partnerschaft mit einem nicht-ehelichen Kind, gesellschaftlich unsicher verortet und teilweise sogar auf der Flucht, aber doch funktional, weil man sich einander annimmt, füreinander sorgt und das Leben an ein Kind weitergibt und dieses Kind nährt und schützt.

 

Soziologisch würde man sagen, dass sich in dieser Familie „Filialität“ und „Konjugalität“ verbinden, also die Eltern-Kind-Beziehung und die Paarbeziehung.

 

Um diese beiden Strukturmerkmale dreht sich auch heute in unseren spätmodernen westlichen Gesellschaften noch jene Form des Zusammenlebens, die wir Familie nennen. Allerdings werden die konkreten Formen dieser Strukturmerkmale zunehmend vielfältig, vor allem im Hinblick auf das einst selbstverständlich als eheliche Mann-Frau-Beziehung gefasste Elternpaar, das zunehmend abgelöst wurde von Alleinerziehenden, gleichgeschlechtlichen oder diversen Paaren, mit oder ohne Trauschein oder Partnerschaftseintrag.

 

Manchen genügt gar die Definition: Familie ist, wo Kinder sind. Es könnte aber sein, dass dabei viele familiale Beziehungen zu stark in den Hintergrund geraten (etwa jene der erwachsenen Kinder, die für ihre alten Eltern sorgen) oder gar nicht berücksichtigt werden (etwa Fürsorgebeziehungen zwischen Geschwistern oder Paaren ohne Kinder). Jedenfalls sind Familien stets auf Dauer – das heißt zumindest für einen längeren Zeitraum – stabile und zuverlässige Verantwortungsbeziehungen, und zwar vor allem (wenn auch nicht nur) zwischen Generationen.

 

Betrachtet man die Familie nicht nur deskriptiv (also beschreibend: was ist heute eine Familie), sondern auch normativ (also bewertend: was soll eine Familie sein), lassen sich drei Aspekte unterscheiden.

 

Erstens ist die Familie – im Horizont des in der westlichen Moderne etablierten Familienmodells – eine Sphäre der Wertschätzung und der Liebe. Dass die Familie de facto auch der Ort schwerster zwischenmenschlicher Verletzungen und Traumata ist, bestätigt nur, wie bedeutend diese Sphäre ist und dass Wertschätzung und Liebe nicht einfach „da sind“, sondern Herausforderung und Aufgabe sein können.

 

Familie bildet zweitens in ihrer Funktion als Verantwortungsbeziehung eine wichtige, häufig stabilisierende Dimension des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Aus einer religiösen Perspektive darf man dabei auch an die Funktion der Familie bei der Glaubenspraxis und Glaubensweitergabe denken – um freilich sofort zu sehen, dass auch dies nicht mehr selbstverständlich ist und immer prekärer wird.

 

Und drittens schließlich muss die Familie auf der Ebene des Rechts angemessen geschützt und gefördert werden. Das bedeutet, dass die Familie wohlfahrtspolitisch (Familienförderung, Leistungsausgleich, Lastenausgleich etc.) berücksichtigt und Familienpolitik stets so weiterentwickelt werden muss, dass veränderte Bedürfnisse und Realitäten abgebildet werden, von einer Liberalisierung des Ehe- und Adoptionsrechts bis zu einem deutlich größeren Bedarf an professioneller Kinderbetreuung.

 

Im Zentrum muss dabei die Frage stehen:

Wie werden wir als politisches Gemeinwesen den Menschen gerecht, die bereit sind, füreinander dauerhaft Sorge und Verantwortung zu übernehmen? Welche Menschen das im Einzelnen sind und ob es sich etwa um katholische Musterehen oder um „irreguläre Paare“ handelt, wie das manche nennen, kann dagegen getrost in den Hintergrund treten.

 

Univ.-Prof. Dr. Christian Spieß ist Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Katholischen Privat-Universität Linz

Pfarre Linz-St. Konrad
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Katholische Kirche in Oberösterreich
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