Wo sich im Mariendom ein „Stückchen" Stift Wilhering versteckt...

Wie ein Großteil der mittelalterlichen Klostergründungen verdankt auch Wilhering seine Gründung der Stiftung durch eine reiche Adelsfamilie, genauer gesagt den beiden jungen Rittern Ulrich und Kolo von Wilhering. Nach seiner bewegten, jahrhundertelangen Geschichte – immer wieder konnte das Kloster sein nahendes Ende abwenden, bis in der Nachkriegszeit sein großer Aufschwung einsetzte – wurde das Stift 2021 im Rahmen seines Jubiläums „875 Jahre Stift Wilhering“ umfangreichen Renovierungsarbeiten unterzogen und möchte auch in Zukunft ein Ort des Gebetes, der Bildung, Kultur, Seelsorge und Gastfreundschaft sein.
Was aber hat nun das Stift Wilhering mit dem Linzer Mariendom zu tun? „Natürlich hat der Mariendom als Kathedralkirche des Bischofs und ‚Herz‘ der Diözese eine wichtige Bedeutung“, erklärt Dr. Reinhold Dessl, der 74. Abt von Wilhering. Doch damit nicht genug: Tatsächlich ist eines der prächtigen Domfenster dem Stift Wilhering gewidmet.
Das Wilhering Fenster
Warum das Stift Wilhering auf einem Querschifffenster im Linzer Mariendom abgebildet ist und aus welchen Gründen das Fenster gespendet wurde, ist heute nicht mehr bekannt. „Es gibt keine Unterlagen über die Umstände des Zustandekommens dieses Fensters. Es war wohl eine gewöhnliche Sponsorenanfrage“, meint Dessl. Das tut der Schönheit des Fensters aber keinen Abbruch. Das Wilhering Fenster entstand zwischen 1913 und 1916 und wurde in den Jahren 1922 bzw. 1923 eingesetzt. 2021 wurde es umfangreich restauriert.
„Was mir am Wilheringer Fenster gefällt, ist, dass zentrale Inhalte unserer Spiritualität wie die Verbundenheit mit der Gottesmutter und dem heiligen Bernhard dargestellt werden“, erzählt Dessl. Um die Inhalte des Glasfensters besser verstehen zu können, lohnt sich ein kurzer Einblick in die Geschichte des Zisterzienserinnen- und Zisterzienserordens.
Die Zisterzienser: Ein kurzer geschichtlicher Exkurs
Unzufrieden mit der zeitgenössischen Lebensweise der Benediktinerinnen und Benediktiner gründet Robert von Molesme († 1111) 1098 die Klostergemeinschaft der Zisterzienserinnen und Zisterzienser im Mutterkloster Cîteaux in Burgund, Frankreich. Hiervon leitet sich auch ihr Name ab. Sein Ziel war es, die Klosterregel des heiligen Benedikt wieder strenger zu befolgen. Bis heute dient die benediktinische Regel der Lebensordnung der Mönche im Kloster unter der „Führung des Evangeliums“, wie Dessl diese beschreibt. Sie strukturiert den Tagesablauf der Gemeinschaft in einem ausgewogenen Verhältnis aus Gottesdienst, Arbeit und geistlichem Studium und bestimmt das Miteinander der Brüder. Unter Stephan Harding, dem dritten Abt von Cîteaux (1109 – 1133) und besonders unter Bernhard von Clairvaux (um 1090 – 1153) erfolgte die rasche Ausbreitung des Ordens in Europa.
Was zeigt das Wilhering Fenster?
Zurück zum Linzer Mariendom und den Darstellungen im Wilhering Fenster. Das Hauptbild des Glasfensters zeigt unterschiedliche Szenen aus dem Leben des heiligen Bernhard von Clairvaux. Dabei handelt es sich um Kopien von Ölgemälden Martin Altomontes, die als Originale im Kreuzgang des Stiftes Wilhering hängen. Links ist der heilige Bernhard mit den Passionswerkzeugen Kranz, Lanze und Schwert im Dom zu Speyer abgebildet, wie er nach dem Salve regina die heilige Maria begrüßt. Sie hält das Jesuskind, das ihn segnet. Rechts sieht man den heiligen Bernhard vor dem Kreuz beten, während sich Christus vom Kreuz zu ihm herabneigt.
Das untere Bild zeigt das Stift Wilhering mit der Donau und den sanften Hügeln des Mühlviertels. Darunter links das Wappen des Stiftes und rechts das Wappen von Theobald Grasböck (1846 – 1915). Er war von 1892 bis 1915 – zur Zeit des Dombaus – Abt des Stiftes. Zu Seiten des Stiftes Wilhering sind die beiden Ordensheiligen Robert von Molesme, der Gründer des Zisterzienserordens und erster Abt von Cîteaux sowie Stephan Harding, dritter Abt von Cîteaux dargestellt.
Das Maßwerk zeigt Maria mit dem Jesuskind, darunter die heilige Getrud und Papst Eugen III, beide aus dem Zisterzienserorden.
Abt Reinhold Dessls persönliche Verbindung zum Mariendom
Unabhängig vom Wilhering Fenster hat Abt Reinhold Dessl auch persönliche Erinnerungen an den Mariendom und stattet dem Wahrzeichen gerne einen Besuch ab: „Gerne wohne ich zumindest der Chrisammesse in der Karwoche bei, um so auch die Verbundenheit mit dem Bischof und dem Klerus der Diözese zum Ausdruck zu bringen. Auch meine eigene Diakonatsweihe hat 1986 im Mariendom stattgefunden“, erinnert sich Dessl. „Besonders schätze ich auch den Erinnerungsort an Franz und Franziska Jägerstätter.“ Im Linzer Mariendom wurde dem Widerstandskämpfer in einer Seitenkapelle in Form einer Stele ein würdiges Denkmal gesetzt.
Haben Sie das Wilhering Fenster im Mariendom schon entdeckt?
Erstellt von Sarah-Allegra | 17.07.2023 | Bauwerk