Der Sprung ins kalte Wasser
Eine Improvisation ist gewissermaßen immer ein Sprung ins kalte Wasser, zu ihrer Ausführung gehört viel Mut – und Mut zum Risiko. Über ein gegebenes Thema zu improvisieren, ist sicher der Gipfelpunkt an mutvollem Spiel, da prinzipiell nicht feststeht, welche Art von Thema es werden und in welche Richtung sich die Improvisation bewegen wird. Vor meinem geistigen Auge lasse ich die Gedanken vor und während einer solchen Improvisation über ein gegebenes Thema wieder erstehen ...
Die Spannung wächst, gleich wird die Themenstellung bekannt sein. Was wird es wohl werden? Ein Lied aus dem Gotteslob, ein Thema aus dem 19. Jahrhundert oder eines aus der Moderne? Drei Kuverts liegen bereit. Eines darf ich ziehen ... es wird geöffnet und siehe da, es ist ein Lied aus dem Gotteslob. Sofort kreisen die Gedanken um die formale Anlage der Improvisation, spezielle Formen mit konkreten Klangvorstellungen gehen in Sekundenschnelle durch den Kopf ... wie kann ich die Orgel in ihren schönsten Farben und Kombinationen erklingen lassen? Noch ehe diese Gedanken zu Ende gedacht werden können, finde ich mich am Spieltisch der Orgel wieder. Eine letzte Kontrolle und los geht es ... ja, die ersten Töne und Akkorde entsprechen genau meinen kurz zuvor erdachten Klangvorstellungen ... es baut sich auf, es entwickelt sich ... und da kommt plötzlich ein nicht vorher gedachter musikalischer Gedanke in die Finger – sehr interessant – dieser Gedanke wird aufgegriffen, miteinbezogen, variiert ... hoppla, da mischt sich noch eine neue Idee ein und drängt sich in den Vordergrund ... doch an ein Verweilen ist nicht zu denken, die nächsten Formen müssen angespielt werden. Man muss immer dem Gespielten voraus sein ... fast zehn Minuten dauert meine Improvisation schon ... ihr Ende naht ... wie mache ich den Schluss am besten? Da kommt ein letzter Gedanke ... ich kombiniere die Motive des Liedes miteinander und lasse sie klanglich überlagern ... was für ein mächtiges Tutti am Schluss! Die Spannung lässt nach ... Glücklich über die Improvisation verlasse ich den Spieltisch ... ich hätte bei aller Vorahnung über die Improvisation bei weitem nicht an die vielen zusätzlichen Einfälle und spontanen Bereicherungen gedacht. Der Mut hat sich gelohnt!
Aber hören Sie selbst:
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