„Frauen predigen erfrischend anders“
Seit Jahrhunderten wurde und wird die kirchliche Liturgie vor allem von Männern entwickelt, überliefert und gestaltet. Die Mehrheit der Menschen im Gottesdienst jedoch ist weiblich. Die spirituellen Erfahrungen von Frauen, ihre Lebenswelten und eine ganzheitliche Rede von Gott sollen in Gottesdiensten selbstverständlich Platz haben. Daher beschlossen um die Jahrtausendwende Theologinnen und Seelsorgerinnen in der Diözese Linz, dass es an der Zeit sei, die männliche Sicht um eine weitere Perspektive zu ergänzen: In von Frauen gestalteten Predigtunterlagen und Gestaltungsvorschlägen für Gottesdienste werden besonders der weibliche Zugang zu den Bibeltexten, eine frauengerechte Sprache, ein offenes Gottesbild und der Bezug auf die Lebenswelt der Frauen berücksichtigt. „In Frauenliturgien entdecken und feiern Frauen Gottes Gegenwart in vielfältigen Formen und bringen ihre Beziehung zu ihr:ihm in einer frauengerechten Sprache zum Ausdruck“, so beschrieb Mag.a Maria Eicher, aus deren Feder die allererste Ausgabe stammt, die Motivation für diesen neuen Blick. Mag.a Irmgard Lehner, von 2000-2004 Frauenbeauftragte der Diözese Linz und heute Leiterin des Fachbereichs Seelsorger:innen in Pfarren, unterstreicht die Bedeutung des Projekts: „Es war mir eine Freude, die jeweils neueste Frauenpredigt der verschiedenen Predigerinnen für die Website und den Versand an Abonnent:innen weit über unsere Diözese hinaus fertigzustellen. Die Frohe Botschaft Jesu erschließt sich konkreter und vielfältiger und inspirierender, wenn die Geistkraft auch die Lebenswelten und Blickwinkel von Frauen in Worte fasst.“
Ein reicher Schatz an Spiritualität…
25 Jahre später ist der Fundus auf 212 Frauenpredigten angewachsen. Diese sind online auf der Website der Frauenkommission verfügbar, wo mittels einer Suchfunktion rasch die passenden Inhalte herausgefiltert werden können. Zudem werden die Frauenpredigten über das im deutschsprachigen Raum maßgebliche Predigtforum der Redemptoristen über die Grenzen Oberösterreichs hinaus verbreitet. „Frauen predigen erfrischend anders“, lautet das Resümee von P. Mag. Hans Hütter CSSR aus seiner bald 30-jährigen Redaktionsarbeit des Predigtforums. „Seit Beginn unseres Internetangebotes im Jahre 1996 verfassen auch Theologinnen, Pastoralassistentinnen und Wortgottesfeierleiterinnen Predigtimpulse, Bibelkommentare und freie Texte für Liturgiefeiern und tragen so zum Verkündigungsdienst der Kirche bei. Aus zahlreichen Rückmeldungen weiß ich, dass diese nicht nur für die Gottesdienstvorbereitungen genutzt werden, sondern dass nicht wenige Personen dieses Angebot für ihr persönliches spirituelles Leben nützen.“
…wird online zur Verfügung gestellt
Mag.a Dorothea Schwarzbauer-Haupt, die für ihr langjähriges Engagement für Frauen in der Kirche kürzlich mit der Florianmedaille der Diözese Linz ausgezeichnet wurde, erinnert sich: „Einen Schwerpunkt bekam dieses Angebot, als 2005 der Alternativleseplan Frauenperikopen erschienen ist. Er war der Versuch, als alternative Lesung den Messbesuchenden Bibelstellen näher zu bringen, in denen Frauen eine Rolle spielen. Deshalb wurden ab dieser Zeit Frauenpredigten zu diesen Bibelstellen erarbeitet, sodass es jetzt zu fast allen vorgeschlagenen Texten Unterlagen gibt.“ Mag.a Magdalena Welsch, Frauenbeauftragte und Referentin für Gleichstellung der Diözese Linz, hat den Alternativleseplan zusammen mit weiteren Behelfen und Materialien zum kostenlosen Download auf der Website der Frauenkommission bereitgestellt: „Ich bekomme regelmäßig Anfragen dazu aus dem gesamten deutschen Sprachraum – und zwar sowohl von Frauen als auch von Männern. Daran sieht man, dass es ein Bedürfnis nach einem breiteren Blick auf unsere heiligen Texte gibt.“
Von Frauen, aber nicht nur für Frauen geschrieben
„Dass Frauen im Gemeindegottesdienst predigen, ist längst noch nicht selbstverständlich“, ruft Dr.in Maria Prieler-Woldan in Erinnerung, die über die Jahre 29 Predigten beigesteuert hat. „,Spricht Gott nicht auch durch uns?‘, war mein Predigtthema im Jahr 2015 (Frauenpredigt 138/15). Der 3. Fastensonntag fiel in diesem Jahr auf den 8. März, den Internationalen Frauentag. Ein uralter Text (Num 12,1-15) hat mich inspiriert: Er erzählt vom Ausschluss einer Frau, die nach einer kritischen Anfrage das Gesicht verliert. Sie wird erst einmal furchtbar bestraft, aber das Gottesvolk weigert sich, ohne sie weiterzuziehen. Klingt da vielleicht auch für heute noch etwas an?“ Unterstützt werden insbesondere angehende Predigtschreiberinnen vom Fachbereich Liturgie der Diözese Linz: „Die Frauenpredigten sind theologisch und bibelwissenschaftlich fundiert und zugleich lebensnah, mit vielen Bezügen auf das Leben in der heutigen Zeit und auf die aktuelle gesellschaftliche Situation. Sie sind von Frauen, aber nicht nur für Frauen geschrieben. Gerne empfehlen wir vom Fachbereich Liturgie die Frauenpredigten als Anregungen fürs Predigen und haben auch schon viele Frauenpredigten auf unsere Liturgiebörse gestellt“, so der Fachbereichsleiter Dr. Michael Zugmann.
Ein Projekt mit Vergangenheit auf dem Weg in die Zukunft
Dies soll auch als Einladung an Frauen gelten, ihre Gottesdienstgestaltungen und Predigten zur Verfügung zu stellen, denn viele langjährige Mitglieder sind mittlerweile im Pensionsalter. Diesem Wunsch schließt sich auch die Vorsitzende des Pastoralrates der Diözese Linz, Mag.a Brigitte Gruber-Aichberger, an: „Es ist dem Faktum Rechnung zu tragen, dass der Großteil der Gottesdienstteilnehmer:innen Frauen sind. Es geht mir nicht darum: ‚Wir Frauen sollen auch dürfen.‘ Es geht um die Verlebendigung des Glaubens von Frauen und aus Frauenperspektive für Frauen und Männer. Es geht um Qualität der Verkündigung, die beim Wahrnehmen der Lebensrealität der Zuhörenden beginnt, damit diese – Frauen und Männer in gleicher Weise – sich angesprochen und gemeint wissen, offen werden und die Botschaft als Ermutigung und Anstoß für den Alltag annehmen zu können.“ Univ.-Prof.in i.R. Dr.in Birgit Feldbauer-Durstmüller fasst zusammen: „Als aktuelle Vorsitzende der Frauenkommission bedanke ich mich herzlich für das langjährige und wertvolle Engagement der vielen Frauen für die Unterstützung des Predigtdienstes. Wir wollen gezielt jüngere Frauen ansprechen, um unser Projekt ‚Frauenpredigten‘ auch für die Zukunft gut abzusichern.“
Weitere Berichte zu den Frauenpredigten finden Sie hier.