Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
Den aufmerksamen Zuhörern unter euch ist es sicher aufgefallen, dass wir mit dem heutigen Evangelium in die Irre geführt werden in Bezug zu dem, was wir heute feiern. Nämlich nicht das Empfangen werden, das an Maria geschieht, nachdem sie ihr JA, ihre Bereitschaft gesagt hat, das auch zu wollen und mitzuarbeiten an dem, was Gott mit ihr vorhat, sondern wir feiern ihre eigene Empfängnis eine Generation vorher in ihrer Mutter Anna. Ihre Bedeutung findet man an manchen Marienaltären, wo ihr ihre Eltern bildhaft als Statuen zur Seite stehen. Es geht aber in beiden Fällen um dasselbe Geschehen, das wir mit dem Wort empfangen verbinden, noch intimer mit dem Wort Empfängnis, dem Beginn neuen Lebens. Wie viele Kinder auf der Welt werden wohl in Liebe empfangen? Wenn wir in den Generationen zurückgehen bis zum Anfang, waren es wahrscheinlich eher weniger. Die Zahl der Frauen, die ungewollt schwanger werden, ist heute sogar noch größer als jene, die sich bewusst für ein Kind entscheiden können. Da die Ressourcen, die buchstäblichen Lebensmittel nicht für alle reichen, wie früher in Europa wie heute in Afrika und anderen armen Ländern, folgt damit eine höhere Kindersterblichkeit. Kinder aus sozial schwächeren Gesellschaftsschichten haben dort und auch bei uns noch immer weniger Möglichkeiten zu Bildung. Dagegen steht aber das Leid jener Eltern, deren Kind vor, bei oder nach der Geburt gestorben ist, Sternenkinder nennen wir sie. Erst kürzlich war der Gedenktag für sie.
Empfangen werden also, wenn man dann auf die Welt kommt, das heißt auch, von einer ganzen Fülle von unterschiedlichen Umständen und Gegebenheiten, die wir uns nicht selber ausgesucht haben. Hier sehen wir, wieviel davon abhängt, in welche Atmosphäre wir hineingeboren oder auch hineingeworfen werden. Wie sehr es darauf ankommt, willkommen zu sein. Freilich tragen wir die Gene unserer Eltern und Großeltern in uns, erben sie gleichsam, wie Anlagen zu einer Krankheit oder auch zu einem positiven Lebensgefühl. Wir nehmen die Verwundungen, die sie erlitten haben, mit in unser Leben hinein, aber auch ihre Stärken. Wir können lange an manchem davon leiden und es braucht viel innere Arbeit, um daraus einen eigenen Weg zu finden. Nicht alles ist Schicksal, an dem wir nichts verändern könnten. Aber wir können auch nicht alles machen. Wie man auch ein Kind nicht macht. Wie sehr leiden Eltern daran, die sich ein Kind so sehr und von Herzen wünschen und es gelingt nicht.
Empfangen, offene Hände, ist eine innere Haltung, die uns sagt, wie sehr wir Beschenkte sind, grundsätzlich und alltäglich. Und wie sehr wir willkommen sind. Und das einander zu zeigen, du bist willkommen, es ist gut, dass du da bist. Darin können wir nur wachsen, wie wir miteinander umgehen, gerade mit jenen, mit denen wir uns schwertun. Da machen uns oft gerade jene Eltern staunen, die ein Kind mit einem Handicap so liebevoll begleiten, dass es uns nur staunen macht.
Empfangen werden, das ist wohl das schönste Geschenk, das ein Mensch erfahren darf und die größte Gabe, die wir geben können. Da werden wir Gott ähnlich. Und dabei hilft uns nichts anderes, wenn wir täglich uns in einen Moment der Stille aufgehen lassen, wie sehr wir selbst Beschenkte sind. Gerade dann, wenn uns Ärger oder Leid quälen. Amen.