Keine Angst vorm F-Wort!
Am Freitag, 24.10.1975, machten 90 Prozent der isländischen Frauen einen Tag frei: Sie erledigten keine Hausarbeit, keine Erwerbsarbeit, keine Erziehungsarbeit, keine Sorgearbeit. Die Botschaft war klar: Es braucht mehr Gleichberechtigung in allen Lebens- und Arbeitsbereichen! In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurde Island durch kluge Gesetzgebung zum weltweiten Spitzenreiter der Geschlechtergerechtigkeit. Auf den Tag genau 50 Jahre später wurde im vollbesetzten Veranstaltungssaal der Stadtpfarrkirche Wels der Dokumentationsfilm „Ein Tag ohne Frauen“ über die geschichtsträchtige Aktion der Isländerinnen gezeigt. Dazu luden die Frauenkommission der Diözese Linz, die Katholische Frauenbewegung, die Katholische Arbeitnehmer:innen-Bewegung, die Caritas, das Bündnis 8. März, der Treffpunkt mensch & arbeit Wels und das kirchliche Jugendzentrum „Kernzone Wels“ ein.
Feminismus & Kooperation
Nach dem Film führte Christine Haiden mit Vertreterinnen verschiedener Organisationen und Generationen ein Podiumsgespräch: Margit Hauft, langjährige kfb-Vorsitzende und Mitbegründerin der Frauenkommission der Diözese Linz, war 1975 eine junge Mutter: „Von der Aktion in Island wurde damals in den Medien nicht berichtet, davon habe ich erst viele Jahre später erfahren. Vermutlich wollten die Verantwortungsträger nicht, dass wir auf dumme Gedanken kommen.“ Dabei sei der einzige Weg, der zu gemeinsamen Lösungen führe, voneinander zu wissen: „Wenn man von vornherein Menschen oder Gruppen für die Zusammenarbeit ausschließt, weil sie eine andere Religion, ein anderes Geschlecht oder eine andere Meinung haben, wird man nicht viel bewegen in der Welt.“
Feminismus & Gerechtigkeit
Didem Wenger ist angehende Rechtsanwältin und erlebte die Kraft des gemeinsamen Engagements dieses Jahr: Sie organisierte die Initiative zur Errichtung einer Gewaltambulanz in Oberösterreich und koordinierte sich dafür mit über 30 Gruppierungen und zahlreichen Einzelpersonen. „Ich war hochschwanger und hatte diesen starken Wunsch in mir, dass mein Kind nicht in eine Welt geboren wird, in der Gewaltverbrechen oft mangels Beweisen eingestellt werden.“ Die Initiative war ein Erfolg: Im Mai 2025 gab die zuständige Landesrätin Christine Haberlander den Auftrag zur Errichtung einer Gewaltambulanz. „Nach einer Gewalterfahrung werden die Betroffenen dort von speziell geschultem Personal betreut“, erläutert Didem Wenger. „Beweise werden gesichert und aufbewahrt, sodass man sich auch erst später zu einer Anzeige entscheiden kann, wenn man z.B. die Beziehung zum Täter beenden konnte.“
Feminismus & Weltverbesserung
Candice Octave, Mitglied der Inklusiven Redaktion der Caritas OÖ, musste ihre Teilnahme am Podiumsgespräch krankheitsbedingt leider absagen. Eine Redaktionskollegin verlas ein Statement von ihr, in dem sie auf die Bedeutung von Intersektionalität hinwies: Candice Octave steht als blinde Frau vor Mehrfachdiskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt, im Gesundheitswesen und in vielen anderen Lebensbereichen. An ihrer Stelle nahm Daniela Ropero-Hummer auf dem Podium Platz: Die 14-jährige Schülerin der Anton Bruckner International School in Linz erntete Applaus für ihre Spontanität und Souveränität. Sie schilderte das Spannungsfeld, in dem junge Frauen sich heute befinden: Einerseits wirkten viele hart erkämpfte Errungenschaften früherer Generationen für sie selbstverständlich, andererseits sei der Druck durch Social Media omnipräsent: „Wenn wir verstehen, dass uns das nicht weiterbringt, können wir gemeinsam daran arbeiten, unsere Welt weiter zu verbessern.“
Feminismus & Sprache
Lejla Mulahmetović, ÖGB-Frauenvorsitzende in Wels, wies auf die Bruchlinien zwischen Gleichberechtigung auf dem Papier und tatsächlicher Gleichstellung im Alltag hin: „Wenn sich die Lohnschere in Österreich weiter so langsam schließt, wird es noch Jahrhunderte dauern, bis Frauen und Männer für dieselbe Arbeit denselben Lohn erhalten“, rief sie in Erinnerung. Sie unterstrich zudem den Wert von Sprache: „Wir müssen die Dinge benennen, wie sie sind! Wenn es um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz geht, dürfen wir nicht bloß von einer ‚unangenehmen Situation‘ sprechen, das verschleiert das Geschehene und schützt die Täter, nicht die Opfer.“
Feminismus & Diskussion
Christine Haiden band auch das Publikum in die Diskussion mit ein: Eine alleinerziehende Mutter berichtete vom mühsamen Weg, sich von den abwertenden Prägungen zu befreien, man sei als Mädchen oder Frau weniger wert. Ein 80-jähriger Mann schilderte den Druck, als Alleinverdiener für das wirtschaftliche Wohlergehen der Familie verantwortlich zu sein: „Es ist viel sicherer, wenn man sich das ebenso aufteilt wie die Arbeit daheim.“ Eine Frau sprach die ungleichen Normalitäten für Burschen und Mädchen an: „Mein Sohn spielt Fußball und erlebt bei den Spielen, wie er angefeuert und gefeiert wird. Mädchen spielen nicht im Verein und werden in ihren Hobbies nicht beklatscht und bejubelt.“ Ein Mann bat daraufhin darum: „Erzählt uns mehr von euren Lebensrealitäten! Da haben wir noch Nachholbedarf.“ Auch Margit Hauft wies auf Einseitigkeit und Wissenslücken hin: „Im Fernsehen und im Kino sieht man Frauen entweder als Opfer oder als toughe Powerfrauen. Frauenleben sind so bunt und vielfältig – davon sollten wir mehr zu sehen bekommen!“ Und Christine Haiden warnte vor irreführenden Bildern in den Medien: „Sogenannte Tradwives inszenieren finanzielle Abhängigkeit als Idylle, das ist ein gefährlicher Backlash.“ Nicht zu vergessen: Frauen, die sich auf Social Media als vermeintlich ideale Hausfrau ohne Job inszenieren, verdienen damit über Werbeeinnahmen Geld – sie sind also Unternehmerinnen.
Feminismus & Solidarität
Die Veranstaltung war eingebettet in ein Projekt von „72 h ohne Kompromiss“, der größten Jugendsozialaktion Österreichs. Von Mittwoch bis Freitag arbeiteten Elena Gratzer vom kirchlichen Jugendzentrum „Kernzone Wels“ und ihre Kolleg:innen mit neun Schülerinnen in Workshops zum Thema „Feminismus gestern – heute – morgen“. Daraus entstanden bunte und kritische feministische Kunstwerke, die für freiwillige Spenden zum Verkauf standen. Auch das von den Jugendlichen vorbereitete Buffet fand regen Absatz. Der Reinerlös in Höhe von € 866 geht an zwei Welser Initiativen, die zu einem sicheren Leben für alle beitragen: Der Verein „RheA Wels – Regionale Hilfe für Alleinerziehende“ unterstützt Ein-Eltern Familien, von denen in Österreich jede dritte armutsgefährdet ist. Das Gewaltpräventionsprojekt „StoP Wels – Stadtteile ohne Partnergewalt“ unterstützt Menschen, die durch Gewalt in den eigenen vier Wänden bedroht sind – laut Kriminalstatistiken der gefährlichste Ort für Frauen. Für ihre Arbeit sind die Initiativen auf Spenden angewiesen: Dank Spenden kann „RheA Wels“ z.B. einen Alleinerziehenden-Treff anbieten (jeden ersten Montag im Monat, 16:00-18:00 Uhr, im FreiRaumWels, Dragonerstraße 22) und „StoP Wels“ 14-tägig Frauentische im Alten- und Pflegeheim, Flurgasse 40.