Urlaubslektüre - komisch - anschlussfähig
In Vorbereitung auf den Männertag 2015 der Katholischen Männerbewegung in St. Virgil im März war ich dabei „Der Stimme des Herzens (zu) folgen" und gleichnamiges Buch des Referenten des Männertags Pierre Stutz (ISBN 978-3-451-06720-4) zu lesen, als eine überraschende aber ebenso dringliche Rücken-OP mich auf eine sechs wöchige Reha schickte.
In der Beweglichkeit zunächst massiv eingeschränkt, überlegte ich, „Vom wilden Mann – zum weisen Mann" (Richard Rohr, ISBN 978-3-532-62334-3) zu werden, was nach Auskunft meiner Familie nicht gelang! Dennoch habe ich bei Richard Rohr viele wichtige Hinweise gefunden, warum Vater-Kind-Aktivitäten nicht einfach ein netter Zeitvertreib sind, sondern eine zutiefst gesellschaftlich prägende Herausforderung darstellen.
Auch das Buch von Anselm Grün ‚Vom Burnout zum Flow' ISBN 978-3-451-06722-8) ist mir wieder in die Hände gefallen. Eine schöne Abfolge persönlicher Reflexion bieten die „vier Schritte, um mit Druck gut umzugehen" (S.26) Schon der erste Schritt „mit sich selbst in Berührung kommen" ist nicht jedem geläufig. Der zweite Schritt ist die ernsthafte Frage, was brauche ich wirklich, um eine neue Aufgabe anzugehen bzw. eine neue Herausforderung anzunehmen. Weiters fragt Anselm Grün: „Aus welcher Quelle schöpfe ich?", um schließlich zu schauen, was mir zu viel ist, was ich abschneide, um kräftige freie Zeit oder besser „heilige Zeit", wie er es nennt, zu gewinnen. Übrigens lassen sich aus diesen vier Schritten schöne Module für Supervisionen und Weiterbildungen entfalten.
Als Diözesanreferent der Katholischen Männerbewegung in der Erzdiözese Salzburg habe ich natürlich ordnungsgemäß die Salzburger Theologische Zeitschrift (ISSN 1029-1792) gelesen. Aber ich habe mich auch sehr authentisch und aufrichtig über den ansprechenden Diskurs über komparative Theologie zwischen Francis X. Clooney SJ (Harvard) und Ulrich Winkler (Salzburg) gefreut, der darauf hinweist, dass „reifer Glaube, nach den Stärken der anderen sucht."
Dass ich während meiner Reha auch noch ein wenig zum Thema ‚Supervision' gelesen habe, lässt mich nur den roten Faden verlieren. Trotzdem sei auf die Überschrift ‚Irritation' der deutschsprachigen Zeitschrift ,Supervision' (ISSN 1431-7168) hingewiesen, die Irritationen eben als Salz in der Suppe und als Schlüssel für so manches Verstehen anbietet.
Irritationen könnte auch mein persönliches Highlight meiner Rehalektüre auslösen. Ottmar Fuchs, Praktischer Theologe in Tübingen, nennt sein Buch „Der zerrissene Gott" (ISBN 978-3-7867-2992-1), das er eigentlich zunächst für sich selbst schreibt, um wieder neu von Gott in der Welt von heute reden zu können. Er weist auf die tiefe, aber oft verkannte religiöse Erfahrung eines William Blake hin, der im achtzehnten Jahrhundert auf den „Un-Sinn des Unmöglichen einer Liebe (hinwies), die nie und bei niemandem aufhört". (S.105). Ottmar Fuchs nimmt seinen Gott unter anderem wegen dieser Liebe beim Wort und spricht ihm seine Allmächtigkeit trotz aller Not und allen Leids in der Welt nicht ab. Aber er fordert, dass es „immensen Klärungsbedarf , vor allem angesichts des erlittenen Leides oder Unrechts (gibt). – Was wird der so angefragte Gott auf die Klagen der Menschen antworten? Wie wird er diese Welt und sich ‚rechtfertigen'? Jedenfalls kann er uns nicht mit einer Sinnantwort kommen, dass alles einen notwendigen Sinn gehabt habe. Was soll das nur für ein Sinn sein, dem so viel an Leid zu opfern war? Was soll das für eine Notwendigkeit sein, die die Not nicht gewendet hat. Nein, mit einer solchen Sinnantwort, mit der er selbst ‚aus dem Schneider' wäre und auch relativ unbeteiligt sein könnte ..., kann Gott bei den leidenden Menschen keine Glaubwürdigkeit erringen. Im Gericht wird Gott gewissermaßen um das Vertrauen aller Menschen kämpfen müssen." (S.189)
Die Klage gegen Gott ist schon im Alten (bzw. Ersten) Testament verbrieft. Gut möglich, dass diese Tradition lange Zeit unterdrückt war und deshalb freue ich mich im Urlaub schon auf die Lektüre des Mainzer Kirchenhistorikers Hubert Wolf, der mich in die ‚Krypta' führen will, in der er „Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte" (ISBN 978-3—406-67547-8) beschreibt.
Sollte ich im Urlaub aus der literarischen ‚Krypta' wieder auftauchen, habe ich mir fest vorgenommen „Das Leben in Form zu bringen" (ISBN 978-3-451-34035-2). An einem der jüngeren Werke von Hans-Joachim Höhn (Systematische Theologie, Köln) interessiert mich, wie ein ‚wilder' Theologe „Konturen einer neuen Tugendethik" beschreibt und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich aus dem Buch vielfältige Impulse für das Thema ‚Männer und Arbeitswelt' und deren daraus resultierenden ethischen Spannungsfeldern gewinnen kann.
Und wenn dann noch Zeit bleibt, werde ich das Buch von Richard Rohr „Weitergehen" (ISBN 978-3-451-32747-6) wieder zur Hand nehmen und mir ggf. auch als verbleibende Lektüre an den Arbeitsplatz legen, aus der ich jeden Morgen einen kurzen spirituellen Impuls für mich herausnehme. Soll ja in der Regel der Arbeit nicht schaden.
Ich meine, einige schon sagen zu hören, seit der Reha ist er irgendwie komisch. Richtig ist: weil er Theologie liest, ist er komisch, hoffentlich jedoch noch anschlussfähig. So gesehen kann diese kleine Story einer Literaturempfehlung vielleicht hilfreich sein, wenn jemand komisch-anschlussfähig sein möchte. Ich wünsche allen Lesern eine anschlussfähige Ferienzeit mit Menschen, die sie gerne in Ihrer Nähe haben.
Andreas Oshowski. Der Autor ist KMB-Diözesanreferent Salzburg und Supervisor (ÖVS)