Männer, Arbeit und sonst?
Y: Sie forschen gerade über das Switchen, dazu gibt es auch den Link „switchen-ist legitim.ch". Wann switchen Männer?
Stiehler: Männer switchen in der Arbeit zum Privaten, zur Sorgearbeit. Wir haben eigentlich angenommen, sie switchen, wenn sie jetzt zB zum Fahrstuhl gehen, aber sie tun das gerade bei Denkarbeit, am Computer und bei der Werkzeuganwendung. Wenn man sich vorstellt, man sitzt vor dem Computer, vor der Werkbank – dann fällt einem ein, ich muss ja noch das organisieren oder ich muss da noch einmal nachfragen. Uns geht's darum, das öffentlich zu machen und aus der persönlichen Verdeckung herauszunehmen, damit es keiner merkt, dass man was fürs Private gemacht hat. Das macht ja Stress. Das Switchen wird als wesentlicher Teil genommen, damit die Männer ihre Vereinbarkeit unter einen Hut bringen können.
Y: Man soll also dazu stehen.
Stiehler: Es ist das erste Mal, dass man überhaupt versucht, so etwas zu thematisieren und öffentlich zu machen. Wir wollen in der zweiten und dritten Phase auch mit mittelständigen Unternehmen arbeiten und das auch von ihnen kommentieren lassen.
Wir sehen das switchen als Ergänzung zur Teilzeitarbeit. Es reicht nicht aus zu sagen, arbeiten wir 20 % weniger. Das ist für viele auch gar nicht möglich. Zudem ist damit Arbeit und Sorgearbeit wieder miteinander verbunden. Das ist der Teil, der neu ist und den wir versuchen aufzuzeigen. Wir müssen diese Entgrenzung zwischen Privat und Erwerbsarbeit wahrnehmen und ernst nehmen.
Y: Sie stellen heraus, dass für den ganzen Mann eine Dimension fehlt. Über die Arbeit und die Familie hinaus gibt es einen dritten Bereich, den Sie einfordern.
Stiehler: Ich finde es schon schwierig, dass man vom ganzen Mann sprechen muss, um überhaupt darauf hinzuweisen, dass es noch etwas anderes gibt außer Arbeit und Familie. Ich habe noch nie den Begriff der ganzen Frau gehört. Der Mann ist nicht nur Arbeit oder Familie, er hat noch etwas Eigenes. Man(n) hat drei Bereiche: Erwerbsarbeit, Familienarbeit und eigene Zeitgestaltung. Die Vereinbarkeitspolitikund -programmatik blendet die Eigenzeit im Grunde.
Y: Eigenzeit ist ein schöner Begriff.
Stiehler: Wobei uns der Begriff Sorgearbeit geeigneter erscheint. Er beinhaltet die Sorgerbeit für andere Menschen wie auch die Selbstsorge und bildet ein größeres Gegengewicht zur Erwerbsarbeit. Wir müssen schon in der Jugendarbeit den Sorgebegriff aufgreifen und wegkommen von dieser 120 %igen Berufsidentifikation. Das nützt den Jungs nicht, wenn sie in der Krise sind, weil die meisten Krisen sind arbeitsbezogen.
Ich würde meinen, dass viele Väter die Familienarbeit genauso betreiben wie ihre Berufsidentifikation. Diese nützt den Jungs nichts, wenn sie in der Krise sind, weil die meisten Krisen sind arbeitsbezogen. Ich würde meinen, dass viele Väter die Familienarbeit genau so betreiben wie ihre Berufsarbeit - leistungsbereit und mit der Kontrolle über alles. Das genau unterscheidet ihre Familienarbeit von der Familienarbeit der Frauen. Das macht sie auch anfällig für Burnout, weil sie immer am Rande sind und das eigentlich nicht mehr schaffen können.
Y: Sie haben in Ihrem Vortrag auch auf die zunehmende Anzahl von einsamen alten Männern hingewiesen.
Stiehler: Das kann man beobachten, auch bei Sozialhilfestatistiken. Es gibt zunehmend einzelne einsame Männer, die nicht mehr erreichbar sind. Die sind total isoliert. Da kommt tatsächlich eine Gruppe auf uns zu, die uns in den nächsten Jahren noch beschäftigen wird. Diese Männer kannten oft nur ihren Beruf und haben die externe Bezeihungspflege ihren Frauen überlassen. Wenn sie dann pensioniert sind und ihre Frauen, was zunehmend zu beobachten ist, eigene Wege gehen, sind sie sozial total isoliert.
Y: Danke für das Interview!
Das Interview führte Mag. Eberhard Siegl, Männerberater in Salzburg