Jesus lebt!
Man kann Jesus in die Reihe der Religionsstifter stellen und als Gestalt der Vergangenheit betrachten, die eine beachtliche Wirkungsgeschichte freigesetzt hat. Eine solche Sichtweise ist nicht falsch, aber sie geht am Selbstverständnis gläubiger Christinnen und Christen vorbei. Für sie ist Jesus, der Gekreuzigte, keine tote Figur, sondern der Auferstandene, der sich gezeigt hat und auch heute nahekommt. „Jesus ist auferstanden, er lebt!“, lautet das österliche Bekenntnis. Dadurch hat Gott, der Schöpfer, gezeigt, dass er auch der Vollender des Lebens ist und Leid und Tod überwinden kann.
Die Auferweckung des Gekreuzigten ist kein Mirakel: Es geht nicht um die Wiederbelebung eines Leichnams, dem eine Fristverlängerung gewährt wird, bevor er dann endgültig sterben muss. Auferstehung bedeutet den Übergang in ein Leben, das keinen Tod mehr kennt.
Trauer und Resignation weichen der Freude
Das Neue Testament bringt die Erfahrung, dass Jesus lebt, in vielfältigen Bekenntnissen und Erzählungen zum Ausdruck. Neben der Geschichte von der Bekehrung des Paulus vor Damaskus (vgl. Apg 9), gehört die Geschichte von den Emmaus-Jüngern zu den eindrücklichsten (vgl. Lk 24,13-35). Die beiden Jünger sind unterwegs, ihre Augen sind gehalten vor Traurigkeit. Da tritt ein Unbekannter hinzu und tadelt ihre Unfähigkeit, an das zu glauben, was die Propheten vorausgesagt haben und deutet das Leiden im Licht der Schriften. Er verfügt über eine Kompetenz, das Unfassbare doch verstehbar zu machen. In dem Augenblick, wo sie ihn am Zeichen des Brotbrechens erkennen, entschwindet er auch. Sie können ihn nicht halten. Er ist da und doch entzogen.
„Brannte uns nicht das Herz, als er auf dem Weg mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“ Sie können nicht für sich behalten, was sie erlebt haben, und brechen sofort auf, um den Elf zu berichten, dass Jesus lebt. Trauer und Resignation weichen der Freude, die weitergegeben werden will. Die Freude über das Leben der Gekreuzigten ist der Nukleus, ohne den die Ausbreitung des Christentums nicht zu verstehen ist. Auch heute gibt es die verborgene Präsenz Jesu in seinem Wort, in den Zeichen von Brot und Wein, aber auch in Begegnungen mit Menschen, die das Herz aufgehen lassen.
Univ.Prof. Jan-Heiner Tück
Der Autor ist Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der
Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.