Beten Männer und Frauen anders?
Das Chorgebet von Ordensfrauen und Ordensmännern ist dasselbe. Dennoch gibt es das Wort „Frauen und Männer glauben anders“.
Notker Wolf: Wir haben denselben Glauben, aber wir drücken ihn anders aus. Vielleicht haben Frauen eine größere Nähe zur Mystik, zu einer Glaubenserfahrung mit dem Herzen und mit dem Körper. Im Neuen Testament ist die Rolle der Frau eine andere als jene der Männer. Frauen haben eine viel größere menschliche Nähe zu Jesus und sie lassen sich auch nach der Kreuzigung nicht beirren. Die Männer sind abgehaut.
Die Unterschiede liegen im Wesen der Geschlechter?
Notker Wolf: Die Natur hat uns unterschiedlich geschaffen. Schauen wir, dass etwas Gutes dabei herauskommt. Frauen stellen Blümchen auf den Tisch, für Männer genügt es, dass es da etwas gibt, wo man den Bierkrug draufstellen kann. Die Unterschiede sind eigentlich sehr schön, sie machen das Leben bunt: Frauen und Männer können sehr nah beisammen und zärtlich zueinander sein. Wir Männer fordern einander sehr, lassen dann aber auch wieder mal fünf gerade sein. „Kameradschaft“ wäre ein Schlagwort dafür.
Wie könnte eine speziell männliche Lebensform des christlichen Glaubens aussehen?
Notker Wolf: Männer sind im Schnitt aktiver, sie sind lauter. Sie singen, dass die Wände wackeln, und sie treten mehr nach außen auf. Petrus hat dem Malchus ein Ohr mit dem Schwert abgeschlagen. Das wäre einer Frau nie eingefallen. Dafür salbt eine Frau Jesu Füße mit kostbarem Öl. Das Mann-Sein Jesu ist jedenfalls ein Vorbild: Er war kein Macho. Er war einer, der mit den Frauen respektvoll umgegangen ist, er hat die Sünderin aus ihrer Bedrängnis herausgeführt.
Welche Impulse können Ordensgemeinschaften den Männern bieten?
Notker Wolf: Ich freue mich, wenn Männer zu uns zu Gast kommen. Sie können sehen, dass wir auch g’standene Mannsbilder sind und dass wir etwas arbeiten. Und ich will ihnen unsere Quellen zeigen, aus denen wir schöpfen. Die Erfahrung soll sein, dass wir in unterschiedlichen Lebensumfeldern miteinander unterwegs sind.
Interview: Markus Himmelbauer
Notker Wolf (72). Der gebürtige Bayer trat 1961 in das Benediktinerkloster Sankt Ottilien (München) ein. Seit 2000 ist er als Abtprimas erster Repräsentant der Benediktiner weltweit.