
Männer und ihr JOB
Sie sind witzig, nicht ganz ernst gemeint – und man findet sich möglicherweise sogar selbst in ihnen wieder: In den sozialen Medien kursieren unzählige Videos, die die Motivation im Job quer durch die verschiedenen Generationen thematisieren. Da startet zum Beispiel der ältere Arbeitnehmer morgens motiviert in den Arbeitstag und kommt erst abends wieder heim, während die Jungen sich in der Früh ins Büro plagen und ihre Arbeit zeitig beenden. Die Botschaft: Die Alten sind übereifrig, die Jugend arbeitet nur Teilzeit und hat vor allem ihre Freizeit im Kopf.
Dass solche Spaßvideos verallgemeinern und der Realität nicht ganz entsprechen, liegt in ihrer Natur. Kürzlich untermauerte das auch eine wirtschaftssoziologische Untersuchung der Universität Wien: In Wahrheit unterscheiden sich Alt und Jung, was ihr Arbeitsethos betrifft, nämlich gar nicht so sehr. Die Jungen nehmen Erwerbsarbeit ebenfalls sehr ernst. Was sie aber anders machen: Sie trauen sich eher, am Arbeitsplatz ihre Vorstellungen klar zu kommunizieren und sagen etwa, wenn sie nicht zu Überstunden bereit sind oder lieber von zu Hause aus arbeiten möchten – anders als die Generationen davor.
Starke Identifikation
Aber nicht allein das Alter hat Einfluss auf die Perspektive, mit der Menschen auf Erwerbsarbeit blicken. Eine wesentliche Rolle spielt auch das Geschlecht. Männern sagt man ein ausgesprochen enges Verhältnis zu ihrem Job nach. „Für viele Männer ist ihre Arbeit tatsächlich massiv identitätsstiftend“, bestätigt Martin Hochegger, Leiter des Männernotrufs Graz und Vorstand der Katholischen Arbeiterbewegung in der Steiermark. „Sie definieren sich tendenziell stärker als Frauen über ihre Arbeit und ziehen verstärkt ihren Selbstwert daraus.“ Bröckelt dieser Identitätspfeiler oder fällt er durch Arbeitslosigkeit oder mit Pensionsantritt weg, kann das Männer in eine tiefe Krise stürzen.
Genauso nagen Unzufriedenheit im Job und das Gefühl, nicht ausreichend gefordert zu sein, am männlichen Selbstwertgefühl. Oder mangelnde Wertschätzung: „Wer sich mit seinen Ideen und Vorstellungen am Arbeitsplatz gar nicht einbringen kann, wird sich im Job nicht wohlfühlen. Ein gewisses Maß an Transparenz, Teilhabe und Mitbestimmung ist sehr wichtig.“ Dazu muss man nicht unbedingt im Chefsessel sitzen. „Wenn ein Fließbandarbeiter merkt, dass sein Beitrag im Unternehmen wahrgenommen wird, wenn er sich im Team wohlfühlt und Spaß an seiner Arbeit hat, wird er möglicherweise zufriedener sein.“
Katholisch: Arbeit zur Selbstverwirklichung
Auch in der jungen Generation ticken Männer und Frauen in Bezug auf den Beruf teilweise unterschiedlich, wie die Ergebnisse der deutschen Shell Jugendstudie 2024 zeigen. Nach ihren Wünschen für ihr späteres Berufsleben gefragt, nennen junge Männer den materiellen Nutzen ihrer Arbeit, also ein hohes Einkommen und gute Aufstiegschancen, als einen der relevantesten Faktoren. Bei den jungen Frauen hingegen stehen der soziale Nutzen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Vordergrund.
Sowohl Frauen als auch Männer wünschen sich einen Beruf, der sie erfüllt. Frauen sind eine Spur idealistischer und legen tendenziell mehr Wert darauf, sich in ihrem Job für andere einzusetzen. Arbeit zur Selbstverwirklichung? Das ist kein modernes Phänomen, sondern zutiefst katholisch. So schreibt Johannes Paul II. 1981 in der Enzyklika Laborem Exercens, dass der Mensch immer „das eigentliche Subjekt der Arbeit“ bleibt. Alle Handlungen, die zum Arbeitsprozess gehören, müssen ihm zur Verwirklichung seines Menschenseins dienen. Die Arbeit ist ein „Gut für den Menschen“, durch das er „mehr Mensch wird“.
Idee des „Familienernährers“ tief verwurzelt
Dass Männlichkeit und Erwerbsarbeit über Jahrhunderte eng miteinander verwoben waren, wird an der gesellschaftlich tief verwurzelten Idee des Familienernährers deutlich. Lange war es ausschließlich der Mann, der die materielle Verantwortung für seine Familie trug, während sich die Frau um die innerfamiliären Angelegenheiten kümmerte. Dieses Rollenverständnis ist zwar schon lange im Wandel, der Prozess aber noch nicht abgeschlossen.
Das zeigt eine Untersuchung der Universität Bielefeld. Männer wurden in Gruppendiskussionen danach gefragt, was Mannsein für sie bedeutet. Die Rolle des Familienernährers kommt ihnen dabei sofort in den Sinn. Wie sie sie bewerten, ist uneinheitlich. Einerseits stufen sie sie als traditionell und zum Teil überholt ein, andererseits können sich einige der Befragten durchaus damit identifizieren. Andere wiederum erleben sie als belastend und distanzieren sich.
Dass sich das Bild des Familienernährers gewandelt hat, zeigt sich in der Beteiligung von Männern an der unbezahlten Arbeit zu Hause, die seit den 1960er Jahren gestiegen ist. Während sich das familienernährende Oberhaupt davor kaum an der Haus- oder Fürsorgearbeit beteiligt hat, teilen sich immer mehr Männer und Frauen heute die sogenannte Care-Arbeit auf.
Großer Druck, multiple Krisen In vielen Familien mit Kindern sind Männer zwar nach wie vor die Hauptverdiener, sie waschen aber auch die Wäsche und das Geschirr und bringen abends die Kinder ins Bett. Männer wollen Zeit für Familie und Kinder haben, nicht bloß Zaungast in der eigenen Familie sein. „Ältere Männer sind hier noch ganz anders sozialisiert“, sagt Martin Hochegger. „Es ist also auf jeden Fall eine Generationenfrage, wie sehr sich Männer an den Arbeiten zu Hause beteiligen.“
Von einer gerechten Aufteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit sind die meisten heutigen Väter und Mütter aber weit entfernt. Immer noch erledigen Frauen einen Großteil der Haushaltstätigkeiten, der Kinderbetreuung und der Pflege älterer Familienangehöriger. Bei aller Klage über die ungleiche Aufteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit in Familien darf eines nicht übersehen werden: Der Belastungsgrad von Männern, vor allem von Vätern, hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Ihr Dilemma: Sie wollen zu Hause präsent sein und spüren gleichzeitig den Anspruch, im Job zu performen und nicht zuletzt – Stichwort „Familienernährer“ – ihre Familie materiell abzusichern. „Männer fühlen sich dadurch oft unter großem Druck. Gerade in Zeiten der multiplen Krisen, wie wir sie gerade erleben“, sagt Hochegger. So sehr Familie und Beruf vor diesem Hintergrund in Konkurrenz zueinander zu stehen scheinen, ist die Familie letztlich im Leben von Männern am wichtigsten. „Die Familie ist sehr oft ihr Hort der letzten Sicherheit. Droht der zu zerbrechen, geht es ihnen sehr schlecht.“
Arbeitslosigkeit: „Problem der Männer“
Doch nicht allein das Bemühen um Vereinbarkeit treibt das Stresslevel in die Höhe. „Beschleunigungsprozesse in der Wirtschaft erhöhen den Druck auf Arbeitnehmer stark“, sagt Hochegger. Herausfordernd seien darüber hinaus die rasanten technischen Veränderungen in der Arbeitswelt, allen voran Digitalisierungsprozesse. „Viele Arbeitnehmer sehen sich gezwungen, laufend Neues dazu zu lernen. Nicht allen fällt das leicht.“
Besonders herausgefordert sind jene Männer, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Eine Studie des AMS und dem Österreichischen Institut für Familienforschung bezeichnet Arbeitslosigkeit sogar als „Problem der Männer“. Es nimmt sie tendenziell stärker mit als Frauen, wenn sie ihren Job verlieren. Das liegt an der hohen Identifikation mit dem Job und daran, dass Männer in ihren Familien oft Hauptverdiener sind. Der Druck, schnell wieder einen Job zu finden, ist damit groß. Verglichen mit der Arbeitslosigkeit von Frauen wirkt sich jene von Männern in stärkerem Ausmaß destabilisierend auf ihre Partnerschaft und die gesamte Familie aus. So ziehen etwa erwachsene Kinder früher aus, wenn der Vater keinen Job hat.
Männer als Arbeitgeber
Einen weiteren Aspekt bringt Paul Röttig von der Katholischen Männerbewegung der Diözese Eisenstadt ein: Männer sind nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber. Röttig war Personalmanager in großen Unternehmen, die massiven Personalabbau durchgeführt haben. Bei Entlassungen, aber auch bei freiwilligem Jobwechsel von Mitarbeitern wurde ihm eines deutlich: Man darf nicht auf jene Mitarbeiter vergessen, die im Unternehmen bleiben. „Nicht nur die, die ihren Job verlieren und das Unternehmen verlassen, brauchen Fürsorge, auch die, die zurückbleiben.“ Denn die Arbeit, die erledigt werden muss, verschwindet nicht mit dem scheidenden Mitarbeiter. Sie muss von den ehemaligen Kollegen im Unternehmen neu aufgeteilt und übernommen werden.
Dieser Prozess sei durchaus intensiv und dürfe nicht vernachlässigt werden. Geht es um Personalabbau, sagt Röttig, müssen sich die Unternehmensführung und all jene, die bei Entlassungen beteiligt sind, ihrer moralischen Verantwortung bewusst sein. Der, der entlassen wird, ist nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Mensch – das dürfe man nicht vergessen.
Autorin: Sandra Lobnig