
Gesunde Knochen ein Leben lang
Bereits ab dem dreißigsten Lebensjahr beginnen unsere Knochen, langsam zu schwinden. Selbst bei vollkommen gesunden Menschen geht pro Jahr etwa 0,5 bis 1 Prozent der ursprünglichen Knochenmasse verloren. Das ist nichts, was uns beunruhigen müsste – es gibt schließlich viele Möglichkeiten, um etwas für die eigene Knochengesundheit zu tun. Setzen wir also auf innere Stärke – wortwörtlich!
Quietschlebendige Zeitgenossen
Ein blanker Knochen sieht trocken und starr aus. Fast könnte man meinen, es handelt sich dabei um tote Materie. Dem ist aber nicht so. Ganz und gar nicht. Unsere Knochen sind höchst lebendige Gesellen, die sich ständig umstrukturieren. Verantwortlich dafür sind zwei Spezialtrupps: Zum einen die Osteoklasten – das sind Abbauzellen, die Knochenmaterial dort auflösen, wo winzige Schäden entstanden sind. Zum anderen Osteoblasten – das sind Aufbauzellen, die Knochenmasse ersetzen. Osteoblasten lagern an exakt jenen Stellen „Bausubstanz“ ein, an denen die Osteoklasten-Kollegschaft im Vorfeld herumgewerkelt hat. Wie bei Renovierungsarbeiten in einem Haus werden marode Teile entfernt und durch stabilere ersetzt. Unsere Knochen sind so in der Lage, sich an äußere Bedingungen anzupassen: Wird der Knochen mehr belastet – zum Beispiel, weil man plötzlich Gefallen am Stabhochsprung gefunden hat –, so verändert sich seine Mikroarchitektur. Der Knochen erhält das Signal: Noch mehr Festigkeit ist gefragt, Kumpel!
Von Kindesbeinen an …
Bereits in frühen Kindheitstagen wurden wir von unseren Eltern zum Milchtrinken animiert. Jeder wusste: Das darin enthaltene Kalzium stärkt die Knochen. Und das ist auch kein Ammenmärchen. Der Knochen bezieht seine Härte vor allem aus Mineralstoffen, die er in sein Gewebe einlagert. Alles, was sich in unseren Knochen abspielt – das rege Auf und Ab von Knochensubstanz und der Erhalt von Knochenmasse –, wird durch ein komplexes Zusammenspiel von Nährstoffen und unterschiedlichen Botenstoffen gesteuert. Allein zwischen dem zwölften und dem vierzehnten Lebensjahr bilden wir 25 Prozent unserer Knochenmasse. Um das dreißigste Lebensjahr ist die „Peak Bone Mass“ – der Maximalwert der Knochenmineraldichte eines Menschen – dann erreicht. Ab diesem Zeitpunkt büßen die Zellen vom Team Knochenaufbau kontinuierlich an Aktivitätsdrang ein.
Das bedeutet: Wir haben im Leben ein bestimmtes Zeitfenster zur Verfügung, in denen unsere Knochen besonders aufnahmefähig sind. Wie ein Schwamm saugen sie Nährstoffe auf und rüsten sich so für jetzt und später. „Kalzium-Mangel fördert bereits in jungen Jahren Knochenbrüche“, untermauert Univ.-Prof. Dr. Heinrich Resch, klinischer Osteologe, den Stellenwert einer gesunden Ernährung. Auch Bewegung verändert die Geometrie des Knochens und hilft so, das Frakturrisiko zu reduzieren. „Wer in seiner Kindheit und Jugend viel Sport treibt, dessen Skelettapparat profitiert langfristig davon“, so der Experte. Der Grundstein für stabile, gesunde Knochen wird also bereits in jungen Jahren gelegt.
… bis ins Erwachsenenalter gut in Form
Und danach? Später gilt es, das gesunde Knochengerüst zu erhalten und einen frühzeitigen Knochendichteverlust zu verhindern. Wer auf Knochenräuber – allen voran Alkohol und Nikotin – verzichtet, befindet sich schon einmal auf einem guten Weg. Zu den Starkmachern unserer Knochen zählen vor allem Nährstoffe wie Kalzium und Vitamin D3. Wie Bausteine lagern sich Kalziummoleküle im Knochengewebe ein. Engster Verbündete des Mineralstoffs ist Vitamin D3: Es fördert die Kalzium-Aufnahme aus dem Darm und den Kalzium-Einbau in den Knochen. Kleiner Haken an der Sache: Während sich der Bedarf an Kalzium meist gut über Lebensmittel wie Milchprodukte und grüne Gemüsesorten decken lässt, ist das bei Vitamin D3 nicht der Fall. Über die Nahrung nehmen wir nur unwesentliche Mengen auf, den Großteil stellt der Körper mit Hilfe des Sonnenlichts selbst her. Jedoch hapert es auch damit oft ein wenig: Die Vitamin-D-Produktion in der Haut nimmt mit zunehmendem Alter ab. „Nur 40 Prozent der Erwachsenen erreichen eine ausreichende VitaminD-Versorgung“, gibt Diätologe Johann Grassl zu bedenken. Auch wenn eine Supplementierung in vielen Fällen sinnvoll ist, sollten „Nahrungsergänzungsmittel nicht wahllos und nur in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt eingenommen werden“, rät Grassl zu vorherigen Blutanalyse.
Wenn man bedenkt, dass ein Erwachsener, der krankheitsbedingt im Bett bleiben muss, in einer Woche so viel Knochenmasse verlieren kann wie normalerweise in einem Jahr, dann wird schnell klar: Knochen wollen bewegt werden. Ihr Motto lautet: Ein bisschen Spaß – oder vielmehr ein bisschen Stress – muss sein! Dynamische Muskelanspannungen wie sie beim Laufen, Springen und Klettern vorkommen, belasten die Knochen am stärksten. Körperliche Aktivitäten unter Einsatz des eigenen Körpergewichts (sogenanntes High-impact-Training) vermitteln unseren Trägern die Botschaft: Legt euch ins Zeug, ihr Knochen, ihr werdet gebraucht!
Dem Sturz voraus
Im Prinzip ist aber jede Form von Bewegung förderlich – nicht nur im Hinblick auf die Knochenqualität, sondern auch was Balance und Beweglichkeit anbelangt. Ein gezieltes Training kann nämlich auch zur Sturzprophylaxe beitragen. Etwa ein Drittel aller 65-Jährigen stürzt jedes Jahr mindestens einmal – mit zunehmendem Alter ist die Tendenz steigend. Die Wohnung von sturzgefährdeten Personen sollte möglichst barrierefrei eingerichtet sein. Bereits kleine bauliche Maßnahmen wie die Installation von Haltegriffen an Badewanne und Toilette helfen, das Sturzrisiko zu senken. Außerdem gilt es, Stolperfallen wie lose Teppiche aus dem Weg zu räumen und die Beleuchtung in den vier Wänden zu optimieren. Ratsam ist auch, Medikamente, die eingenommen werden müssen, vom Hausarzt überprüfen zu lassen: Einige Wirkstoffe in Arzneimitteln können Kreislauf und Orientierung beeinträchtigen und die Fallneigung begünstigen.
Autorin: Sylvia Neubauer