Bärte - Insignien der Männlichkeit
Die Bedeutung des Bartes ist eng mit der Geschichte der Menschheit verknüpft. Von Götter- bis zu berühmten Herrscherbärten lässt sich die Tradition der Gesichtsbehaarung und deren Pflege über Jahrtausende nachvollziehen. Der gegenwärtige Zeitgeist zelebriert die Freiheit (fast) aller Bartstile.
In der Frühzeit des Menschen trugen alle Männer einen Bart. Verständlich, gab es doch weder Rasierklinge noch Elektrorasierer. Die geschliffenen Feuersteine ermöglichten zwar eine primitive Bartpflege, der Haarwuchs blieb trotzdem im Gesicht. Denn so ein Bart war durchaus praktisch. Er wärmte, schützte das Gesicht vor Staub und vor der Sonne. Aber vor allem war er ein Zeichen von Stärke. So ein praller, martialischer Bartwuchs konnte einen Gegner schon gehörig einschüchtern.
Später, in den Zeiten der ersten Hochkulturen bei den Mesopotamiern oder in Ägypten, entstand so etwas wie eine Bartkultur. Dabei ging es in erste Linie um Männlichkeit und um Macht. Das ging sogar so weit, dass sich Pharaonin Hatschepsut, eine der mächtigsten Herrscherinnen der Antike, zum Zeichen ihrer legitimen Herrschaft einen künstlichen Bart zulegte. Ähnlich bei den alten Griechen. Alle Götter des Olymps von Zeus abwärts trugen Bärte. Und auch für die Philosophen war der Bart ein Signal für Weisheit und Würde.
Auch in der Katholischen Kirche sehen wir auf allen gängigen Abbildungen Gottes einen alten Mann mit langem, weißem Bart. Das vermittelt Autorität und Weisheit. Sogar Jesus wird vereinzelt als alter Mann mit Bart dargestellt, obwohl er mit etwa 33 Jahren gestorben ist. Vor allem aber kennen wir von ihm ein bärtiges Gesicht mit langen Haaren. All diese Darstellungen haben Auswirkungen auf unser Gottesbild. Die weiblich-mütterlichen Aspekte gingen verloren, patriarchale Strukturen in Gesellschaft und Kirche werden mit diesen Bildern legitimiert.
Vielfalt in der Gesichtsbehaarung
In den letzten Jahrhunderten etablierte sich eine Vielfalt individueller Bartstylings. Herrscher und hohe Würdenträger gaben in der Barttracht den Ton an. Die wichtigsten Barttypen waren der Backenbart (auch Koteletten genannt) und der Schnurrbart auf der Oberlippe, der in verschiedenen Varianten besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr beliebt war. Kaiser Franz Joseph vereinte beides, indem er einen kräftigen Backenbart mit ausrasiertem Kinn und Schnurrbart trug.
Vorbilder einzelner Bartmoden waren bekannte Persönlichkeiten aus Film, Kunst oder Politik. Mit dem Aufkommen der Selbstrasur war es möglich, diese nachzuahmen. Man erinnere sich zum Beispiel an die Stummfilm-Legende Charlie Chaplin, der einen kleinen Oberlippenbart – auch Fliege genannt – als Markenzeichen pflegte, oder Salvador Dali, dessen gezwirbelter Schnurrbart manchen Zeitgenossen bisweilen bekannter war als die Werke des spanischen Surrealisten. Elvis Presley ließ bei vielen jungen Männern die Koteletten sprießen.
Der Bart als politisches Statement
Schon 1848 wurde der Vollbart das Zeichen der Demokraten. Beim Fliegenbart denken wir heute in erster Linie an Adolf Hitlers Konterfei. Er wurde zum Symbol der Nazi-Ideologie und wird heute noch als Protest auf Werbeplakate geschmiert, um die politische Gesinnung von Kandidaten rechter und rechtsextremer Parteien zu kennzeichnen. In den glatt rasierten 1960er Jahren kam der Vollbart, vielfach in Kombination mit langen Haaren, als Zeichen der Rebellion gegen das Establishment. Che Guevara und Fidel Castro dienten als Vorbilder. Anfangs glatt rasiert wuchsen die Gesichter der Beatles innerhalb eines einzigen Jahrzehnts fast vollständig zu. Die Botschaft: Friede, Selbstbestimmung, Freiheit und der Bart als gesellschaftskritischer Aufreger.
Nach einigen glatten Jahrzehnten ist Bart heute wieder angesagt. Besonders jugendlich wirkende Männer entscheiden sich immer öfter für einen Drei-Tage-Bart oder einen kurz geschnittenen Vollbart, da dies einen rauen, erfahrenen Gesichtsausdruck verleiht. Ihre Vorbilder lachen aus fast allen Magazinen, besonders die Werbung hat bei ihren Testimonials den Trend zum Bart aufgegriffen und verstärkt ihn damit kräftig. Reife Männer schätzen hingegen eher die glatte Rasur, sie wirken damit jünger und strahlender. Erlaubt ist heute, was gefällt. Ein Bart ist Teil einer individuellen, freien Lebensart.
Autor: Christian Brandstätter; LebensArtverlag