Josef aus Nazareth
Welche Rolle spielt der Glaube im Leben von Männern? Wie feiern wir miteinander unseren Glauben? Welche Form der Liturgie spricht uns Männer an, lässt unseren Glauben tiefer und reifer werden? Glauben Frauen anders als Männer? Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns im Arbeitskreis „Männerglaube“ mit solchen und ähnlichen Fragen und erproben Formen der Liturgie, die uns Männern entsprechen.
So sind wir auch auf Männer der Bibel gestoßen und haben sie ins Zentrum unserer Liturgien gestellt. Was spricht uns an diesen Männern an? Wie leben sie ihre Beziehung mit Gott? Kann ich hier anknüpfen oder bleiben mir die Männer wenig begreiflich? Wir haben erlebt, wie spannend es sein kann, sich gemeinsam in diese Männer der Bibel einzufühlen und sie sind für uns ganz neu lebendig geworden in ihrer Widersprüchlichkeit, in ihren Leidenschaften, in ihrem Scheitern, in ihrem Vertrauen zu Gott.
Seit einigen Jahren erwählen wir jedes Jahr einen dieser Männer als Begleiter für die KMB in Oberösterreich: Petrus, Elija, Johannes den Täufer, Abraham, Thomas, David – und seit Herbst 2020 Josef aus Nazareth. Dass Papst Franziskus für 2021 ein Josefsjahr ausgerufen hat und sich in einem apostolischen Schreiben intensiv mit Josef auseinandergesetzt, hat uns ermutigt, noch genauer hinzuschauen.
Was macht Josef so spannend für uns Männer? Erscheint er nicht bloß schwach, immer im Hintergrund, wenig attraktiv für Männer in unserer Zeit? Er tritt nicht wortgewaltig auf, keine Worte sind von ihm überliefert. Wir erfahren nur von seinem Handeln. Da ist gleich zu Beginn der große Schock: Maria, seine Verlobte, wird schwanger – aber er weiß: sicher nicht von ihm! Wie würde ich in so einer Situation reagieren? Enttäuscht, verletzt, tief getroffen? Josef handelt nicht impulsiv, er nimmt sich Zeit, denkt nach, schläft über diesen Schock, bevor er für sich eine Entscheidung trifft. Im Traum reift die Erkenntnis, er ist jetzt in einer ganz besonderen Form herausgefordert.
Josef ermöglicht durch sein entschiedenes Handeln in den folgenden Monaten, dass für Maria und Jesus in allen existentiellen Gefährdungen Überleben und Sicherheit möglich ist. Welche Kraft und Zuneigung sind notwendig, um in dieser Situation nicht zu resignieren, sondern die Herausforderung anzunehmen und mit Umsicht das Nötige zu tun, um Jesus ein Aufwachsen in Geborgenheit und Liebe zu ermöglichen. Wir wissen wenig über die Jahre, in denen Jesus bei Maria und Josef erwachsen wurde. Aber wir merken, welch positive Vaterrolle Josef für Jesus ganz offensichtlich übernommen hat.
Heute wissen wir, wie prägend die Beziehung zu unserem Vater für die Entwicklung unserer Gottesbeziehung ist. Ein harter und strafender Vater lässt uns auch an Gott diese Seite deutlich spüren. Ein liebender und fürsorglicher Vater
hilft uns, in Gott diese Seiten deutlicher zu erkennen und daraus Kraft zu schöpfen. Wenn wir bei Jesus erfahren, welch unbedingte Verbundenheit und Liebe er mit Gott seinem Vater lebt, dann können wir erahnen, welch großartiger Vater Josef für Jesus war.
Bei Josef weitet sich aber auch das Verständnis der Vaterschaft. Weg von der rein biologischen Seite hin zur Vaterrolle, die wir Männer für andere Menschen übernehmen können. Indem wir für ihr Leben Verantwortung übernehmen, damit sie reifen und wachsen können. Wir sehen, was es bedeutet, für jemanden oder ein Sache Verantwortung zu übernehmen: Mutig und entschlossen einen Raum schaffen, in dem Wachsen und Reifen möglich wird, so dass daraus etwas gutes Neues entstehen kann.
"ZUM VATER WIRD MAN NICHT EINFACH DADURCH,
DASS MAN EIN KIND IN DIE WELT SETZT,
SONDERN DADURCH, DASS MAN SICH
VERANTWORTUNGSVOLL UM ES KÜMMERT".
Papst Franziskus
DI Bernhard Steiner, Diözesanobmann der KMB der Diözese Linz,
Kommentar zum Josefsjahr