Grillzeit
Zurück um ein paar hunderttausend Jahre. Die Männer gruppieren sich ums offene Feuer. Es wird diskutiert, aber das Sagen hat nur einer. Es fühlt sich archaisch an. Und gut.
Der Haken dabei: Für unsere Ahnen war das Leben zwar hart, aber im Grunde einfach. Um zu überleben, mussten sie jagen und essen. Sie mussten sich keine Gedanken über ihr Gewicht oder die Blutwerte machen. Nicht einmal über Social Distancing mussten sie nachdenken. Für uns, also ungefähr 300.000 Jahre
später, stellt sich die Situation ein wenig komplexer dar. Wir wissen über ein paar Zusammenhänge Bescheid. Und wir kennen Dinge wie unseren Blutdruck oder unseren Body-Maß-Index. Wenn wir also das Feuer entfachen, sprich den Griller anwerfen, sollten wir uns dieser 300.000 Jahre bewusst sein. Wenn man ein
paar Grundregeln beachtet, kann die sommerliche Grillerei zum gesunden Spaß werden.
Bleiben wir kurz noch bei den Ahnen. In Bezug auf die Grilltechnik waren sie nämlich ziemlich erfinderisch. In Argentinien klappten sie ganze Ziegen oder Schafe auf, spannten sie auf ein Eisenkreuz und ließen sie langsam über einem Feuer am Boden garen. Die Methode findet man übrigens heute noch bei den
Hirten der Anden. In China entdeckten Archäologen die ältesten
Grillstellen der Welt und im alten Rom wurden bereits im 4. Jahrhundert eigens geschmiedete Grillroste verwendet.
Für die Herkunft des Wortes „Barbecue“ gibt es zwei Theorien. Entweder es kommt aus dem Wortschatz eines Indianerstammes in Haiti und bedeutet „einen Fleischspieß über dem Feuer braten“. Immerhin brachten die karibischen Kreolen das Ganze samt scharfer Gewürze aufs amerikanische Festland. Noch heute ist die Cajun-Küche der Südstaaten berühmt für ihre Schärfe. Nach einer anderen Theorie packten französische Trapper im 17. Jahrhundert in Amerika ganze Bisons auf den Grill. Sie nannten das dann „Barbe-à-queue“ – „vom Bart bis zum Schwanz“. Womit quasi auch der Ursprung des Nose-to-Tail ge- und erklärt wäre.
Zeitsprung, Szenenwechsel. Das Wetter passt, der Tisch im Garten oder auf der Terrasse ist aufgestellt, die Salate sind vorbereitet(darauf kommen wir noch) und die Freunde sind schon am Weg. Während die Holzkohle langsam Glut aufnimmt, ist kurz Zeit, ein paar wesentliche Dinge über das Grillen zu beleuchten.
Fleisch (und dabei geht es üblicherweise beim Grillen) besteht vorwiegend aus Eiweiß, Fett, Wasser und etwas Zucker. Es ist der Entdeckung des Franzosen Lois Camille Maillard zu verdanken, dass wir wissen, dass sich beim Fleisch bei etwa 150 Grad Celsius einiges abspielt. Die Zuckermoleküle verbinden sich mit den Aminosäuren, und diese Liaison sorgt dafür, dass sich im Fleisch Farbe und Geschmack verändern. Es wird goldbraun und würzig. So weit, so gut. Leider passiert bei 150 Grad auch noch etwas anderes: Das Fett im Fleisch schmilzt. Normalerweise, wenn nicht gegrillt wird, sondern das Fleisch in der
Pfanne liegt oder im Bräter schmort, wird der Bratensaft aufgefangen und dient als Fundament für diverse Saucen. Beim Grillen besteht allerdings die Gefahr, dass das Fett auf die heiße Kohle tropft, und dann ist – aus gesundheitlicher Perspektive – echt Feuer am Dach. Verbrennt das Fett auf der Glut, bilden sich
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Das sind
– mit großer Wahrscheinlichkeit – krebserregende Stoffe, die mit dem aufsteigenden Rauch ins Grillgut gelangen. Benzpyren ist einer davon. Der Stoff wird dann nicht nur von den umstehenden Personen eingeatmet, sondern zieht auch in das Essen auf dem Grill ein. Beim Räuchern ist Benzpyren nicht zu verhindern. Allerdings gilt bei zum Verkauf angebotenen Räucherwaren eine Höchstmenge von einem Mikrogramm pro Kilo Fleisch. Beim Grillen wird dieser Wert aber deutlich überschritten. Alleine in der äußeren Schicht des Grillguts enthält über Holzkohle gegrilltes Fleisch etwa die zehnfache Menge.
Aus gleichem Grund ist auch vom Aufgießen mit Bier abzuraten. Viel Rauch um nichts. Jedenfalls ist der kulinarische Gewinn dabei eher enden wollend.
Es gibt allerdings ein paar Tricks, mit denen man Abhilfe schaffen kann. Mariniertes Fleisch sollte gut abgetropft sein, bevor es auf den Rost kommt. Dadurch wird vermieden, dass zu viel Fett der Marinade in die Glut tropft. Für die chemische Reaktion und die gesundheitsschädliche Wirkung ist es nämlich einerlei, ob tierisches Fett direkt aus dem Fleisch tropft oder das Öl der Marinade. Es macht (hierfür) auch keinen Unterschied, ob hochwertiges, frisches Extra-Vergine-Olivenöl oder billiges Bratöl verwendet wird. Außerdem sollte zum Wenden der Steaks eine Grillzange verwendet werden. Jedenfalls keinesfalls mit einer Gabel. Der Stich zerstört die äußere Schicht und hinterlässt ein Loch, aus dem nach dem Wenden der Saft aus dem Inneren des Stücks ins Feuer tropft. Am besten, man verwendet für saftige Steaks eine Pfanne aus Edelstahl oder platziert sie etwas weiter am Rand, wo zwar genug Hitze ist, aber keine Glut direkt
darunter.
Für stattliche Steaks groben Zuschnitts (Ribeye, Porterhouse oder Tomahawk) bietet sich eine Methode an, mit der man ohnehin als „Meat Hero“ vom Grillplatz zieht: „Reverse Grilling“. Dabei wird das Fleisch über einen längeren Zeitraum und bei relativ niedriger Temperatur im Rohr vorgegart. Für vier rustikal geschnittene Porterhouse-Steaks (das Filet samt Knochen aus dem flachen Roastbeef) gilt etwa drei Stunden bei etwa 60 bis 70 Grad. Was nach dieser Zeit aus dem Rohr kommt, ist allerdings alles andere als ansehnlich: bleiche, leicht gräuliche Steaks. Im ersten Moment eine Enttäuschung, aber dann kommt der Grill ins Spiel. Dessen Aufgabe ist eine kurze, aber wichtige: Farbe und etwas Festigkeit für die äußere Schicht. Das ist eine Angelegenheit von wenigen Minuten. Das Ergebnis ist jedenfalls
faszinierend. Im Kern maximal „medium rare“ (wenn man es noch englischer, also noch blutiger will, dann eben die Zeit im Backrohr verkürzen) und außen würzig und kross. Damit grillt man sich in die Herzen der Gäste und die Konkurrenz an die
Wand. Und gesund ist es obendrein, weil für das Finish am Grill nicht mehr so große Hitze erforderlich ist.
Eine andere Substanz macht dem Körper beim Grillen ebenfalls zu schaffen. In der braunen Kruste von Fisch und Fleisch können bei 120 Grad Celsius heterozyklische aromatische Amine (HAA) entstehen, die auch im Verdacht stehen, krebserregend
zu sein. Die Kruste entsteht im direkten Kontakt mit den Flammen. Doch wie bei allen Giften gilt: Die Dosis macht‘s. Um hier auf der sicheren Seite zu sein, sollte man sich vor der Anschaffung eines Grillgeräts überlegen, wie oft man es nutzen will. Wer vorhat, öfter zu grillen, sollte sich eher einen Gas- oder Elektrogriller
zulegen. Das ist zwar weniger archaisch, letztlich aber deutlich besser für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Diesbezüglich lässt sich am Markt auch ein klarer Trend beobachten. Immer mehr Holzkohlegrills werden durch Geräte mit Gas- oder Elektroanschluss ersetzt.
Vorsicht ist auch bei den Beilagen geboten. Was gibt es Herrlicheres als gegrillten Feta oder Manouri, mediterranen Schafkäse, gewürzt mit Thymian, Oregano oder Throubi, dem kretischen Bohnenkraut, und etwas Olivenöl. Gleiches gilt für Tomaten oder Fisch im Zitronensaft. Sie alle haben gemeinsam, dass wir sie in der Regel in Alutassen aufs Grillgitter stellen. Doch treffen Säure und/oder Salz auf Aluminium, dann kann dieses auf Lebensmittel übergehen. Und laut aktuellem Wissensstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine hohe Aufnahme gesundheitsschädlich ist. Abhilfe schaffen kleine Kupferpfannen, Nirosta-Kasserollen oder Grilltassen aus Email mit genopptem Boden, beispielsweise vom Mostviertler Traditionsbetrieb Riess. Derartiges Geschirr zu verwenden, sieht nicht nur wesentlich besser aus als die Wegwerf-Alutassen, es ist auch um einiges
nachhaltiger.
Eine letzte Warnung gilt Gepökeltem: Legt man Gepökeltes auf den Grill, also diverse Würste (vor allem aber Frankfurter oder Berner Würstel) oder Surfleisch, kommen die Nitrosamine ins Spiel. Bei starker Hitze (bei etwa 200 Grad Celsius) verbindet sich das Nitrit aus dem Pökelsalz mit den Aminosäuren im Fleisch und es entstehen die genannten (und krebserregenden) Nitrosamine.
Ob wir generell aus gesundheitlichen Gründen vom Grillen abraten? Niemals!
Ein Grillabend mit Familie oder Freunden ist ein herausragendes Erlebnis, sowohl in sozialer als auch in kulinarischer Hinsicht. Wir haben versucht, für jede potenzielle Gefahr auch eine entsprechende Lösung anzubieten. Hier noch ein paar Tipps und Tricks, die bisher nicht angesprochen wurden: Beim Fleisch auf
Herkunft und Qualität achten. Fettfrei oder fettarm bedeuten nicht notwendigerweise hochwertig. Fleisch von robusten, alten
Rassen hat oft einen höheren Fettanteil und auch die Qualität des Fetts ist in der Regel höher. Das Grillgut nicht vor dem Grillen salzen. Die Flüssigkeit, die dem Fleisch damit entzogen wird, hat gar keine andere Wahl, als in die Glut zu tropfen. Und last not least die Vielfalt: Fisch, Gemüse, Käse. Und wenn Sie einmal überzeugte Vegetarier oder Veganer als Gäste haben: Schneiden Sie aus einer Wassermelone einen ordentlichen Brocken heraus, der an ein Steak erinnert und behandeln Sie ihn am Grill, als wäre es das beste Stück vom Rind. Und dann
genießen Sie den Applaus.
Autor: Jürgen Schmücking