
Zeugnis aus der Kraft der Taufe
Jägerstätter war ein Mensch, der seiner Überzeugung in ganz besonderer Weise bis zur letzten Konsequenz gefolgt ist. Seit 2007 wird er in der römisch-katholischen Kirche als Seliger verehrt.
Wir haben mit Wolfgang Bögl, dem theologischen Assistenten der Diözese Linz, über die Bedeutung von Franz Jägerstätter für die KMB gesprochen.
Wieso ist Franz Jägerstätter für die KMB so wichtig?
Wolfgang Bögl: Die KMB hat vor mehr als 15 Jahren nach einer Identifikationsfigur gesucht. Es sollte ein Familienvater sein, ein Laie, der Vorbild für christliche Männer sein kann. Jägerstätter ist ein Vorbild und Leitbild, wie man seinen Glauben in einer Beziehung leben kann, auch gegen Widerstand.
Gab es auch Widerstände, ihn als das KMB-Leitbild zu sehen?
Wolfgang Bögl: Ja, es gab kritische Stimmen. Viele Männer sind mit der eigenen Geschichte konfrontiert worden, die Frage nach der eigenen Schuld ist virulent geworden. Viele hatten die Zeit im Krieg verdrängt und sich damit zufriedengegeben, nur der Einberufung zum Kriegsdienst gefolgt zu sein. Auch der Vorwurf, Frau und Kinder im Stich gelassen zu haben, kam häufig. Heute ist Jägerstätter in der KMB aber ein unbestrittenes Vorbild.
Wie hat es Jägerstätter geschafft, diesen harten Weg zu gehen?
Wolfgang Bögl: Dass Jägerstätter diesen Weg durchgehalten hat, beruht auf seiner langjährigen religiösen Bildung. Er hat vorwiegend im Eigenstudium – im Gebet, durch Bibel und geistliche Lektüre– und maßgeblich im Austausch mit seiner Frau Franziska seinen Glauben geformt. Das ist etwas, das wir als KMB sehr sehen und würdigen. Eigentlich müsste man seine Frau Franziska auch seligsprechen.
Wo fordert uns unser Glaube auf, Position zu beziehen?
Wolfgang Bögl: Eines der wesentlichen Themen ist, der Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Es gibt ein Auseinanderdriften zwischen jenen, die das Sagen haben und auf die Butterseite des Lebens gefallen sind, und jenen, die Angst haben, den Anschluss zu verlieren, die Angst haben, nicht mehr dazuzugehören. Das beginnt bei der Vermögensverteilung, aber auch Nationalität oder Status spielen eine Rolle. Es ist ein Grundauftrag der Kirche, dass alle Menschen einen guten Platz haben können.
Was kann man von Jägerstätter lernen?
Wolfgang Bögl: Vor allem die Fähigkeit zur Unterscheidung der Geister. Was führt uns wohin? Was dient dem Leben? Was schadet dem Leben? Wir können von ihm lernen, wie er sich auf die inneren Prozesse einlässt und ausficht. Auch für ihn war nicht alles klar. Er spürte auch Leere und Nacht – da musste er durch. Mit einer Ausrichtung auf Vertrauen können wir in der Angst bestehen. Das ist ein Markenzeichen der christlichen Männerbewegung: Was können wir bewirken? Was ist möglich? Wir haben eine Zuversicht aus dem Glauben heraus, dass es einen guten Ausgang gibt.
Jägerstätter war ein sehr liebevoller Vater. Er hat sein Vatersein für seine Zeit unverhältnismäßig intensiv gelebt. Er ist mit dem Kinderwagen durch das Dorf gefahren. Auch in seinen Briefen an Franziska erwähnt er seine Kinder sehr liebevoll. Zudem war er ein natur- und schöpfungsverbundener Mann und Mensch. Das ist heute nicht ganz unerheblich. Und natürlich lebte er den urchristlichen Weg der Gewaltfreiheit.
Was berührt Sie selbst am meisten am Gedenkort von Franz Jägerstätter?
Wolfgang Bögl: Es hat einen eigenen Zauber, vor Ort zu sein, die ganze Geschichte zu spüren, die lebendig wird, die beeindruckt und erfüllt. Man ist Jägerstätter ganz nahe. Meist sind auch seine Tochter, Verwandte und Menschen aus dem Ort dabei. Man merkt, dass diese Erinnerung vor Ort sehr mitgetragen wird.
Interview: Roswitha M. Reisinger; Lebensart VerlagsGmbH
Filmtipp:
"Ein verborgenes Leben" (A Hidden Life), 2019, ab 12 Jahre , 173 min
Regissuer: Terrence Malick
Darsteller/innen: August Diehl (Franz Jägerstätter), Valerie Pachner (Franziska Jägerstätter), Bruno Ganz (Richter), Tobias Moretti (Bürgermeister)