Sinn oder kein Sinn, das ist ...
Sinn oder kein Sinn, das ist die FrageEin echtes Faszinosum ist die Rube-
Goldberg-Maschine, eine so genannte Nonsens-Maschine, die einfachste
Aufgaben unnötig verkompliziert und dennoch die Aufmerksamkeit ihres Betrachters fesselt, weil auch im vermeintlichen Unsinn ein Quäntchen Sinn verborgen liegt, und sei es, dass etwas Umständliches oft mehr Vergnügen bereitet als die viel simplere Variante davon.
Sinn haben
Oft und gerne fragen wir bei einer Tätigkeit nach ihrem Sinn, danach, was
uns die Ausübung des einen oder anderen bringen mag, gerade so, als läge einem bestimmten Tun schon ein bestimmter Sinn zugrunde. Dabei verwechseln wir jedoch häufig den Sinn mit dem Zweck einer Tätigkeit, verwechseln die Kausalität mit dem Nutzen, den Sinngrund einer Handlung mit ihrem Ziel, zum Vorteil
des jeweils Handelnden, der den Sinn darin sucht, etwa mehr Erfolg, mehr Geld oder mehr Ansehen zu haben. Dazu meinte jedoch der britische Schauspieler, Regisseur und Autor Sir Peter Ustinov ziemlich treffend: „Der Sinn des Lebens ist etwas, das keiner genau weiß. Jedenfalls hat es wenig Sinn, der reichste Mann auf
dem Friedhof zu sein.“
Sinn machen
So gesehen, müssen wir uns darum eher fragen, was Sinn macht, als danach, was Sinn hat. Nur, wie lässt sich diese äußerst delikate Frage befriedigend beantworten, wenn wir uns grundsätzlich doch fragen, was der Sinn überhaupt ist? Mit anderen Worten: Können wir Sinn erzeugen,
ohne zu wissen, nach welchem Vorbild wir das tun sollen? Und landen
wir damit nicht wieder bei der bereits oben erwähnten Rube-Goldberg-
Maschine, die ja zu demselben Ergebnis kommt, wie die vermeintlich einfachere qua sinnvollere Methode?
Sinn geben
Dennoch kann der Mensch im Großen und Ganzen nichts fühlen, denken oder tun, das nicht irgendwie sinnvoll wäre, und sei es nur in seiner höchsteigenen und persönlichen Vorstellung. Zum Beispiel kann man unsterblich verliebt sein, ohne eine Aussicht auf Erfüllung zu haben, das Gefühl aber trotzdem als sinnvoll erachten, weil es echt und tiefgreifend ist, um nicht zu sagen, sinnstiftend
für den Liebenden selbst. Ähnliches gilt beim Denken und Handeln, das
man aus Überzeugung vollzieht, das heißt im Erkennen eines Sinns, welcher dem persönlichen Gedanken bzw. der persönlichen Handlung
zwar nicht unbedingt innewohnt, aber vom Denkenden bzw. Handelnden
dem-/derselben verliehen wird. So kann etwa eine objektiv schlechte Idee zu einem subjektiven Leitgedanken für jemanden werden, oder ein objektiv als stumpfsinnig angesehenes Tun zu einer absolut befriedigenden Beschäftigung für
den Einzelnen werden. Der Sinn liegt demnach also nicht in den Dingen, sondern wird jeweils dort platziert. Nur so ist es möglich, dass etwas vom einen als sinnvoll angesehen wird, während es ein anderer als vollkommen sinnlos abtut.
Sinn bekommen Nun haben die Dinge aber einen Sinn für uns, aus dem einen oder anderen Grund; wir fühlen, denken und handeln, weil wir damit etwas Wesentliches verbinden, das uns als sinnvoll erscheint. Das kann eine kleine, aber
nicht unbedeutende Geste sein, die den Unterschied zwischen dem Ende und dem Fortgang eines Konflikts ausmacht, wie ein großer und alles verändernder Akt, der über Generationen und Kontinente hinweg wirkt. In beiden Fällen entscheidet
allerdings das schlussendliche Ergebnis über die Sinnhaftigkeit einer jeden Tat. Erst ein positiver, meistens messbarer Ausgang lässt den Sinn einer Handlung, wie klein oder groß sie auch sei, erkennen. Insofern bekommen unsere Gefühle, Gedanken und Handlungen einen Sinn im Umkehrschluss, den wir uns allerdings
bereits zu Anfang als Ziel allen unseren Tuns unterstellen, wodurch der
Sinn gestiftet wird, ohne sich jedoch schon bestätigt zu haben. Frei nach
dem geflügelten Wort: „Der Sinn des Lebens ergibt sich aus unserem Tun.“
Sinnvoll, sinnlos
Insofern hat wohl alles und nichts, jeder und keiner einen höheren Sinn, sprich eine tiefere Bedeutung für uns. Es hängt nur davon ab, was, oder vielleicht auch wen, wir als sinnvoll erachten. Das ist aber alles andere
als eine befreiende Vorstellung, sondern bringt eine große und nicht einfach
abzuweisende Verantwortung mit sich. Der Sinn in und von allem ist nämlich kein fest umrissener und unwandelbarer Wert, wie man ihn sich vielleicht aus reiner Bequemlichkeit, Denkfaulheit und manchmal auch Feigheit wünscht, sondern
ist ein von jedem, über jedes, immer und überall zu treffendes Urteil, welches
nicht kurzsichtig, unbedacht oder bar allen Verstandes sowie Gefühls gefällt werden darf. Ansonsten herrscht bald blinde, zügellose Willkür, absolute Planlosigkeit und letzten Endes: die Sinnlosigkeit. Aber welcher nur im Geringsten fühlende, denkende und handelnde Mensch würde das wollen, suchen wir doch
in allem, das wir tun, uns überlegen und in uns spüren den Sinn des Lebens
im Besonderen und den Sinn des Ganzen im Allgemeinen. Oder
wie hat der chinesische Philosoph und Begründer des Taoismus, Laotse, gesagt: „Ist der Sinn verloren, dann das Leben.“
Martin Kolozs
Chefredakteur