Überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen
Es liegt uns heute in der griechischen Übersetzung vor, eine Rückübersetzung in Jesu Muttersprache ist nicht möglich. Für uns heute stellt sich die Frage: Welche Absicht verfolgen die Evangelisten und welche Erinnerung an Jesus verbinden sie damit?
Da hilft uns der Kontext des Gebetes weiter. Er lenkt den Blick auf Jesu Gebetspraxis, aus der wir lernen sollten. „So sollt ihr beten!“ Denn mit der Frömmigkeitspraxis seiner Zeitgenossen war er nicht recht zufrieden: Wenn ihr Almosen gebt, dann posaunt es nicht groß hinaus! Motto: Tue Gutes und rede darüber. Wenn ihr fastet, dann macht kein finsteres Gesicht, damit das alle merken, und wenn ihr betet, dann plappert nicht endlos daher, denn Gott weiß ohnehin, was ihr braucht. Damit ist klar: Nicht die Quantität des Betens, das Plappern wie die Heiden, ist ausschlaggebend, sondern das Vertrauen an eine umfassende Geborgenheit in Gott, „dem Vater“.
Denn das ist das Hervorstechende: Die Anrede mit Vater/Abba, und der Zusatz bei Matthäus: Im Himmel. Nicht irgendein irdischer „Vater“, der vielleicht gern so angesprochen werden möchte, nein, „der im Himmel ist.“ Dort muss ein guter Vater wohnen, der um unsere Sorgen und Nöte weiß.
Und das Bild ist keine dogmatische Formel, sondern aus dem Leben gegriffen. Ein guter Vater heute macht sich Sorgen um seine Kinder und Enkelkinder. Dass es ihnen einmal gut gehe, sie materiell und finanziell gesichert sind, dass es ihnen gelingen möge, gute und bleibende Beziehungen aufzubauen, wofür die Bereitschaft zu Nachsicht und Vergebung Voraussetzung ist, dass sie nicht in schlechte Gesellschaft geraten und den Verlockungen der Welt nicht erliegen. Schließlich: dass ihnen nichts Böses zustößt. Ein schlechter Vater ist der, dem das alles „wurscht“ ist.
Ernest Theußl, Obmann KMB Steiermark