Vom Fastenbier zum Alltagsgetränk
Vor etwa 10.000 Jahren, als die Menschen lernten, Getreide anzubauen, und somit einen wichtigen Teil ihrer Nahrung an Ort und Stelle erzeugen konnten, seit etwa dieser Zeit also, dürfte es Bier geben – Bier in seiner ursprünglichsten Form, definiert als Getränk aus vergorenem Getreide. Gekeimtes Getreide wurde gemahlen, mit Wasser vermischt, und um dem Ganzen Geschmack zu verleihen, wurden Kräuter zugesetzt, die in der Region vorzufinden waren. In der Natur vorkommende wilde Hefen versetzten den gewürzten Getreideauszug in Gärung und erzeugten aus Malzzucker Alkohol. Etwa ab dem 10. Jahrhundert kam der Hopfen zum Bier, da die Brauer herausfanden, dass gehopftes Bier etwas länger haltbar war. Gebraut haben in dieser Zeit hauptsächlich Frauen, am eigenen Herd zu Hause, und Bier dürfte unter anderem auch deshalb so begehrt gewesen sein, da es gekocht wurde und somit viele Krankheitserreger unschädlich gemacht wurden. – Wasser allein war ja insbesondere in größeren Ortschaften und Städten aufgrund der fehlenden Kanalisation oft ungenießbar.
Klösterliche Braukunst
Gerade auch in Klöstern hat sich eine Brautradition entwickelt; nicht nur für den Eigenbedarf wurde Bier gebraut, sondern auch um Pilger auf ihren Reisen zu versorgen, oder Kranke mit nahrhafter Kost zu stärken. Und gerade diese nahrhaften Eigenschaften eines gut gebrauten Bieres (nicht umsonst spricht man auch vom flüssigen Brot) dürften dazu geführt haben, dass in Fastenzeiten stärkere Biere gebraut wurden, um einen Teil der festen Nahrung durch Bier zu ersetzen, denn: Flüssiges bricht das Fasten nicht! Diese Tradition gibt es auch noch heute, mit dem Weihnachts- oder auch Osterbock. Da schon sehr bald erkannt wurde, wie wertvoll Bier war – es wurde unter anderem bereits im antiken Persien zur Besoldung verwendet – wurde auch schnell versucht, die Qualität von Bier zu definieren und Regelungen fürs Brauen und den Bierverkauf aufzustellen. Am bekanntesten ist uns das bayerische Reinheitsgebot aus 1516, das aber seinen Ursprung nicht nur in der festgeschriebenen Bierqualität begründet findet, sondern auch Steuer- und Braurechte berührt, und somit auch handfeste wirtschaftliche Hintergründe hatte.
Technische Verbesserungen
Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein, beruhte die Kunst des Brauens vor allen Dingen auf Erfahrung und der möglichst genauen Einhaltung von überlieferten Rezepturen. Erst mit dem Nachweis, dass Vom Fastenbier zum Alltagsgetränk Hefe für die alkoholische Gärung verantwortlich ist, erst mit der gezielten Vermehrung von Hefen mit guten Gär- und Geschmackseigenschaften und nicht zu vergessen mit der Entwicklung der ersten Kälteanlagen durch Carl Linde, wurde es möglich, besseren Einfluss auf den Gärverlauf und somit auf den Geschmack des fertigen Biers zu haben. Bier hat sich in den vergangenen 10.000 Jahren in Geschmack und Wertigkeit immer wieder verändert, und auch in den letzten Jahren erfährt es in der Wahrnehmung des Biertrinkers wieder einen Wandel: Es wird vom Alltagsgetränk wiederum zur Spezialität.
Reinhard Bayer
Braumeister von Stift Schlägl