Gesund arbeiten - ein Widerspruch?
Auf EU-Ebene wird immer wieder über Arbeiten bis 70 diskutiert. Hierzulande ist das gesetzliche Pensionsantrittsalter derzeit bei 65 für Männer und 60 für Frauen. Es gehen aber tatsächlich Frauen im Schnitt schon mit 59,1 Jahren in Pension, Männer mit 61,3 Jahren. Bei einem Blick auf aktuell Kursangebote des AMS für ältere Personen fällt auf, dass hier als Altersgrenze inzwischen 45 Jahre gehandelt wird, ab dem es für Personen sehr schwierig wird, bei Verlust des Arbeitsplatzes einen neuen zu finden. Besonders dann, wenn eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorliegt.
Die Frage ist also: Was können Unternehmen dazu beitragen, dass ältere Arbeitnehmer gesund bleiben und die erforderlichen Leistungen bis zum Pensionsantrittsalter erbringen können?
Würde fördert Gesundheit
Gesundheitsförderung ist, wie auch diese Beispiele deutlich zeigen, viel mehr als ab und zu den Blutdruck zu messen, einen Apfel auf den Arbeitsplatz zu legen oder ein Eisstockschießen zu organisieren: Ein wichtiges Handlungsfeld ist sicher der Schichtbetrieb und die gemeinsame Suche nach innovativen Arbeitszeitmodellen und Dienstplanungen. Die Fähigkeit, Erholungsdefizite nach langen Arbeitstagen, häufigen Einspringdiensten oder Nachtdiensten wegzustecken, kann im Alter abnehmen. Weitere zentrale Handlungsfelder sind der gegenseitige Umgang, die Gestaltung der Kommunikations- und Führungskultur. In vielen Umfragen werden diese Bereiche oft als erstes genannt, wenn es um die Frage geht, wie ein motiviertes Arbeiten bis zur Pension unterstützt werden kann. Ältere Mitarbeiter haben oft den Wunsch nach Würdigung von Person und bisherigen wie heutigen Leistungen – ein Weg kann sein, sie verstärkt mit Projektverantwortlichkeit auszustatten, damit ergibt sich Abwechslung oder Mischarbeit im Berufsalltag bzw. kann so erworbene Erfahrung gewürdigt werden
Andere Werte ab 45
Studien zeigen, dass sich ein größerer Teil "älterer" MitarbeiterInnen stärker einem Unternehmen / einer Institution verbunden fühlen. Gleichzeitig gibt es einen deutlichen Rückgang "klassischer" Lebensarbeitsverläufe: Die Zahl jener, die verschiedene berufliche Stationen, teils auch aus sehr unterschiedlichen Feldern durchlaufen, ist deutlich im Steigen. Einige Analysen weisen darauf hin, dass Faktoren wie Bezahlung, Karrierefortschritt oder Wettbewerb am Arbeitsplatz für Männer ab 45 an Bedeutung verlieren und dafür der Wunsch nach stabilen sozialen Beziehungen steigt bzw. nach unabhängigen Arbeiten. Als "Wert" kommt zudem der Wunsch dazu, Wissen an andere weiter zu geben.
Gleichzeitig kennt jede/r von uns Menschen über 45, bei denen "alles ganz anders" oder "nicht altersgemäß" ist. Es steht außer Zweifel dass ab einem Alter von 45 sich mit höherer Wahrscheinlichkeit Fragen stellen wie "War das schon alles in meinen Leben", oder "Was ist mir jetzt noch wichtig"? Dazu kommt vielleicht eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Fakt der eigenen Endlichkeit und daraus folgend eine andere Herangehensweise an Arbeitstempo, soziale Interaktionen oder auch Maßnahmen zur Gesundheitsprävention. Allerdings werden sich sicher auch Menschen über 65 oder 75 finden, denen diese Fragen unwichtig sind und die bei alten Gewohnheiten und Herangehensweisen bleiben, oder sogar "Geschwindigkeit" in vielen Lebensfeldern noch intensivieren, etwas ganz neu beginnen, was eigentlich deutlich jüngeren Menschen als "normal" zugeschrieben wird.
Altersgemischte Teams für Wissensaustausch
Weitere wichtige Maßnahmen in einem Unternehmen für umfassende Gesundheitsförderung sind daher u. a.: Arbeitszeiten so flexibel wie möglich gestalten inkl. aller Formen der Altersteilzeit, von Bildungskarenz & Sabbaticals usw. Von steigender Bedeutzung sind fexible Karrieremodelle– also z. B. auch ohne wachsende Führungsverantwortung „Karriere“ machen und für verschiedene Felder ein individuelles Maß an (Mit)Verantwortung übernehmen, das auch entsprechend honoriert wird. In immer mehr Unternehmen wird das Prinzip altersgemischter Teams umgesetzt – hier profitieren alle Beteiligten. Ebenso von Mentoring, also Sicherstellung von Wissenstransfer, wobei dies auch heißen kann, dass „jüngere“ für „ältere“ MitarbeiterInnen solche Rollen übernehmen. Ebenso gibt es Ansätze – wenn auch noch sehr ausbaufähig – der Nutzung des Wissens und der Erfahrung von Menschen, die bereits im Ruhestand sind.
Ein wesentliches Element sind zudem Bildungsmaßnahmen, die dabei unterstützen „alt“ werden und sein aus neuen Perspektiven wahrzunehmen: Viele Menschen – gerade auch Männer - haben den Eindruck, „alt werden und sein“, würde eine Art Rückzug und zwar aus allen Lebensbereichen bedeuten, eine sehr starke Reduzierung von Aktivitäten – und von Handlungsmöglichkeiten. Dazu kommt der „Glaubenssatz“ „Sei zufrieden mit dem, was Du hast...“, der oft eng mit entsprechenden Lebenserfahrungen zusammenhängt und das Nachdenken zu oder mehr noch Formulieren von Visionen und Wünschen zumindest behindert. Ein Aspekt ist dabei die „Endlich Pause / Feierabend / Wochenende / Ferien / Pension – Mentalität“.
Keine Frage, Freizeit macht viel Spaß und hat eine sehr hohe Bedeutung für unser Leben. Gleichzeitig gibt es Möglichkeiten, auch Arbeitsleben so (mit) zu gestalten, dass es dort Phasen gibt, die sehr erfüllend sind, Erfolge durch eigenes Handeln spürbar machen, sinnstiftend sind, Spaß machen, freundschaftliche Netzwerke oder solche der gegenseitigen Unterstützung fördern...
Was DU selbst tun kannst
- Im Unternehmen nachfragen, welche Angebote es zu betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) gibt und diese nutzen.
- Wenn es noch keine BGF-Projekte gibt: sich KollegInnen anschließen, die solche gerade aufbauen oder auch der erste sein, der hier konkrete Schritte setzt
- Sich die Frage stellen: Was macht mir am Arbeitsplatz Freude, wie kann ich hier auch Felder (neu) entdecken, in denen ich mich mit möglichst vielen Aspekten meiner Persönlichkeit einbringen kann? Und natürlich dann etwas davon umsetzen.
- Was sind Deine Kraftquellen, was tut Dir gut: In der Arbeit und außerhalb?
- Einen kritischen Blick auf angesammelte Überstunden & Urlaub werfen oder auch mal über Bildungskarenz, Sabatical, Altersteilzeit… nachdenken
- Rückmeldungen des Körpers nicht ignorieren und auch medizinische Unterstützung annehmen.
Betriebliche Gesundheitsförderung
Bei diesem Konzept geht es um Maßnahmen, die im besten Fall dafür sorgen, dass Menschen gar nicht erst krank werden. Leider gibt es viele Unternehmen, die nur unregelmäßige Aktionstagen umsetzen, anstatt eine langfristige Strategie zu entwickeln, bei der auch MitarbeiterInnen mitwirken. Dass es auch anders geht zeigt z. B. das seit 2015 laufende Projekt men@work (http://gesundheitsalzburg.at/partnerseite/menwork), dabei gibt es in Klein- und Mittelunternehmen spezielle Angebote zu Ernährung, Bewegung und Lebenskompetenz speziell für Männer, u. a. auch rund um das wichtige Feld der Vereinbarkeit der Rolle als Vater und beruflicher Tätigkeit. Das Gesundheitszentrum MEN in Wien veröffentlichte ein Handbuch zu Erfahrungen für männerspezifische Gesundheitsförderungsförderung für Mitarbeitern im Niedriglohnbereich in Krankenhäusern http://www.men-center.at/typo2013/typo3/?file:327. Weiters bietet MEN Unternehmen Beratung und Begleitung bei der Entwicklung und Umsetzung ähnlicher Projekte an sowie Beratung für Männer und Burschen.
Andere Beispiele, etwa auch für das Feld betriebliche Gesundheitsförderung mit Migranten listet ein „Green Paper“ der Männerberatung Steiermark auf http://vmg-steiermark.at/sites/maennerberatung.mur.at/files/forschungdownloads/maennergesundheit_steiermark_2013.pdf.
Mag. Christian F. Freisleben. Der Autor ist freier Journalist und lebt in Linz.