Großväter und Enkelkinder
Sie sind anhänglich. Sie kommen immer wieder und bleiben gern. Wir freuen uns, wenn sie kommen und sind froh, wenn sie wieder gehen, denn sie fordern uns, manchmal bis zur Grenze unserer Belastbarkeit.
Unsere Enkel wissen vieles nicht, was uns selbstverständlich ist. Weil sie neugierig sind und uns Fragen stellen, lernen sie von uns. Sie bewundern uns, was wir alles wissen und können.
Und wir lernen von ihnen. In vielen Bereichen sind sie unsere Lehrmeister. Das ist neu. Das war in früherer Zeit nicht so. Sie erklären uns das Handy. Sie helfen uns weiter, wenn wir am Computer scheitern und an uns selbst zu zweifeln beginnen. Den technischen Fortschritt saugen sie mit der Muttermilch auf. Sie sind auf dem Laufenden und sind begeistert, wenn wieder eine neue Errungenschaft auf den Markt kommt. Uns hingegen macht dieses Tempo Angst. Wir kommen technisch außer Atem.
„Der Sohn ist älter als der Vater". Dieser Satz klingt paradox, aber er ist wahr.
„Der Enkelsohn ist um vieles älter als der Großvater", darf man daher folgern.
Unseren Enkelkindern steht alles Wissen zur Verfügung, das uns, ihren Vorfahren, zugänglich war, und es kommt die Fülle an Neuem dazu, das auf sie einströmt und ihnen zu schaffen macht. „Ich möchte nicht in der Haut der Jungen stecken, ich möchte nicht mit ihnen tauschen", diesen Satz habe ich schon oft gehört und selbst auch gelegentlich gedacht.
Großvaters Reparaturservice
„Opa, du bist unser Herrichter", ein großes Kompliment, wenn es mir gelingt, kaputt Gemachtes wieder instand zu setzen. Das Reparieren ist unsere Stärke. Damit bürsten wir der Wegwerfmentalität der Jungen gegen den Strich. Vieles von dem, was heute neu auf den Markt kommt, kann gar nicht repariert werden. Es ist irreparabel. Das Instandsetzen des Alten hemmt das Wirtschaftswachstum. Der Herrichter ist ein Störenfried des Fortschritts.
Ich bin sehr froh, dass wir Enkelkinder haben, sieben an der Zahl: ein Mädchen und sechs Buben. Die Enkeltochter wird heuer 23 Jahre alt; sie war die Erste in der großen Schar und wird von ihren sechs Kusins umschwärmt. Sie kommt immer noch gern zu uns. Wir sind ihr wichtig.
Opa, der Bastler
Vor mehr als 20 Jahren habe ich für sie als Weihnachtsgeschenk ein wunderschönes Schaukelpferd gemacht, aus Lärchenholz! Es ist unverwüstlich, ein Spielzeug für die Ewigkeit.
Den sechs Enkelbuben ist es nicht gelungen, es zu Schanden zu reiten.
Nie vorher und nie mehr danach habe ich mich so auf Weihnachten gefreut wie im Jahre 1994. Ich glaube, das Schaukelpferd war, verglichen mit dem Bausparvertrag, den wir ihr gewidmet haben, das größere Geschenk.
Die Buben brauchten, als sie ins rauflustige Alter kamen, Waffen.
Jeder musste ein Schwert haben, später auch eine Pistole. Beides aus Holz und noch immer in Verwendung. Wenn die Kämpfe sehr hitzig werden und die Waffen Schaden nehmen, kommen sie in meine Werkstatt und werden wieder gerichtet. Holzleim hilft immer.
Meine Tochter hat zunächst heftig protestiert und mit mir geschimpft. Inzwischen wurde das Waffenarsenal mit Plastikprodukten aufgestockt und meine Tochter weiß heute. Es geht nicht ohne.
Zeit schenken
Meine Frau, die heiß geliebte Oma unserer Enkelkinder, zerbricht sich Jahr für Jahr den Kopf, was wir den Enkeln Sinnvolles schenken könnten. Meist sind es Sachen, die sie brauchen.
Besonders gefragt sind von den sechs Enkelbuben aber andere Geschenke:
Eine Auszeit mit Oma und Opa (und ohne die Eltern!).
Auf diese Tage oder Wochen freuen sie sie sich ungemein, und von diesen Abenteuern schwärmen sie noch lange und nachhaltig.
Die Bilder erzählen davon:
Mit sechs Buben eine Radltour, der Kleinste noch auf dem Tandem.
Zwei Zehnjährige beim Gipfelkreuz des Schafberges nach einem kraftraubenden Anstieg.
Unsere sechs Buben am Rubenerteich beim Tanner Moor.
Die Bubenschar im Zug nach Passau und dann mit dem Schiff retour.
In einer Badewanne haben viele Buben Platz. Und für die Oma gibt es nichts Beglückenderes als die müden und hungrigen Buben rund um den Tisch.
Der libanesisch-amerikanische Philosoph und Schriftsteller Khalil Gibran lässt in seinem Buch „Der Prophet" diesem sagen:
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch.
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
denn ihre Seelen wohnen im Haus der Zukunft, das ihr nicht besuchen könnt,
nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht,
sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Was Gibran hier den Eltern ans Herz legt, gilt auch für uns Großeltern.
Wir dürfen unsere Enkel ein Stück des Weges begleiten.
Freuen wir uns an ihnen: an ihrem Wachsen und Gedeihen, an ihrer Lebendigkeit, an ihrer Fröhlichkeit. Freuen wir uns, wenn sie flügge werden. In ihre Zukunft können wir ihnen nicht folgen.
Autor: Erwin Hölzl, Bezirksschulinspektor in Ruhe, ehemaliger KMB-Sekretär