Basiswissen Reformation
Reformation: Beginn, Gegenspieler und wichtigste Thesen
Die Bischöfe ignorierten dieses Schreiben weitgehend. Auf Flugzetteln, die Freunde anfertigten, verbreitete es sich allerdings in Windeseile durch ganz Deutschland. Es begann mit dem Ablasshandel, „eine der überflüssigsten Debatten in der Geschichte der Christenheit“, wie es der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch Mitte Juni des heurigen Jahres formulierte. Die Herkunfts- und Wirkungsgeschichte zeigt aber, dass sie so überflüssig nicht gewesen sein kann, es sei denn, man ist der Ansicht, außer Spesen wäre nichts gewesen.
Zeit der Reformen
Das Schlagwort „reformatio in capite et membris – Reform an Haupt und Gliedern“ war schon das ganze 15. Jahrhundert auf der Tagesordnung. Die Kritik an der Herrschaftsform der Kirche begann Gestalt anzunehmen. Namen wie John Wicliff (England), Johannes Hus (Böhmen) oder Girolamo Savonarola (Italien) stehen für sich. Das Schlagwort von der armen Kirche wollte die Welt nicht mehr verlassen. Schließlich ist sogar das V. Laterankonzil (1512-1517) unter diesem Anspruch einberufen worden.
Die verschwenderische und protzige Hofhaltung der Päpste war die Zielscheibe Nummer Eins: „Es ist greulich und schrecklich anzusehen, dass der Oberste in der Christenheit (...) so weltlich und prächtig fährt“ schreibt Luther 1520 und kritisiert die vielen raffinierten Methoden des Klerus, um zu Geld zu kommen. Das war die eine Seite der Kritik.
Kritik an falscher Glaubensauffassung
Die andere zielte auf die theologischen Grundlagen, in denen die Gläubigen unterwiesen wurden, um ihnen guten Gewissens das Geld herauszulocken. Der propagandistische Höhepunkt war der Ablasshandel, der für den Bau des neuen Petersdoms durchgeführt wurde. „Es irren die Ablasskommissäre, die da sagen, dass der Ablass des Papstes den Menschen von jeder Strafe erlöse und errette“ heißt in These 21, und „man muss sich sehr vor denen hüten, welche sagen, der Ablass des Papstes sei jenes unschätzbare Geschenk Gottes, durch welches der Mensch mit Gott versöhnt werde“. (These 33) Im Brief an den Erzbischof von Mainz beklagt sich Luther über „die falsche Auffassung, die das arme, einfältige, grobe Volk daraus entnimmt“.
So war nicht nur die Praxis zu reformieren, sondern auch die ihr zu Grunde liegende Lehre.
Ernest Theussl. Der Autor ist Vorsitzender der KMB Steiermark.