„… und unsre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens“ (Lk 1,79b)
Im Benedictus, dem Hymnus der Laudes, dem kirchlichen Morgengebet, sprechen oder singen wir Folgendes:
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsre Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens.
Im Hinblick auf das Jahresthema der KMB „Friede und Versöhnung“ hat sich für mich dieses Benedictus in letzter Zeit wieder ganz neu erschlossen. Und es gibt wohl wenige Texte in dieser Kürze und verdichteten Bildsprache, die so gut zum Ausdruck bringen, was wir zu Weihnachten ersehnen und feiern.
Die Menschwerdung Gottes in Jesus führt uns also auf die Spur des Friedens. Gerade vor und zu Weihnachten ist unsere menschliche Sehnsucht nach Friede und Heilsein immer besonders stark spürbar. Und umso schmerzlicher empfinden wir Menschen es, wenn Friede und Versöhnung nicht gelingt oder möglich ist – auf der großen Bühne von (Welt-)Politik und Gesellschaft, aber auch genauso in unseren Familien und zwischenmenschlichen Beziehungen.
Eine wesentliche Grundlage für Friede und Versöhnung ist die Bereitschaft und Fähigkeit zur Empathie. Empathie heißt: mich berührt das Leid des/r anderen und das Berührt- und Bewegtsein führt mich in ein Gefühl und eine Erfahrung von Verbundenheit. Und sie bringt mich ins Handeln, ins Tun.
Wir sehen das bei Jesus immer und immer wieder, wie er auf Menschen, die in einer äußeren und inneren Not sind, zugeht. Wie er ihnen wieder ein An-Sehen gibt. Wie er diese Menschen wieder zurück in die Gemeinschaft bringt, wie er ihnen wieder die Zugehörigkeit zur Gesellschaft zuspricht, sie in die Mitte holt – auch die Schuldig-Gewordenen und Sünder (Ehebrecherin, Joh 8,1-11). Ein Gegengewicht zur Scham ist das Zusprechen von Würde. Stärke können Sünder und Täter erst dann wieder entwickeln, wenn sie wieder zum Teil des Sozialen werden (Zachäus).
Kultur der Empathie
Empathie ist eine mystische und spirituelle Kategorie. Zugleich ist es eine politische Kategorie. Es geht – gerade auch in unserer Zeit – wieder vermehrt um eine Stärkung der Kultur der Empathie – gegen die Haltung und Meinung von so manchen Tech-Milliardären, die die Empathie als ein „Übel“ bezeichnen, weil sie die Menschen scheinbar von Fortschritt und Entwicklung abhält.
Ein weiterer wichtiger „Baustein“ zum Schaffen von Frieden ist die Bereitschaft zu Vergebung und Versöhnung. Die Philosophin Hannah Arendt sagt einmal. "Wenn wir vergeben, wird nichts mehr so sein, wie es war. Wer vergibt, ist danach ein Anderer und wer um Vergebung bittet, ebenfalls."
Gerade auch in unserer heutigen Zeit spüren wir viel Unfrieden und Unversöhntheit, es gibt viele Spannungen und Polarisierungen in unserer Gesellschaft und in der Welt. Gegen Tendenzen des Auseinandertriftens und des Trennens gilt es wieder vermehrt und gezielt auf das Verbindende zu schauen und uns für Zusammengehörigkeit und Zusammenhalt einzusetzen.
Da ist jede/r einzelne gefragt. Ja, es geht darum, Gemeinschaft und Verbundenheit zu leben und zu erleben. Wir alle können etwas zu einer Kultur der Empathie, Wertschätzung und des gegenseitigen Vertrauens beitragen, zu einer Kultur der Vergebung und der Versöhnung.
„Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt das, was wir befürchten, bestimmt.“
Dieser Spruch stammt vom Philosophen Ernst Bloch. Hoffnungsvoll ins Leben und in die Welt zu schauen ist eine Grundhaltung, die uns als Christen in besonderer Weise „ins Stammbuch“ geschrieben ist. Eine grundlegende Haltung von Hoffnung und Zuversicht fällt uns aber – gerade auch angesichts der aktuellen Weltlage - nicht immer leicht oder so einfach in den Schoß.
Wir müssen uns vielmehr täglich daran abarbeiten. Aber wir haben die Freiheit, uns dafür zu entscheiden, welche innere Haltung wir zu den Dingen und Umständen einnehmen. Unser christlicher Glaube sagt uns, dass es über unser Bemühen und Tun hinaus auch noch einen Raum von Gnade und göttlicher Wirkkraft gibt, in den wir uns stellen können.
Wenn wir die biblischen Weihnachtserzählungen genau betrachten, ist die Botschaft von Menschwerdung, Heilsein und Frieden in eine eigentlich sehr „unheile“ Welt hineingesetzt. Die biblische Erzählung von der Geburt des Gottessohnes hat so gar nicht zu tun mit einer romantisch-friedlichen Idylle, sondern die „Rahmenbedingungen“ für die Heilsgeschichte bestehen vielmehr aus Nicht-Aufgenommen-werden, Armut, Unsicherheit, Heimatlosigkeit, Bedrohung, Flucht.
Überbringer lebensfreundlicher Botschaften
In den Weihnachterzählungen der Bibel sind es die Engel, die zuerst einmal die Angst nehmen, den Frieden verkünden und lebensfreundliche Botschaften überbringen. So verstehe ich die biblische Rede von den Engeln: wir alle können Überbringer/-in von lebensdienlichen und lebensfreundlichen Botschaften sein.
In einem Kirchenlied singen wir: „Du bist der Gott, der Zukunft mir/uns verheißt.“ Gerade auch die Botschaft von der Menschwerdung Gottes in der Welt will uns Zuversicht und Hoffnung für eine gute Zukunft geben - und in ein Wirksam-werden führen für den Gemeinsinn und das Gemeinwohl in unserer Gesellschaft.
So möge die Botschaft von der Menschwerdung Gottes - immer wieder und immer von Neuem! – unsere Schritte lenken auf den Weg des Friedens!
Wolfgang Bögl, theologischer Assistent der KMB OÖ
