Impulse zum Ostermontag
Wir hören von zwei Jüngern Jesu, einer davon mit Namen Kleopas. Was sie machen, ist beileibe kein Osterspaziergang. Vielmehr erweckt es den Anschein, als wären sie auf der Flucht, als laufen sie vor ihrer eigenen Lebensgeschichte davon. Sie stehen vor den Trümmern ihrer Hoffnungen. Ihr Freund und Begleiter und Lehrer, Jesus von Nazareth, ist nur mehr eine Erinnerung. Große Traurigkeit und Enttäuschung sind da aus ihren Worten herauszuhören. So überaus radikal ist es gekommen, das Ende dieser wunderbaren Hoffnungsgeschichte mit Jesus. Mit dem Tod Jesu scheint zunächst auch in den Jüngern etwas gestorben zu sein.
In der Nähe Jesu wieder aufblühen
Es hatte doch wirklich alles so verheißungsvoll begonnen: die Gemeinde um Jesus war aufgeblüht, die Verheißungen der Propheten haben sich zu erfüllen begonnen. Dort, wo Jesus aufgetreten ist, da sind die Dämonen der Gewalt und Rivalität gewichen, die sich ja so furchtbar in körperlichen und seelischen Krankheiten austoben können. In der Nähe Jesu haben die Menschen wieder aufatmen können, wenn sie unter der Last von Schuld und Leid gelitten haben. Die Menschen, die Jesus nachgefolgt sind, haben gelernt zu vergeben.
Ausgestoßene und Verachtete haben wieder ein neues Bewusstsein gelernt, sie haben durch Jesus erfahren, dass auch sie einen Wert und eine Würde haben. Dieses Wunder, das sich um ihn herum ausgebreitet hat, hat Jesus als das Kommen des Reiches Gottes gedeutet. Gerade dafür ist er schließlich umgebracht worden.
So ist mit dem Tod Jesu zunächst auch in den Jüngern etwas gestorben. Es kommt zu einer verständlichen Reaktion: nur weg aus Jerusalem, weg von dem Ort, an dem die ganze Hoffnung zerbrochen ist!
Innehalten:
Habe ich in meinem Leben auch schon einmal erlebt, dass ich vor den Trümmern einer großen Hoffnung gestanden bin?
Erinnere ich mich an Menschen, in deren Nähe ich wieder aufblühen konnte?
Wieder in Bewegung kommen
Zwei von den Jüngern Jesu setzen sich in Bewegung - wie uns erzählt wird - und zwar in Richtung Emmaus. Vielleicht halten sie es nicht mehr aus und sie müssen sich den Frust von der Seele laufen. Im Miteinander-Reden wollen sie sich Befreiung und Erleichterung verschaffen.
Dann - unerwartet und zunächst auch unerkannt - kommt ER, als Fremder. Sie erzählen von ihrer Trauer und von ihren enttäuschten Hoffnungen und er hört zu. Zuerst hört er einfach zu, lässt sich die ganze Geschichte erzählen. Und dann spricht er: ganz behutsam setzt er die Bruchstücke aus ihrem Leben wieder zusammen. Er hat keine neue Botschaft für sie, kein neues Evangelium, das sie nicht kennen könnten. Aber er findet in allem einen roten Faden, nennt den Sinn und deutet ihn für sie: „Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“
Hier kommen wir schon zu einer ganz wichtigen Aussage dieser Bibelstelle: Osterglauben ist nur da, wo man das Leiden nicht verdrängt. Es fällt nämlich schon auf, wie sehr das Leiden des Gekreuzigten das Gesprächsthema ist. Ostern ereignet sich gerade nicht dort, wo man Leiden und Schmerzen hinter sich lässt oder verdrängt. Die Emmausjünger lassen ihren Schmerz zu, zeigen einander die Wunden, die sie durch den Tod Jesu erlitten haben (vgl. die Erzählung vom „ungläubigen“ Thomas). Sie sprechen von ihrer Not, ihrer Angst, ihrem Zweifel, ihrer Nacht.
Und indem sie das alles zulassen und einander anvertrauen und sogar einem Fremden anvertrauen, beginnt auf einmal ihr Herz zu brennen. Da wächst Vertrauen und der Wunsch nach Nähe: „Bleib doch bei uns, denn es wir bald Abend und der Tag hat sich schon geneigt.“
Innehalten:
Welche Situationen oder Begegnungen in meinem Leben fallen mir ein, die mich innerlich sehr angerührt und bewegt haben oder wo ich manches Erlebte in ganz neuem Licht sehen konnte?
Nicht festhalten können
Noch immer erkennen die Jünger ihn nicht, erst beim Brechen des Brotes gehen ihnen die Augen auf. Sie erkennen Jesus als den, der nicht gekommen ist, um zu herrschen, sondern um zu dienen und sein Leben für seine Sache einzusetzen.
Dann aber heißt es im Evangelium, dass sie ihn plötzlich nicht mehr sehen konnten. Erst jetzt, also erst im Nachhinein bemerken sie, wie ihnen schon beim Reden mit diesem Unbekannten das Herz gebrannt hat, als er ihnen den Sinn und die Bedeutung der Schrift erschlossen hat.
Als sie dann so beisammen sitzen beim gemeinsamen Essen und als dieser Fremde das Brot bricht, da erkennen sie ihn, und zwar als den Auferstandenen. Und im selben Augenblick, als sie ihn erkennen, sehen sie ihn nicht mehr.
Das ist ein Motiv, auf das wir in den Osterberichten öfter treffen: dass die Begegnung mit dem Auferstandenen, die Erfahrung der Auferstehung, etwas ist, was man nicht festhalten kann. Am Eindrücklichsten sehen wir das bei der Begegnung Maria Magdalenas mit dem Auferstandenen, als Jesus zu ihr sagt: „Halt mich nicht fest!“).
Aufbrechen und in Bewegung kommen
Es ist also etwas in diesen „österlichen“ Erfahrungen und Begegnungen, das die Menschen wieder in Bewegung bringt, das sie aufbrechen lässt mit der neuen Hoffnung und dem inneren Wissen, dass das Leben siegt. So heißt es auch gegen Ende der Emmauserzählung: „Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück.“
Auch das ist ein wunderbares Bild dafür, was der Auferstehungsglaube ist und bewirkt. Der Weg zurück nach Jerusalem ist der Weg zurück zur Gemeinschaft. Der Glaube an die Auferstehung führt die Menschen wieder zusammen - auf dass sie sich gegenseitig stärken und mit Hoffnung anstecken.
So wäre die Sache Jesu wohl auch verloren gewesen, wenn seine ersten Gemeinden nicht versucht hätten, das weiterzutragen und auch zu verwirklichen, was Jesus verkündet hat, wofür er gelebt und gewirkt hat. Der „Beweis“ für den Sinn seines Todes und das Zeugnis für seine Auferweckung liegt von nun an im Leben seiner Gemeinde. Das will uns der Evangelist Lukas mit dieser Geschichte sagen. Folglich steckt im Osterglauben auch der Auftrag, dass wir uns gegenseitig begleiten, damit wir unser Leben deuten lernen und damit wir ein hörendes Herz dafür bekommen, wo in unserem Leben Auferstehung passiert. Im Mittelpunkt dieser Emmausgeschichte steht nicht der zur Ruhe gekommene Mensch, nein, es ist der Mensch unterwegs, der Wanderer.
Innehalten:
Bin ich bereit, immer wieder aufzubrechen aus meinen (bisweilen auch vermeintlichen) Sicherheiten und mir das Leben immer wieder neu zu erwandern?
Wo ist mein Platz bzw. mein Ort, an dem ich meine Lebensaufgabe sehe? Wer sind die Menschen, zu denen bzw. mit denen ich gehen will?
Erfahrung von Auferstehung mitten im Alltag
Die Ostererfahrungen der ersten Zeugen wollen uns vielleicht zeigen, wo wir den Auferstandenen mit unseren eigenen Erfahrungen erreichen können. Maria Magdalena erscheint er am offenen Grab als einer, den man glatt mit dem Gärtner hätte verwechseln können. Nach der Emmauserzählung kommt er so schlicht wie ein Fremder, ein einfacher Mann am Wegesrand, der ein Stück mitgeht. Und er kommt so menschlich wie ein Gast, der ein Stück Brot bricht.
Der Auferstandene begegnet uns als Mensch im Alltag - gerade auch in Zeiten der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Und er spricht uns Mut und Hoffnung zu. Und er hilft uns dabei, das Leben zu deuten. Vielleicht braucht es da oft auch einen zweiten Blick, dass wir ihn erkennen.
Ein ganz besonderes Erkennungszeichen ist das Brotbrechen - in unserem Glauben verdichtet und zusammengefasst in der Feier der Eucharistie.
Das Brotbrechen ist ein österliches Zeichen, ein Zeichen für ein neues Leben aus dem Glauben an die Auferstehung heraus. Nach dem Brotbrechen beginnt der neue Weg, der Rück-Weg nach Jerusalem, zu dem Ort, wo sich das Leben verdichtet, wo Erlösung geschieht.
Oft beginnt der neue Weg lange vorher in unserem Inneren, ehe er nach außen sichtbar wird. Vielleicht kann uns das Osterfest ein wenig dazu Hilfe sein, dass wir auch vor unseren Mitmenschen diesen „neuen Menschen in uns“ zeigen können.
Innehalten:
Welche "lichten" Momente und Erfahrungen in meinem Leben fallen mir ein, wo so etwas wie eine Ahnung davon auftaucht, zu „welchem Glauben und zu welcher Hoffnung ich berufen bin“?
Hat sich mir manches erst im Nachhinein erschlossen?
Kenne ich solche Erfahrungen von Miteinander unterwegs sein, Erinnern, Anteil nehmen und Teilen, die mich zu einer besonderen Verbindung/Verbundenheit gebracht haben?
Was haben diese Erfahrungen in mir bewirkt? Wohin haben sie mich geführt?
Lieber Weggefährte, liebe Weggefährtin auf unserem Weg vom Palmsonntag bis Ostern!
Ich würde mich sehr über Ihre/Deine Rückmeldungen, Anmerkungen, Widersprüche oder Fragen zu meinen Impulsen freuen. Gerne trete ich darüber in einen Austausch!
Ich bin erreichbar unter folgender Mailadresse: wolfgang.boegl@dioezese-linz.at
Mag. Wolfgang Bögl, Theologischer Assistent der KMB Linz