„Heute besuche ich mich einmal selber. Mal sehen, ob ich zu Hause bin.“
Ich versuche im Folgenden einige „Anknüpfungen“.
Am 3. Adventsonntag feiern wir den sogen. „Gaudete“-Sonntag. „Gaudete“ ist ein lateinisches Wort und heißt „Freuet euch!“. In der Lesung aus dem Philipperbrief heißt es: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich euch: freuet euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Denn der Herr ist nahe.“ (Phil 4,4-5) Der Apostel Paulus erinnert uns also an die Freude, die aus dem Warten auf das Kommen Jesu entspringt.
Was ist das aber für eine Freude, deren Quelle unser Glaube ist oder sein kann? Was ist überhaupt Freude, Lebensfreude?
Nun ist ja Freude keine Tugend, also nicht etwas, was man machen oder leisten kann. Nein, die Freude die stellt sich vielmehr dann ein im Leben, wenn die wesentlichen Lebensbedingungen stimmen. Freude ist auch etwas anderes wie Spaß oder Vergnügen.
So sind wir an diesem Sonntag auch eingeladen und herausgefordert, darüber nachzudenken und dem nachzuspüren, was uns in unserem Innersten wirklich Freude bereitet, wann/wo wir eine wirklich echte Lebensfreude in uns spüren können.
Ein wesentlicher Aspekt bei der Freude ist auch die VOR-Freude. Wir alle kennen den Spruch: „Vorfreude ist die schönste Freude“. Die Vorfreude ist ja etwas, was wir in unserer Gesellschaft zunehmend zu verlieren scheinen, weil wir uns unsere Wünsche sehr oft recht schnell stillen und befriedigen wollen.
Die Vorfreude verlangt eine bestimmte Haltung, nämlich das WARTEN KÖNNEN.
Warten können heißt auch: in der Gegenwart sein können. Nicht sich flüchten in die Vergangenheit oder sich vertrösten in die Zukunft, sondern in dem sein, was hier und heute und jetzt gerade geschieht. Sonst kann es sehr leicht passieren, dass man etwas Wesentliches und Wichtiges womöglich gar nicht sieht.
Wo er nur bleibt?
Ich möchte dazu eine Geschichte erzählen. Diese Geschichte erzählt von einem Mann, der völlig aus dem „Häuschen“ ist, als er erfährt, dass Gott zu ihm in sein Haus kommen will. Plötzlich sieht dieser Mann sein Haus mit anderen Augen. „Unmöglich“, schreit er, „in diesem Haus kann ich keinen Gast empfangen. Alles ist verdreckt! Alles voller Gerümpel! Kein Platz zum Ausruhen!“
Da reißt dieser Mann Fenster und Türen auf. „Brüder, Schwestern, Freunde!“, ruft er, „helft mir aufräumen! Kommt und seid so gut, aber schnell, Gott kommt zu Besuch!“
Einer kommt ihm tatsächlich zu Hilfe. „Das schaffen wir nie!“, schnauft der Mann. „Das schaffen wir!“, sagt der andere. Und gemeinsam plagen sie sich den ganzen Tag, um das Haus in Ordnung zu bringen. Und als sie endlich fertig sind und es Abend geworden ist, gehen sie in die Küche und decken den Tisch.
„So“, sagt der Mann, „jetzt kann er kommen, mein Besuch! Jetzt kann Gott kommen.“ Und er fragt ungeduldig: „Wo er nur bleibt?“
Da gibt sich der andere, der ihm den ganzen Tag geholfen hat, zu erkennen: „Aber da bin ich ja!“, sagt er und setzt sich an den Tisch, um mit dem Mann zu essen.
(Herkunft der Geschichte unbekannt)
Gott will bei uns Menschen wohnen. Das sagen uns die ganzen Adventgeschichten so überdeutlich. Er ist gerade auch in diesen adventlichen Tagen auf dem Weg zu uns und unser Gast. Auch von Jesus wissen wir, dass er viel unterwegs gewesen ist und dass er gerne bei den Menschen zu Gast war. So können wir die ganzen Adventgeschichten der Bibel/Liturgie als Geschichten einer großen Gastfreundschaft lesen, der Gastfreundschaft der Menschen und der Gastfreundschaft Gottes.
Was braucht es, um ein guter Gastfreund zu sein?
Wie für alle wichtigen Lebenshaltungen gilt natürlich auch für die Gastfreundschaft, dass wir sie immer wieder und immer neu einüben müssen.
Eine ganz wichtige Grundbedingung ist wohl: man muss selber ein Zuhause haben, man muss selber wissen, wo man daheim ist, damit man einem anderen ein Zuhause geben kann.
Halte ich es eigentlich bei mir selber aus?
Es gibt da diesen bekannten Ausspruch von Karl Valentin: „Heut’ Abend besuche ich mich selber. Hoffentlich bin ich Zuhause.“
Wir sollten uns selber öfter besuchen und uns selber als einen Gast behandeln - mit Finger-spitzengefühl, mit Ehrfurcht und mit Liebe. Dann können wir vielleicht auch den anderen das entgegenbringen (Bsp.: selber einmal im Gästebett schlafen).
Es ist eine entscheidende Frage, welche Einstellung ich zum anderen Menschen habe, denn von dieser Einstellung hängt das Bild ab, das ich von mir selber habe und umgekehrt. Wenn ich dem anderen mit Offenheit begegne, dann werde ich selber offen sein. Wenn ich dem anderen mit Verschlossenheit begegne, dann wird auch der sein Herz zumachen.
Wichtig dabei ist auch, dass wir die Menschen bei uns ausruhen lassen. Wenn wir selber Getriebene und Gehetzte sind, werden wir andere auch nicht mehr ausruhen lassen können.
Und wichtig ist auch, dass wir füreinander gute Worte finden: „Ein gutes Wort ist besser als die beste Gabe“, sagt der Hl. Benedikt. Und die beste Gabe kann leer sein ohne ein gutes Wort.
Manchmal übersehen wir das Naheliegende.
Es kommt bei der Gastfreundschaft nicht auf den äußeren Schein an, auf die Fassade, auf Äußerlichkeiten, sondern auf die echte Begegnung. Wenn wir immer an bestimmten Vorstellungen oder Idealen hängen - wie der Mann in der Geschichte -, dann übersehen wir oft das Naheliegende.
Im Bild dieser Geschichte steckt dann noch eine wunderbar freudige Aussage, nämlich: Gott hilft uns bei diesem Werk der Gastfreundschaft, er hilft uns dabei, uns vorzubereiten auf den Besuch. Wenn auch vielleicht unerkannt, ist er doch schon lange da.
Denn Gott kommt manchmal auch überraschend und auch anders, als wir es vielleicht erwarten. Und er besucht uns in vielerlei Gestalt, vor allem aber in der menschlichen: oft in der Gestalt derer, die uns nahestehen, von Menschen, die es gut mit uns meinen oder helfen, aber auch in der Gestalt von Fremden, Unbekannten, von Menschen, die unsere Aufmerksamkeit und Zuwendung brauchen.
Gastfreundschaft heißt: sein Leben mit anderen teilen, etwas von sich selber hergeben und etwas vom anderen empfangen. Also man bekommt immer auch etwas zurück, es ist nie eine Einbahnstraße.
Alles, was ich jetzt über die Gastfreundschaft Menschen gegenüber gesagt habe, gilt wohl genauso für die Gastfreundschaft Gott gegenüber, für die Beziehung zu Gott.
Aufbrechen
Die Adventtexte und die Adventliturgie rufen uns dazu auf, dass wir aufbrechen - im doppelten Sinn dieses Wortes:
1.) aufbrechen im Sinn von: sich auf den Weg machen - hin zu den Mitmenschen
2.) aufbrechen im Sinn von: sich innerlich öffnen und die anderen bei sich einkehren lassen, sein Herz für die Menschen öffnen (für deren Freude/Hoffnung/Ängste/Sorgen/Nöte). Sein Herz für die Menschen öffnen heißt wiederum: sein Herz für Gott öffnen;
Sein Herz für die Menschen zu öffnen – das geschieht auch in der „Sei so frei“-Sammlung, der entwicklungspolitischen Organisation der KMB in OÖ. Es wird wieder um unsere Spende gebeten für verschiedenste Projekte der Entwicklungszusammenarbeit.
Alle Menschen wohnen – wie Papst Franziskus das nennt – im selben Haus. Und es geht um gute Lebensbedingungen für alle Menschen in diesem Haus, in unserer gemeinsamen Welt. Und es gilt besonders auch hier, was weiter oben über die Gastfreundschaft geschrieben steht. Gastfreundschaft heißt: sein Leben mit anderen teilen, etwas von sich selber hergeben und etwas vom anderen empfangen. Also man bekommt immer auch etwas zurück, es ist nie eine Einbahnstraße.
Wo er nur bleibt? Wo Gott nur bleibt?
Wann kommt er denn? Wann kehrt er bei uns ein?
Um auf diese Frage eine Antwort zu bekommen, braucht es von uns die Bereitschaft, achtsam zu sein und aufmerksam und gastfreundlich, dass wir ihn sehen und erkennen, wenn er vielleicht und gerade auch in der Gestalt unserer Mitmenschen auf uns zukommt oder schon unter uns ist.
Wolfgang Bögl, Theologischer Assistent der KMB Linz
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