„da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu“.
Auf was für eine starke Hoffnung, auf was für einen starken Glauben treffen wir im blinden Bettler Bartimäus! Bartimäus ist davon überzeugt, zutiefst überzeugt, dass Jesus ihm helfen kann. Und so schreit er, so lange und so laut und gegen alle Hindernisse hinweg, bis Jesus ihn zu sich ruft.
Und da heisst es im heutigen Evangelium: „da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu“. Wissen Sie was das heisst? Ein Bettler, ein Blinder wirft seinen Mantel weg. Sein Mantel ist sein einziger Schutz und sein einziger Besitz. Ein Mantel diente damals einem Menschen als Schutz gegen Kälte und so auch als Decke für die Nacht und war lebensnotwendig. Wahrscheinlich brauchte Bartimäus sie auch manchmal als Schutz gegen die menschliche Kälte, wenn Vorbeigehende ihn links liegen ließen, oder ihn verspotteten.
Und dann sprang er auch noch auf und lief los. Ein Blinder, der sich in Bewegung setzte, ohne zu Bedenken, ob da nicht ein Hindernis, ein Stein oder sonst was am Weg liegt, das ihn zu Fall bringen könnte.
Nein, das alles war kein Grund für Bartimäus – er sprang auf und lief zu Jesus, ohne Sicherheitsnetz, ohne Plan B. Was für ein Glaube! Was für ein starkes Bild von Hoffnung. Und Jesus sieht diese Hoffnung und diesen Glauben und heilt: Dein Glaube hat dich gerettet!
Glaube kann Berge versetzen, so heißt ein Sprichwort, das wir alle kennen. Und manchmal stimmt es auch – die Geschichte der Menschheit kennt viele Beispiele, wo durch starken Glauben und durch das Gebet Dinge zum Guten verändert wurden, wo eigentlich keine Hoffnung bestand.
Glaube und Gebet – das erzeugt in vielen Menschen die Hoffnung auf Heilung, die Hoffnung auf Besserung. Ein Beispiel dazu ist der französische Wallfahrtsort Lourdes, wohin jährlich tausende Menschen pilgern und wo es seit der Marienerscheinung im Jahr 1858 70 von der Kirche anerkannte Wunderheilungen gegeben hat.
Auch andere Ereignisse gibt es, wo durch die Kraft des Gebetes und des Glaubens Dinge geschehen sind, die „verwundern“ – einem Wunder gleich: In neuerer Zeit fallen mir da die jahrelangen Montagsgebete in Leipzig ein. Auf Initiative von Pastor Christoph Wonneberger haben sich Woche für Woche tausende Menschen zum Gebet versammelt um für die Befreiung der Menschen in der DDR zu beten. Viele sehen darin den Beginn des Mauerfalls, eine Befreiung die ohne Blutvergießen gelang. Ein kleines Wunder.
Aber was ist, wenn Glaube, wenn das Gebet, wenn unser Rufen zu Gott zu keinem Erfolg führt. Wenn uns Gott nicht erhört?
Da gibt es eine schlimme Krise in unserem Leben und Gott meldet sich nicht. Er lässt uns links liegen.
Leid, Krankheit, Hilflosigkeit bricht über Menschen herein. Viele verlieren dann ihren Glauben. Sie glauben an Gerechtigkeit, sie glauben an Vergeltung und empfinden das, was ihnen passiert, als ungerecht. Warum hilft mir Gott nicht? Warum lässt Gott das zu?
Aber, Glaube an Gerechtigkeit, an Vergeltung ist zu wenig – ein solcher Glaube übersteht keine Krise.
Gott hat die Welt geschaffen und siehe „es war sehr gut“ wie es im Buch Genesis heisst. Aber die Welt – obwohl sie in den Augen Gottes gut ist - ist nicht immer gerecht, sie ist nicht so gestaltet, dass böse Taten bestraft werden und dass Vergeltung passiert. Er hat die Welt geschaffen und uns Menschen als freie und selbstbestimmte Menschen. Und in dieser Welt gibt es halt auch Leid und das Böse. Das Leid in der Welt ist zwar oft von Menschen verursacht, aber nicht immer. Und dort wo wir dagegen ankämpfen können, sollen wir es tun. Aber manchmal ist das unmöglich.
Was also tun, wenn eine Lebenskrise auf uns hereinbricht und Gott scheinbar „schweigt“? An unserem Glauben festhalten, daran glauben, dass Gott da ist und uns liebt, obwohl wir Leid erfahren, obwohl Böses uns umgibt, das gilt es zu „lernen“. Glaube ist eine ständige Bewegung, nicht etwas, was ich einmal habe und dann ist es da. In schwierigen Zeiten bringt es nichts nach dem Warum zu fragen. Die Frage nach dem Warum werden wir in diesem Leben nicht beantwortet bekommen. Dinge passieren einfach. Schicksale brechen herein. Das heisst es zu akzeptieren. Die Frage ist, wie gehen wir damit um. Was machen wir aus der Situation?
In solch einer Situation zu glauben heisst, einen Ausweg finden, mit dem wir leben, ja überleben können. Nicht zu resignieren. Denn Resignation bedeutet aufzugeben. Aus. Ende. Stillstand. Glaube ist aber immer Bewegung und Veränderung und so kann der, der glaubt, sich fortbewegen, sich abwenden vom Bösen, sich hinwenden zu Gott und so Hilfe bekommen. In welcher Form auch immer.
Gott hilft nicht immer so wie wir es uns erhoffen.
Glaube heisst nicht Heilung, sondern das Vertrauen, dass Gott mir Hilfe gibt. Dass er mir etwas bietet, damit ich das Schwere ertragen kann und mein Leben so verwandeln kann, dass ich es tragen und aushalten kann.
Hier das eine: Die Heilung des Blinden. Da das andere: Glauben, wenn keine Wunderheilung passiert. Zum Glück gibt es dazwischen eine Vielzahl an Leben, das weder das eine, noch das andere erfahren hat. Und dazu noch eine kleine Aufmunterung von mir:
Ich war vor kurzem bei einer Verabschiedung dabei. Ein Mitarbeiter in einem Altenheim ging in Pension. Neben den üblichen Dankesreden und diversen Wortmeldungen hat auch der, der verabschiedet wurde, ein paar Worte gesagt.
Er sagte, er habe mit ungefähr 20 Jahren beschlossen, sein Leben mit Gott zu leben. Nicht als Priester oder so, sondern er hat beschlossen, nichts ohne Rücksprache mit Gott zu tun. Er hat gesagt, er hat bei all seinen Entscheidungen, ob im Beruf, in der Familie oder bei besonderen Ereignissen immer Gott um seinen Rat gefragt. Er hat mit Gott kommuniziert – das lateinische Wort communis bedeutet gemeinsam – er hat sozusagen mit Gott gemeinsam seine Lebens-Entscheidungen getroffen und seine Lebens-Prüfungen gemeinsam mit Gott gemeistert.
Zum Schluss seiner kurzen Rede hat er zu uns allen gemeint: I kau dös netta weiterempföhln, i bin immer guat gfahrtn damit.
Ein Glaubenszeugnis, das uns Mut machen darf! Amen.