Für wen haltet ihr mich?
Liebe Schwestern und Brüder!
Meinungsumfragen sind groß in Mode. Man möchte wissen, wie die Leute denken, was sie von bestimmten Themen und Personen halten. Gerade auch jetzt vor den Wahlen.
Eine „Meinungsumfrage“, so könnte man auch die Frage Jesu im heutigen Evangelium nennen. Er möchte wissen:
„Für wen halten mich die Menschen?“
Damals dachten die Leute: Er ist wie einer wie der große Prophet Elija. Ein leidenschaftlicher, eifriger Kämpfer für Jahwe und die echte Gottesverehrung. Elija legte sich mit den Anhängern das Baalskultes an, der den Jahwe-glauben zu verdrängen drohte.
Nein, er ist eher einer wie Johannes der Täufer, ein scharfer Bußprediger - so schätzen ihn andere ein.
Er ist schlicht und einfach ein „Verrückter“, so sagen seine Angehörigen, die ihn heimholen möchten, damit er keine Schande über die Familie bringt.
„Jesus ging in ein Haus und wieder kamen so viele Leute zusammen, dass sie nicht einmal essen konnten. Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: „Er ist von Sinnen!“ (Mk 3,21) –
Die Meinungen über ihn waren sehr verschieden.
Für Jesus, so meine ich, geht’s aber gar nicht so sehr darum, „was die Leute über ihn sagen“. Er wendet sich direkt an seine Jünger, an die, die ihn kennen, die mit ihm beisammen sind, die seine Worte hören und seine Taten sehen und miterleben.
Von ihnen möchte er wissen:
„Für wen haltet ihr mich? Wer, oder was, bin ich für euch?“ - Und Petrus - immer der Vorlaute unter den Jüngern - macht sich zum Sprecher:
„Du bist der Messias!“ - Eine Aussage, die sich grundlegend von der Meinung der Leute unterscheidet, die darüber hinausgeht:
„Du bist der Messias!“ Das ist ein Bekenntnis, das verpflichtet. Da ist eine Aussage, die auch Konsequenzen haben kann, wie wir ja aus der Geschichte wissen.
Wird heute diese Frage gestellt: „Für wen halten die Leute Jesus?“- so sind die Antworten wohl auch sehr verschieden.
Manche sagen: Ja, er ist der Sohn Gottes, der Heiland, der Erlöser – so haben wir es im Religionsunterricht einmal gelernt.
Andere sagen vielleicht: Jesus ist ein weiser Lehrer, ein Revolutionär, ein Phantast, ein tragischer Held, einer mehr, der an seinen Vorstellungen gescheitert ist.
Wieder andere sagen vielleicht: „Jesus“? - das interessiert mich nicht.“
Wenn wir diese Frage aber ganz persönlich nehmen:
„Du aber, für wen hältst du mich?“ - wie würdest Du antworten?
Ich meine, wir dürfen diese Mühe nicht scheuen, uns bisweilen diese Frage zu stellen:
Was bedeutet mir Jesus?
Wer und was ist er für mich, ganz persönlich?
Was bedeutet er für mein konkretes Leben?
Was bedeutet er mir als Mann, dir als Frau, dir, dem Jugendlichen, dir, dem alten Menschen.
Was hältst Du von ihm?
Du, der du heute wie jeden Sonntag hier in der Kirche sitzt?
Du, der du vielleicht eher zufällig wieder einmal da bist?
Was hältst du von Ihm, der du mitten im Leben stehst, eingespannt im Beruf?
Was hältst du von Ihm, der du vielleicht enttäuscht bist vom Leben, von der Welt.
Du, der du dich abmühst, doch so etwas wie einen Sinn für dein Leben zu finden.
„Du aber, für wen hältst du mich?“
Es ist von uns eine Antwort auf diese Frage verlangt.
Ein ganz persönliches Bekenntnis.
Ich meine unsere Antworten werden nicht immer gleich ausfallen. Sie können sich ändern, ja nach der Situation, in der wir leben. Sie können abhängen vom Alter, von unserer momentanen Befindlichkeit, von anderen Umständen.
„Du aber, für wen hältst Du mich?“ - Wenn ich versuche, für mich eine Antwort zu finden, sie würde etwa so lauten:
„Du bist für mich der Mensch, wie Gott ihn gedacht hat.
Du lebst mir vor, wieviel Güte und Liebe möglich wären.
Du bist für mich die Hoffnung, dass ein Leben jenseits der Angst, ein Leben in Freiheit, in Aufrichtigkeit, möglich ist.
Du bist für mich eine Herausforderung, immer noch und immer wieder. Das auf jeden Fall.
Hilfreich ist für mich – seit langem schon – ein Wort, von Lothar Zenetti, einem religiösen Lyriker unserer Zeit. Er sagt:
„Wer Jesus für mich ist?“ - Einer, der für mich ist!
„Was ich von Jesus halte?“ - Das er mich hält“.
Das heutige Evangelium ist wieder einmal ein Anstoß, diese Frage ganz persönlich zu nehmen:
„Du aber, für wen hältst du mich?“
Amen