"Dies trage ich euch auf: Liebt einander!"
Auffallend oft ist in den heutigen Texten von der Liebe die Rede.
„Liebe“ – ein Wort – oft gebraucht, oft auch missbraucht.
Ein Wort, das manche gar nicht mehr hören können.
Weil es an Enttäuschungen erinnert, an Tränen, an Schmerz.
Und doch ein Wort, ohne das wir nicht auskommen.
Jeder Mensch sehnt sich nach Liebe, braucht Liebe – und man sollte nicht zynisch darüber reden. Zu viel hängt da dran, an Sehnsüchten, an Wünschen - auch an menschlichen Schicksalen.
„Dies trage ich euch auf: Liebt einander!“ – so der Schlusssatz des heutigen Evangeliums.
Aber was meint das konkret, was heißt „liebt einander“, im Sinne Jesu? Was bedeutet „Liebe“ – jenseits von jeder Sentimentalität und Romantik?
Vor vielen Jahren habe ich ein Wort gelesen – und es ist mir in Erinnerung geblieben:
„Nicht sehen, was den anderen kaputt macht – das ist der Untergang der Liebe“. -
Da ist viel Wahres dran, meine ich. Wenn wir nicht mehr sehen, nicht mehr bemerken und spüren, was dem anderen, dem Menschen neben mir, zu schaffen macht, worunter er leidet - was ihn „kaputt macht“ – dann wird’s kritisch, dann geht die Liebe zugrunde.
„Nicht sehen, was den anderen kaputt macht...“
Was macht uns denn „kaputt“?
Da gibt es vieles:
Es kann einen kaputt machen, wenn man immer den Vorwurf spürt, dass man den Erwartungen des anderen nicht entspricht.
Alles, was man tut - es ist immer „zu wenig“.
Es macht einen kaputt machen, wenn man abgelehnt wird, kaum Anerkennung bekommt.
Wenn dauernd an einem herumgenörgelt wird, wenn man es nie recht machen kann.
Ständige Herabsetzungen und Frotzeleien, am Arbeitsplatz oder in der Schule, können einen wirklich kaputt machen.
Oft sind es gar nicht so die großen „Schläge“, die uns kaputt machen. Es sind die Kleinigkeiten, die alltäglichen Sticheleien, die kleinen Bosheiten und Lieblosigkeiten: die nagen an uns, die machen uns kaputt:
- das dumme Gerede
- auch das tödliche Schweigen
- der Mangel an Vertrauen
- das Fehlen von Sachlichkeit
- die Kleinkariertheit und Sturheit mancher Mitmenschen,
- ihre Böswilligkeit, ihr Zynismus.
Überlege einmal für dich selbst, wie es denn bei dir ist:
Was macht dich fertig, was macht dich kaputt? –
Aber auch umgekehrt müssen wir uns überlegen:
Was ist an meinem Verhalten so, dass andere darunter leiden müssen, dass es andere kaputt macht?
„Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt!
„Nicht sehen, was den anderen kaputt macht – das ist der Untergang der Liebe.“- Drehen wir dieses Wortes einfach um: „Sehen, was den anderen kaputt macht – und es vermeiden - das ist der Anfang der Liebe!“
Sehen, einen Blick und ein Gespür dafür entwickeln, was dem anderen guttut, was er braucht, was er von mir erwartet –das ist der Anfang der Liebe.
Sehen, was den anderen „aufbaut“, ihn fördert, was ihn heilt – und es ihm auch geben.
Sehen, was den anderen wertvoll macht für mich,
was ich an ihm schätze – und es ihm auch sagen.
So fängt Liebe an, so wird Liebe konkret.
Jesus – so möchte ich sagen – war gerade darin gut:
Er hat gesehen, was der andere braucht, er hat gemerkt, was dem anderen fehlt, worunter er leidet – und er hat ihn entsprechend „behandelt“. – Er hat die Menschen „geliebt“. - Und in seiner Liebe ging er bis zum Äußersten.
„Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt.“ - Nehmen wir uns diesen Auftrag zu Herzen.
Und hören wir niemals auf, uns in der Liebe zu üben.
Amen