"Thomas ist mein Favorit"
Liebe Schwestern und Brüder!
Nach einer Wochenendausgabe zu Ostern erzählt der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler in seinem Buch, „Dein Herz ist gefragt. Spirituelle Orientierung in nervöser Zeit“ von seiner Reise in die 4 Jahre lang bombardierte Stadt Aleppo, in Syrien:
„Tief beeindruckt hat mich Pater Sami, ein Jesuit, der während der Schreckensjahre mit muslimischen und christlichen Jugendlichen eine großartige Essensversorgung aufgebaut hat. Sie fingen klein an, in Zelten. Zuletzt kochten sie täglich an die 8000 Essen.“ Pater Sami kommentiert dabei zum Bischof: „Hermann, ich habe in diesen Jahren meinen Glauben verloren, den Glauben an den Beschützergott. Wir haben viel gebetet, aber die Bombardierungen gingen weiter.“
In der Klage und dem konkreten Tun tat sich für den Jesuitenpater eine neue Perspektive auf: „Mittlerweile glaube ich an einen Gott der Vorsehung. Inmitten des Elends und der Zerstörung hat er so viele junge Menschen aufgeweckt, die gesagt haben: jetzt kommt es auf uns an.
Das Fazit des Jesuiten in Aleppo: „Gott sieht vor, er inspiriert in aller Not sofort wieder zum Guten. Er weckt ungeahnte Kräfte von Liebe und Fürsorge auf.“
Zeigt uns nicht auch das Ostergeschehen und die damit verbundenen Geschichten u.a. mit dem „ungläubigen Thomas“ diese Glaubensnot?
Verschlossene Türen, fest verriegelt, niemand darf herein. Die Jünger tun dies aus Angst, es könnte ihnen das gleiche geschehen wie ihrem Herrn und Meister. Sehr verständlich. Die Nachricht, dass Jesus lebe, haben sie zwar gehört, aber glauben können sie das noch nicht.
Wie Thomas hören auch wir von der Auferstehung. Wo können wir erleben, dass es hinter den Ausweglosigkeiten des Alltags eine Hoffnung gibt?
In den Osterevangelien werden keine Helden vorgestellt, sondern suchende und zweifelnde Menschen. Da ist kein plötzliches Halleluja, das die Erfahrungen des Todes einfach wegwischt.
Für mich ist es tröstlich, dass man den Glauben nicht so einfach in der Tasche haben kann wie Geld. Langsam erst entdecken die Freunde Jesu “Ostern“: Da ist der Wettlauf von Petrus und Johannes zum Grab; da ist die Begegnung Marias von Magdala mit dem vermeintlichen Gärtner und die Jünger mit dem unerkannten Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus – und schließlich die Erfahrung des Thomas, des Revoluzzers. Er wollte ja noch einige Tage zuvor mit Jesus gehen und wie ein Held mit ihm kämpfen und sterben für eine gute Sache.
Er ist verwundet durch den Tod Jesu, seines Herrn. Die Wunden, die er bei den Auferstandenen berühren will, sind auch seine eigenen, die noch ungeheilt sind. Jesus kommt ihm entgegen, er nimmt ihn sehr ernst in seinem Zweifel und er will, dass er seine Wunden berührt. Thomas antwortet Jesus darauf: „Mein Herr und mein Gott“.
Das ist ein Ausdruck der neuen Einsicht und der Freude. Ein starkes Glaubensbekenntnis! Dieses Bekenntnis trifft auch mich persönlich. Es macht mich demütig und gibt mir Kraft, Mut und Hoffnung für mein Leben: ER lebt!
Die Jünger reden nun miteinander und tauschen ihre Enttäuschungen und Zweifel aus. Allmählich gehen ihnen die Augen auf und sie beginnen zu verstehen, was Jesus schon früher mit ihnen besprochen hat. Es gehen ihnen die Augen auf, weil der Auferstandene ihrem Bedürfnis nach etwas Greifbaren
entgegenkommt. Da werden enge Türen aufgesprengt und der Horizont öffnet sich.
Deshalb ist auch heute überall dort Ostern, wo Menschen ganz handgreifliche Hoffnung erfahren. Dort wo sie sich wieder verstehen, obwohl sie sich über Jahre auseinandergelebt haben. Und dort, wo trotz schmerzlicher Erfahrungen ein neuer Anfang gewagt wird und das Leben eine neue Chance bekommen hat.
Genauso wäre Friede ein Zeichen des österlichen Lebens. Wie sehr sehnen wir uns danach, ohne Hass, Neid und Streit zu leben. Friede wird greifbar, wo jemand ein versöhnendes Wort annehmen kann, obwohl er meint im Recht zu sein.
Und schließlich schenkt uns der auferstandene Herr sein erbarmendes Wort: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben“. Wer alte Schuld und altes Versagen nicht nachrechnet, der gibt einem anderen Luft zum Atmen.
Wir können verzeihend miteinander umgehen, weil uns Gott in aller Schuld bejaht. Es wird uns bewusst, dass wir immer schon aus der Vergebung Gottes leben, und das erleichtert es, anderen davon etwas zu schenken.
Liebe Schwestern und Brüder! Jesus ist dem zweifelnden Thomas entgegengekommen. Das lässt uns hoffen, dass er auch uns und unsere Zweifel zulässt. „Gott ist nicht einer, der das Erwartete erfüllt, aber am Ende jede Erwartung übertrifft,“ sagt Bischof Glettler.
Wünschen wir uns auch was Greifbares mit Jesus, dem Auferstandenen, in unserem Alltag.
Und sagen wir heute beim Empfang der hl. Kommunion so wie Thomas ein herzliches „Mein Herr und mein Gott!“
AMEN