Dreifaltig
Liebe Pfarrgemeinde,
jeder und jede von uns kennt das Symbol des göttlichen Auges, auch Auge der Vorsehung oder allsehendes Auge Gottes genannt.
Dazu gibt es Erziehungssprüche und Deutungen, wie zum Beispiel: Gott sieht alles! Oder „Ein Auge ist, das alles sieht, auch was in finstrer Nacht geschieht.“
Kinder konnten da schon Angst bekommen, vor diesem Überwachungsgott. Aber nicht nur Kinder, auch für viele Erwachsene war Gott lange Zeit ein allgegenwärtiger Wachmann, dem nichts entging und der alles kontrollierte.
Ständig hatte man Angst sich zu versündigen.
Das Dreieck des göttlichen Auges symbolisiert dabei den dreifaltigen, den dreieinigen Gott. Eckig und geometrisch genau umschließt es das wachsame Auge in den meisten Darstellungen.
Auf mich wirkt dieses exakte, beobachtende Gottesbild wenig einladend und attraktiv, sondern eher distanziert, unpersönlich und unnahbar.
So stelle ich mir Gott nicht vor und doch hat es viele Generationen in ihrem Gottesbild geprägt, das dürfen wir nicht vergessen. Und Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte, das wissen wir aus eigener Erfahrung, und sie sind dadurch sehr nachhaltig in unseren Köpfen präsent.
Dieses Bild vom göttlichen Auge sollte und kann heute aber ganz anders gelesen und interpretiert werden. Unsere Künstlerin, Teresa Stankiewicz, die 1978 unsere Kapelle künstlerisch gestaltet hat, hat unserem Auge Gottes, das sich im Eingangsbereich befindet, wie ich meine, einen liebevollen und freundlichen Ausdruck gegeben, das könnte heißen:
Da gibt es einen, der dich nie aus den Augen verliert, der dich nicht übersieht und auf dich liebevoll schaut. Einen väterlichen und mütterlichen Gott, der auch nie müde wird, dir zur Seite zu stehen, der mögliche Feinde sieht und auf Abstand hält. In seinem Schutz und Segen kannst du getrost deinen Weg gehen, aufschauend zum Himmel und fest verbunden mit der Erde. Dieser eine zeigt sich in drei Personen, oder besser gesagt, in drei Eigenschaften:
Als Schöpfer des Lebens und Gott der Geschichte, als Mitmensch, der uns nahe gekommen ist in Jesus von Nazareth und als heilige Geistkraft, die alles beleben und vollenden will.
Das sehe ich in den Topfen, die vom Auge ausgehen, die einerseits Wassertropfen symbolisieren, die das Leben hervorbringen, genauso wie Feuerzungen, die hinausdrängen in die Welt und das Feuer der Liebe entzünden und verbreiten wollen.
In den heutigen Lesungen klingt diese Symbolsprache auch an:
Im Buch der Sprichwörter haben wir gehört, dass Gottes Geist als Frau Weisheit beschrieben wird, Ruach, das alte Wort für den Geist Gottes, für die göttliche Urkraft, die von allem Anfang an voll Freude, Liebe und Begeisterung an der Schöpfung mitwirkt und bis heute in ihr wirkt.
Im Johannesevangelium haben wir vom Geist der Wahrheit gehört, den Jesus uns zusagt und der uns die ganze Wahrheit lehren wird.
Das könnte heißen, dass wir durch den göttlichen Blick auf uns, das Ansehen, das Gott uns schenkt, auch den Durchblick bekommen und alles, was uns bisher unklar war, klarer und verständlicher wird. Und wir lernen zu sehen, wo es Unterstützung braucht für uns selbst und für andere, wo Verzeihen nottut oder Schutz und Hilfe vonnöten ist.
So kann das Auge Gottes ein Hoffnungsbild für unseren Blick in die Welt werden und damit jeglichen Schrecken verlieren:
Auch unser Blick soll heilen und nicht strafen, soll verbinden und nicht trennen, soll von Liebe bestimmt sein und nicht von Zorn, Angst oder Neid.
Das Dreieck, das in unserer Kapelle vorrangig in Rosa ausgeführt ist und damit dem Herzen zugeordnet werden kann und zudem keine scharfen, sondern weiche Kanten aufweist, kann man als liebende Einheit von Vater, Sohn und Geist deuten. Der liebende Schöpfergott kommt uns in Jesus Christus nahe und ist durch seine heilige und heilende Geistkraft immer unter uns gegenwärtig und spürbar.
Liebe Mitchristen, der heutige Dreifaltigkeitssonntag will uns mit seiner Symbolsprache darauf hinweisen, dass wir uns immer auf den liebenden und fürsorglichen Gott verlassen können, der sich in der Menschenfreundlichkeit Jesu und des pfingstlichen Geistes gezeigt hat und der in Liebe auf uns schaut.
Amen.