Heißt Nachfolge "Augen zu und durch"?
Liebe Gottesdienstgemeinschaft! Liebe zur Nachfolge berufene Mitmenschen!
Erst eine Lesung, die von Elija und Elischa erzählt. Elischa wird mit Hilfe des Mantels von Elija zur Nachfolge motiviert. Elischa ist Bauer, Erbe einer großen Landwirtschaft – das wissen wir, weil nur große Bauern zwölf Pflug-Gespanne besitzen. Er lebt wohl ein gutes und sicheres Leben. Dann kommt der Prophet Elija und wirft Elischa seinen Mantel über – ein deutliches Zeichen für: Du bist beauftragt, in Zukunft meine Kleidung, den Mantel, meine göttliche Ummantelung zu tragen, du sollst mein Nachfolger sein. Elischa reagiert sofort: Er lässt die Rinder stehen, eilt Elija nach und bittet ihn, sich noch von seiner Familie verabschieden zu können. Elija verweist mit seiner Reaktion darauf, dass er es bloß so machen solle, wie Elischa gedenke. Seine Frage „Denn was habe ich dir getan?“ zeigt, dass nicht er der in die Nachfolge Rufende ist, sondern Gott selbst. So schlachtet Elischa einige seiner Rinder, um mit seiner Familie ein großes Abschiedsfest zu feiern. Dann folgt er Elija nach.
Ich finde diese Berufungserzählung Elischas schön. Sie wirkt auf mich wie eine Beförderung.
Elischas vorheriger Beruf wird in seinen späteren als Prophet hineinwirken. Es wird für ihn auch dann darum gehen, den Boden für Wachstum und Leben zu bereiten, für ein Leben im Glauben an Gott und Hören auf Gott. Elischas Vorkenntnisse werden ihm Hilfe sein, wahrscheinlich wurde er auch auf Grund dieser Vorkenntnisse in Elijas Nachfolge berufen.
Auch im heutigen Evangelium geht es um das Thema Nachfolge. Es wird von drei Personen berichtet, die für die Nachfolge Jesu in Frage kommen. Der Erste wirkt besonders motiviert: Ich folge dir nach, wohin du auch gehst. Jesus scheint bei diesem Vorsicht wecken zu wollen: Weißt du eh, worauf du dich einlässt? Der Menschensohn lebt nicht wie die meisten anderen Menschen in einem Haus mit einem Bett, auf das er sich jede Nacht schlafen legen kann.
Der Zweite wird von Jesus zum Nachfolgen aufgefordert. Dieser möchte aber erst seinen Vater begraben. Jesus möchte ihm diese Zeit aber nicht geben – er solle den toten Vater den anderen Toten überlassen. Jesus wirkt da fast ein bisschen gestresst: Diese Zeit haben wir jetzt nicht. Das Reich Gottes gilt es jetzt gleich zu verkünden, nicht erst nach dem Begräbnis.
Und beim Dritten, der wieder aus eigenem Antrieb heraus in die Nachfolge treten möchte, wird Jesus radikal, als dieser sich – vielleicht ähnlich wie Elischa – noch von seiner Familie verabschieden möchte: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.“
Elischa wurde es gewährt, dieses Abschiedsfest. Diesem Nachfolger Jesu aber nicht. „Warum?“ ist hier die brennende Frage!
Und dann seh ich mir das Ganze noch einmal genauer an: Es gibt einen ganz deutlichen Unterschied zwischen Elischa und dem dritten Nachfolgenden: Elischa hat sich nicht selbst in die Nachfolge gestellt, sondern wurde mittels Elijas Mantel quasi in die Nachfolge hineingekleidet. Nicht Elija muss ihm das Abschiedsfest erlauben, Gott erlaubt es ihm, denn er zweifelt nicht an seiner Bereitschaft. Bei dem dritten Nachfolgenden im Evangelium aber stellt dieser anscheinend selbst die Bedingungen für seine Nachfolge auf. Jesus fordert hier als Gottessohn mehr Konsequenz: Willst du Gott folgen, so bestimmst nicht du die Bedingungen, sondern Gott.
Ja, Jesus ist streng. Und sein Weg ist streng, konsequent, herausfordernd, sicher in gewissen Momenten auch für IHN überfordernd. Er weiß schon, dass dieser Weg ihn zum Tod führen wird. Doch er bleibt dabei: Er wird seine innere Freiheit nicht aufgeben, er wird ohne fixes Dach über dem Kopf, ohne Höhle und ohne Nest bleiben (so fordert er es auch von seinen Nachfolgern), er wird sich auch nicht zu denen, die schon gestorben sind, hin umdrehen, um seinen Weg der Freiheit diesen Toten zu opfern. Die verstorbenen Lieben sind ja nicht mehr abhängig von einem Ort oder einem Grab – unsere Liebe zu ihnen drückt sich ja vielleicht viel eher in einem Leben nach Gottes Gesetzen aus. Und vor allem: Jesus hat gerade keine Zeit, sich immer wieder umzudrehen, denn er Ruf Gottes nach ihm ist laut, nimmt ihn in Bann, und lässt ihn zielstrebig weitergehen.
Puh. Diese Bedingungslosigkeit lässt mich schon knabbern. Darf ich wirklich keine Bedingungen aufstellen, wenn ich mich für einen wirklich christlichen Weg entscheide?? Wird hier nicht sogar eine gewisse Asozialität gefordert, ein Tunnelblick, ein Augen-Zu-Und-Durch? Viele Blockaden türmen sich in mir da gleich auf, wenn ich diese Konsequenz Jesu auch gegenüber seinen Nachfolgern sehe. Ich kann doch nicht einfach blind folgen…
Diese Blockaden sind gut und wichtig für unser Leben! Würden wir den Medien, Geld, angstmachenden Politikern denn blind folgen? Würden wir jede Facebook/Twitter-Nachricht denn ohne Hinterfragen für bare Münze nehmen? Gott sei Dank haben wir da unsere Blockaden… Oder haben wir die überhaupt?
Bei all diesen Dingen sind wir vielleicht gar nicht so blockaden-geleitet, sondern oft auch blind und folgsam.
Und bei Gott fordern wir, dass wir selbst ja wohl noch mitbestimmen dürfen, wie unsere Nachfolge aussieht. Weil wir IHM ja nicht zutrauen, dass er den für uns richtigen Weg kennt, mit dem er auf unsere Begabungen und Vorlieben eingeht. Weil wir Gott weniger zutrauen als Facebook, Politik und Konsum. Dabei kennt uns Gott doch viel besser, viel inniger als die Internet-Algorithmen, die uns oberflächlich zwar allumfassend umgeben, aber nicht von Liebe uns gegenüber geprägt sind, sondern die in uns ihr Geld sehen. Gott aber liebt uns, von innen heraus, er ummantelt uns wie der Mantel Elijas, und geht uns als die Weisheit voraus, die in uns allen steckt…
Gott, die Weisheit, kennt uns von innen heraus, und sie liebt uns so wie wir sind. Somit fordert sie keine Nachfolge, die uns zerstört, sondern eine Nachfolge, die uns an den Leib geschnitten ist und uns zugleich über uns selbst hinauswachsen lässt. So unterschiedlich die Berufungserzählungen in der Bibel sind – und davon gibt es noch viel viel mehr als die, die wir heute gehört haben (zB Samuel, Jeremia, Ezechiel, im NT Maria, Jünger*innen...) - so unterschiedlich sehen wohl die Formen der Nachfolge von uns, die wir heute hier zusammengekommen sind, aus.
Ich denke, wir dürfen uns alle, jede und jeder für sich, folgende - zugegebenerweise recht selbstkritische - Fragen stellen:
Wie kann ich, als die oder der ich bin, Jesus nachfolgen und Verkünderin/Verkünder des Reiches Gottes sein, in dem gegenseitige Wertschätzung, Liebe zur Schöpfung und der Glaube an Gott die tragenden Lebensprinzipien sind?
Wo brauche ich in dieser Nachfolge vielleicht noch mehr Konsequenz und Durchhaltevermögen?
Gibt es Menschen, Dinge, Glaubenssätze etc., denen nachzufolgen mir öfter gelingt, als Gott zu folgen?
Und: Was kann mein Vertrauen stärken, dass die Nachfolge, die sich Gott von mir wünscht, meinem individuellen Wesen und meiner Kraft entspricht und sogar meine Entfaltung fördert?
Vielleicht können wir uns darin gegenseitig unterstützen: Sprechen wir uns zu: Gott liebt dich wie du bist. Und er sehnt sich nach deiner Art, Gottes Reich auf die Welt zu bringen.