Reinheit nur äußerlich?
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Evangelium heute erzählt von Menschen, die sich schützen wollen und auch kritisch zurückfragen, warum dies die Jünger Jesu nicht auch tun. Eigentlich sei es doch selbstverständlich, sich die Hände zu waschen.
O ja, auch wir haben seit eineinhalb Jahren verstärkt Reinheitsvorschriften verinnerlicht.
Hygieneregeln, Distanz von Ansteckenden – das sind mehr als Anstandsregeln; diese Formen sind solidarisches Verhalten. Zeichen der Rücksichtnahme und Nächstenliebe.
Jesus übt Kritik an den Reinheitsvorschriften der Pharisäer, denen vor Gott das Äußere sehr wichtig ist. Jesus sah darin eine unheilvolle, gefährliche Entwicklung.
Er warnt uns vor der Wirkung, die es hat, wenn wir sie zu ernst nehmen.
Die Menschen haben immer versucht mit mehr oder weniger menschlichen, oft unmenschlichen Geboten und Handlungen Religionen, also Gottesbeziehungen zu konstruieren. Der Mensch hat ja in seiner Begrenztheit irgendwie ein Grundbedürfnis, Gott zu gefallen. Man hat dabei nicht bloß versucht, Menschen Gewalt anzutun, sondern auch Gott. ER darf sich nichts Neues einfallen lassen. Missbrauch total. Ganze Gottesstaaten sind so entstanden auch unter Christen.
Fast schon schroff, lehnt Jesus die Äußerlichkeiten ab, hinter denen sich Menschen verstecken...Außen sauber - innen ein Chaos... Vor allem das Herz erzeugt viel Müll!
Wir fragen uns: Ist Religion nicht Herzenssache? Zählen nicht vor allem die „inneren Werte“?
In Lehars Operette „Das Land des Lächelns“ heißt es „Denn wie´s da drinnen aussieht geht niemanden etwas an“... Unser geheimes Innenleben, meine Gedanken, geht keinen Außenstehenden etwas an.
Als im 19. Jahrhundert die Röntgenstrahlen erfunden wurden, war dies ein großer Segen in der Medizin. Denn ein ungeahnter Tiefenblick wurde ermöglicht. Und jetzt wagen wir uns unter die Augen des Einen, der – wie mit Röntgenaugen – mein Innerstes abtastet, mein Herz inspiziert.
Da ist also einer, der sehr wohl meine Innenwelt kennt. („ Herr, dir ist nichts verborgen, du schaust mein Wesen ganz“...)
Gott ist wie ein Arzt, der sich sorgt um das, was in mir steckt und aus mir herauskommt. Ich trete unter die Augen Jesu und halte mich in das Gegenlicht Gottes. Denn ich bin behandlungsbedürftiger als ich ahne. Und er bittet: Zeig, ja gib mir dein Herz“! (Zitat aus Sprüche 23,24, AT). Er durchschaut mein äußeres Getue, die Oberfläche. Er berührt mich, egal ob mein Outfit sauber oder unrein ist .
Sein Blick durchdringt meine dicke Haut, meine Fassaden, ist direkt auf den Kern gerichtet. Ihn will er behandeln, denn er weiß besser als ich, welch guter Geist in meinem Inneren wohnt – oder auch, welch üble Macht in mir haust und nach außen tritt.
Der Blick Gottes stellt´mich nicht bloß, sondern nimmt mich wahr.
Er heilt und schützt mich.
Mich immer wieder diesem Blick auszusetzen, kostet oft Mut.
Aber es lohnt sich: Wenn ich mich erkennen lasse, geht mir auf, wer ich in Wahrheit bin, zu wem oder was mich Gott bestimmt (berufen)hat.
In diesem Blick Gottes können wir auch die anderen neu wahrnehmen, schätzen und gelten lassen.
„Rein sein vor Gott“
Diesen Begriff nimmt Jesus auf und sagt, wie Reinheit wirklich entsteht. Sie kommt von Innen, von Ehrlichkeit. Fällt nicht immer leicht. Der Lasterkatalog vom Evangelium führt uns das vor Augen.
Jesus lässt uns aber nicht über die Klinge springen, sondern bietet sich selber als Reinigung und Erlösung für uns an.
Der Glaube ist also zutiefst Herzenssache und braucht rituelle Formen. Auch Äußeres arbeitet an meinem Innenleben. Zum Beispiel: unsere Sakramente, Kreuzzeichen, Weihwasser, Kerzen anzünden... unser Glockengeläut, das zum Gebet ruft. Gebetszeiten Morgen-, Abend- und Tischgebet. Oder wie es der Hl. Benedikt in seiner Regel schreibt: siebenmal am Tag singe ich dein Lob...Und schließlich der freie Sonntag, damit wir nicht in die Sklaverei zurückfallen. Äußere Rituale und Formen machen oft durchaus Sinn. Sie können mir Hilfe und Stütze sein, Gott verbundener, innerlicher zu leben und in das Geheimnis Gottes einzutauchen.
Mose sagt uns auch heute: „Hört und ihr werdet Leben“ und „Welches Volk hat Götter, die ihm so nahe sind wie unser Gott?!“
Jesus Christus selber bietet sich uns als Wegbegleiter, Freund und Bruder an, damit wir zum Leben, zum wahren LEBEN, zurückfinden.
Amen.