Woher hat er das alles?
Was ist denn da los in Nazareth? Wo Jesus eigentlich „Heimvorteil“ haben sollte, begegnet man ihm ablehnend und eher feindselig.
Zuerst staunen sie noch. „Woher hat er das alles?“
„Was ist das für eine Weisheit?“ - Dann aber schlägt die Stimmung um. Sie nehmen Anstoß an ihm und lehnen ihn ab!
„Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie“ – ein altes Sprichwort, das sich für Jesus bewahrheitet.
Warum ist das eigentlich so?
Die Antwort ist gar nicht so schwierig. Weil man ihn kennt.
Weil man weiß, „was er ist und wo er her ist.“ -
Heute ist es auch nicht anders, wie damals. Auch wir haben die Neigung, andere einzuordnen. Wir machen uns ein Bild vom anderen. Wir stecken ihn in einen Rahmen.
So tun wir uns leichter mit ihm, meinen wir.
Zwei Elemente sind dabei ganz wichtig:
Das eine ist der Beruf. „Was macht denn der oder die?“ – fragen wir gerne. „Was ist er denn?“
Wenn man weiß, was jemand „macht“, glaubt man schon zu wissen, was ihn „ausmacht“. Und wir erwarten dann, dass er sich entsprechend verhält.
„Ist das nicht der Zimmermann?“ - sagen die Leute.
Dann soll er sich auch entsprechend verhalten und sich nichts „herausnehmen“, was ihm nicht zusteht.
Das zweite bestimmende Element ist die Herkunft.
„Ist das nicht der Sohn der Maria? Leben nicht seine Geschwister unter uns.“ - sagen die Leute.
Man kennt seine Familie - ganz gewöhnliche Leute.
Da weiß man doch genug über Ihn
Was soll da Besonderes an ihm dran sein?
Wenn wir so denken – und wir tun das gerne – dann haben wir den anderen „im Griff“, meinen wir.
Dann kann uns nichts überraschen.
Dann übersehen wir aber auch, was in einem anderen wirklich steckt. Dann erkennen wir nicht das „Besondere“, das Außergewöhnliche, was einen Menschen „einzigartig“ macht. Wir erkennen auch nicht die „wunderbare Kraft“, die in einem Menschen stecken kann.
So passiert es mit Jesus, in Nazareth.
Man weiß wo er her ist, man weiß was er gelernt hat, „Zimmermann“ – bei seinem Vater Josef.
„Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist?“ - Das ist doch eher verdächtig.
Sein Auftritt in der Synagoge wird zum Ärgernis.
Sie lehnen ihn ab!
Bei Lukas, der auch davon berichtet, heißt es sogar:
Sie bedrohen ihn und jagen ihn aus der Stadt hinaus.
Jesus wundert sich über ihren Unglauben.
Er konnte dort kein Wunder tun! Und er geht weg.
„Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat…“
Es ist eigentlich schade, ja tragisch:
Seine befreiende Botschaft,
seine weitherzige Weltsicht,
seine Träume von der Würde des Menschen,
sein Vertrauen in die barmherzigen Liebe Gottes,
seine aufbauenden, aufrichtenden Worte und Taten,
seine Vision von Gott und den Menschen,
seine heilende Kraft - seine wunderbare Art und Weise -
- all das kommt nicht an, findet kein Gehör, keine Aufnahme in den engen Gassen von Nazareth.
Man will das nicht, vom „Zimmermann“,
vom „Sohn der Maria“, den man doch kennt,
mit dem man doch aufgewachsen ist.
Der soll sich doch nicht wichtigmachen.
Der soll uns doch in Ruhe lassen mit seinen Ideen.
Was hier in „Nazareth“ geschieht, passiert es nicht immer wieder? Es passiert auch durch uns, aber auch mit uns?
Es gibt sie auch heute, solche „Visionäre“ und prophetische „Träumer“. Menschen, die sich „begeistern“ lassen von Jesus, von seiner Art zu leben und das Leben zu deuten.
Es gibt sie, diese Menschen, die mit Jesus, von einer „anderen“ Welt träumen und diese auch für möglich halten. Eine Welt in der Liebe, Menschlichkeit, Frieden und Gerechtigkeit keine leeren Worte bleiben.
Ich bin überzeugt: im Herzen eines jeden Menschen – in deinem und in meinem Herzen - wohnen „Visionen“ und „Träume“ von dieser Welt, wie sie sein könnte.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich denke dieses Sprichwort - „Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen, wie in seiner Heimat, in seiner Familie“ – lässt sich widerlegen.
Wenn wir unseren Visionen und Träumen trauen, sie miteinander teilen, unbefangen und offen, weitherzig und ohne Vorurteile, wenn wir dranbleiben, sie zu leben wagen, immer mehr – dann werden „Wunder“ möglich – „dann werden wir uns wundern, was alles möglich ist“, – in unserem „Nazareth“ hier, bei uns und darüber hinaus.
Amen.