Vom Weinstock und den Reben
Jesus verwendet gerne Bilder aus der Natur, um deutlich zu machen, worauf es ihm ankommt.
„Ich bin der Weinstock - ihr seid die Reben“ heißt es im heutigen Evangelium.
Die „Rebe“ braucht unbedingt die Verbindung mit dem „Stock“, der aus der Erde Kraft holt und diese weitergibt, an die Rebe. Nur wenn diese Verbundenheit gegeben ist, kann etwas wachsen und reifen.
„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ -
ich finde das ist ein tröstliches, ein entlastendes Bild.
Die Rebe darf nehmen, sie wird versorgt mit Lebenskraft
Solange die Verbundenheit da ist, lebt und entwickelt sich die Rebe und bringt Frucht.
„Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen!“
So die weitere Aussage Jesu. Ist auch klar.
Natürlich bedeutet die „Verbundenheit“ aber auch „Abhängigkeit“. Eine „unabhängige“, abgetrennte Rebe, ohne Verbindung zum Stock, „bringt“ nichts. Sie verdorrt, ist nur toter Abfall.
Darum – so betont Jesus: „Bleibt in mir!“
Gerade aber diese Betonung von der lebensnotwendigen Verbundenheit, das „Bleibt in mir“ ist nicht so nach dem Geschmack unserer Zeit. Man möchte frei sein, unabhängig, an niemanden „gebunden“, von niemandem abhängig.
Du bist „Meister deines eigenen Glücks!“ „Du bist der Pilot deines Lebens!“ - So klingen moderne Ratschläge für ein gelungenes Leben. Es ist ja auch was dran an solchen Sprüchen.
Aber so eine selbstherrliche Ungebundenheit kann leicht auch zur Überforderung werden.
Wenn ich in allem nur auf mich selbst angewiesen bin, kann ich schnell „verdorren“.
Wenn es nichts gibt, was mir Halt gibt und nichts, was mich „versorgt“, mit Lebenskraft, dann bin ich schnell „saftlos“, leer, unerfüllt, und bleibe so „unfruchtbar“.
„Bleibt in mir“ – heißt es auffallend oft im heutigen Evangelium. Da klingt für mich die große Sorge durch, die Jesus um den Menschen hat: „Bleibt in mir, damit ihr nicht verdorrt“.
Was aber meint dieses „Bleibt in mir“? Wie kann es gelingen?
Ich meine, „ich bleibe in Ihm“, wenn ich mein Interesse an Ihm, an Jesus, nicht verliere. Wenn ich an seiner Botschaft „dranbleibe“, seine Vision von einem guten Leben in mir wachhalte, dann „bleibe ich bei ihm“.
Das hat für mich viel mit Treue zu tun.
Es wird im Laufe des Lebens immer wieder auch Zeiten geben, und wer kennt sie nicht - in denen diese Verbundenheit, dieses „Dranbleiben“, diese verbindliche „Treue“, nachlässt, oder überhaupt verlorengeht.
Man wird müde, man zweifelt an der Sinnhaftigkeit.
Es reißt der Faden - man wird „Gott – los“.
Und dieses „Gott-los-werden“ kann jedem passieren.
Man verliert die „Geduld mit Gott“ – so nennt es Tomas Halik, ein tschechischer Theologe unserer Zeit.
Wichtig ist, und tröstlich, dass Jesus sagt:
„Bleibt in mir und ich bleibe in euch.“ – Ich bleibe in euch:- die Verbundenheit beruht auf Gegenseitigkeit. Auch wenn von meiner Seite aus „der Faden reißt“, die Treue schwindet: – „Ich bleib in euch“ – Gott hält uns die Treue, „er hat Geduld mit uns“ - so verspricht uns Jesus und er bezeugt es durch seine Worte und Taten.
Es gibt diese Erfahrung - und glücklich ist, wer es schon erfahren durfte - dass eine Verbindung, eine Beziehung – wieder auflebt und sich stärkt
Ja, sie kann nach einer dürren Zeit wieder fester werden, sogar „lebendiger“ als vorher.
Auch die Beziehung zu Gott.
Wir wünschen uns doch alle ein erfülltes
und „fruchtbares“ Leben, in jeder Beziehung.
„Ich bin der Weinstock – ihr seid die Reben.
Bleibt in mir und ich bleibe in euch.
Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“ – So ist es uns versprochen und darauf dürfen wir vertrauen.
Amen.