"... und richtete sie auf"
Petrus hatte eine Schwiegermutter. Er war also verheiratet. Sie liegt mit Fieber im Bett - heißt es.
Das ist nichts Außergewöhnliches. Fast jeder liegt einmal mit Fieber im Bett.
Und doch drängt sich die Frage auf: Was ist das für ein merkwürdiges Fieber, das da ausbricht, bevor Jesus kommt und das verschwindet, sobald er mit ihr redet, sie bei der Hand nimmt und aufrichtet?
Was "kränkt" macht "krank" - heißt es. Ich kann mir schon vorstellen, was sie "gekränkt" hat, die Schwiegermutter.
Was ist denn geschehen? Petrus lässt alles zurück und schließt sich diesem Wanderprediger Jesus an.
So problemlos kann das nicht an seiner Familie vorbeigegangen sein. Das muss ja die Schwiegermutter "erhitzen": "Wie stellst du dir das vor?" - wird sie ihm vorgeworfen haben. "Was wird aus uns, deiner Frau, deinen Kindern? Wovon sollen wir leben? Was werden sich die Nachbarn denken? Also: Schlag dir diese Flausen aus dem Kopf!"
Und wenn Petrus entgegnen möchte: "Aber ich habe gefunden, was ich schon immer suchte. Dieser Jesus hat Visionen vom Leben, groß und begeisternd." -
Sie wird sagen: "Wenn dieser ein Mann Gottes wäre müsste er wissen, was sich gehört! Hast du denn gar kein Pflichtbewusstsein, gar kein Verantwortungsgefühl?" -
Und jetzt kommt Jesus auch noch ins Haus mit seiner Truppe. Kein Wunder, dass ihre Temperatur steigt, dass sie innerlich kocht. Keinen Finger wird sie rühren.
Sie wird ganz einfach streiken, sich ins Bett flüchten und krank sein.
Ich kann mir das gut so vorstellen und kann die Schwiegermutter auch verstehen.
Sie reagiert, wie wir alle manchmal reagieren, wenn uns etwas so ganz gegen den Strich geht. -
Wir ziehen uns "gekränkt" zurück.
Die Geschichte geht aber gut aus: Sie reden mit ihm.
Er geht zu ihr hin - heißt es, er nimmt sie bei der Hand und richtet sie auf. Da weicht das Fieber von ihr und sie sorgt für sie."
Was hier so knapp erzählt wird, in ein paar Worten, muss man sich wohl als längere "Behandlung" denken.
Es dauert - manchmal lange - bis man einen "gekränkten" Menschen wieder "auf die Beine bringt.
Man kann sich den Vorgang gut vorstellen:
wie die Jünger zunächst mit Jesus über sie reden,
wie Jesus zu ihr geht, sich vorsichtig nähert.
Wie sie zunächst beleidigt schweigt, sich abwendet,
wie sie ihm dann vielleicht ihren ganzen Ärger zornig entgegenschleudert.
Man kann sich vorstellen, wie Jesus versucht, ihr zu erklären, worum es ihm geht, was ihn bewegt, welche Träume vom Leben er und seine Freunde haben.
Man kann sich vorstellen, wie seine "Zuwendung" sie langsam beruhigt. - Und das "Fieber" von ihr weicht. Schließlich ist sie so weit, dass sie "aufsteht",
dass sie für Jesus und seine Jünger sorgt.
D.h.: Sie unterstützt jetzt, was sie zunächst abgelehnt hat, wogegen sie sich gewehrt hat.
Es ist eine wunderbare, heilende Macht, die von Jesus ausgeht. Seine einfühlsame Art und Weise löst, befreit und richtet auf.
Und deswegen brachte man auch alle zu ihm, Kranke, oder "Gekränkte", "Besessene" - die ganze Stadt war vor der Haustür - und er heilte viele und trieb ihre "Dämonen" aus. Die "Aber-geister", wie es in manchen Übersetzungen heißt.
"Wir werden einander viel zu verzeihen haben." - hat Jens Spahn, der deutsche Gesundheitsminister, vor einiger Zeit gesagt. Er meint, dass in der gegenwärtigen Situation, im schwierigen Umgang mit der Pandemie viele "Kränkungen" passieren. Manchmal mehr aus Hilflosigkeit als aus Bosheit.
Immer wieder passieren "Kränkungen". Das kennen wir aus eigener Erfahrung. Wir tun anderen weh, wir achten zu wenig auf das, was wir sagen oder tun - und wie wir es sagen oder tun.
Wir "kränken" jemanden, aber auch wir werden "gekränkt". Wir haben einander immer wieder einmal etwas zu verzeihen.
Wie kann man mit "Kränkungen" und "gekränkten" Menschen heilsam umgehen?
Schauen wir, wie Jesus vorgeht:
"Er geht zu ihr hin" - heißt es. Er lässt sie nicht links liegen. Er geht auf sie zu. Er spricht sie an.
Zuwendung und Nähe sind der Beginn der Heilung.
"Er nimmt sie bei der Hand und richtet sie auf" -
Nicht gewaltsam, sondern einfühlsam und vorsichtig.
Er gibt ihr die nötige Stütze, er überfordert sie nicht.
Er hat auch die nötige Geduld. Er lässt ihr die Zeit, die sie braucht, um wieder auf die Beine zu kommen.
Ich habe schon gesagt: Es kann dauern - oft lange - einen "gekränkten" Menschen, wieder aufzurichten.
Wie es gehen kann zeigt diese kleine Geschichte:
es ist seine "Art", die hilft und heilt.
Wir sollten nicht müde werden uns in dieser - "seiner Art"-zu üben.
Und dann, wenn wir selbst "gekränkt" sind,
wenn wir nicht mehr zurechtkommen mit uns selbst,
oder mit den Menschen neben uns,
dann wünsche ich sehr, dass es Menschen gibt, die sich "nach seiner Art" - einfühlsam und hilfreich um uns bemühen. Damit wir wieder "aufgerichtet" werden.
Amen.