Ezechiel
Schriftstellen:
Lesung aus dem Buch der Ezechiel 1,28c-2,5.
Aus dem Heiligen Evangelium nach Markus 6,1b.2-6.
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Vieles im Leben hängt von den Umständen, den Rahmenbedingungen ab. Wenn ich an einer neuen Arbeitsstelle beginne, wenn ich eine neue Aufgabe übernehme, und der äußere Rahmen passt, wird es meisten gut gehen. Wenn jedoch das Rundherum nicht passt, die Situation mangelhaft ist, dann wird es schwerer sein. Ich glaube, dass es vielen Menschen in der Corona-Zeit so gegangen ist. Viele mussten auch etwas neu beginnen, aber unter Einschränkungen, unter nicht „normalen Umständen.“ Und da trifft die Lesung aus dem Propheten Ezechiel heute voll in Schwarze. Ezechiel musste als Prophet auftreten in einer schweren Zeit, ja nicht einmal in seiner Heimat. Er musste anfangen die Botschaft Gottes auszurichten, als die Menschen im Exil in Babylon waren. Er musste anfangen am Tiefpunkt der Geschichte des Gottesvolkes. Er hat auch jene Ablehnung des Propheten erfahren, die Jesus im Evangelium anspricht. Aber er hat angefangen. Er hat es probiert. Er hat sich bemüht. Das, was er damals getan hat, würde auch für uns gut passen. Er hat Folgendes versucht.
Erstens: Ezechiel schaut Gott und fällt anbetend nieder. Gerade in herausfordernden Zeit ist es wichtig Gott neu in den Blick zu bekommen. Hier müssen wir uns den Unterschied zwischen Sehen und Schauen vor Augen führen. Das bloße Sehen bleibt an der Oberfläche stehen. Das wirkliche Schauen geht in die Tiefe. Hier muss ich an zwei Stellen des Johannesevangeliums denken. „Das Wort ist fleischgeworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut“ heißt es im Prolog. Jesus ist Mensch geworden, damit wir Gott schauen können. Und später wird dieser Christus als geschundene Kreatur, ecce homo, vor Pilatus stehen. Pilatus hat hier Jesus zwar gesehen, aber er hat ihn nicht geschaut. Das ist der Unterschied. So geht es um dieses große Offenwerden, dieses Weiten des Herzens, um Gott schauen zu können. „Der Christ von heute wird ein Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein,“ sagt Karl Rahner. Und der heilige Irenäus von Lyon, den wir montags gefeiert haben sagt: „Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch; das Leben des Menschen ist Gottesschau.“ In der Gottesschau geht es darum, dass Gott und Mensch zusammenfinden, dass sie sich nicht aus dem Blick verlieren.
Zweitens: Ezechiel stellt sich auf die Füße. Gott sagt zu Ezechiel: „Stell dich auf die Füße. Ich will mit dir reden.“ Sich auf die Hinterbeine stellen ist ein bildhaftes Wort. Es steht für das Vorwärtskommen und Sich-Anstrengen. Es steht dafür, dass wir eine gewisse Standhaftigkeit und Standfeste brauchen im Leben. Es geht um das „aufstehen“ im existenziellen, im ganzheitlichen Sinn, damit wir erkennen, wozu das ganze da ist, damit wir uns selber finden, damit wir aufstehen und leben. Das heißt, damit wir zur Wahrheit unseres Lebens stehen können und vor und in dieser Wahrheit bestehen. In Ingeborg Bachmanns Gedicht „Was wahr ist“ heißt es:
„Was wahr ist, streut nicht Sand in deine Augen, …
was wahr ist, rückt den Stein von deinem Grab. …
Was wahr ist, zieht der Erde einen Scheitel, …
Du haftest in der Welt, beschwert von Ketten,
doch treibt, was wahr ist, Sprünge in die Wand.“
Auf eignen Füßen stehen ist in diesem Sinn viel mehr als ein hierhin oder dorthin gehen. Es bedeutet die Befähigung, den eigenen Weg im Dienst Gottes zu gehen und zu tun, oder auch wegzulassen, was er mir aufträgt.
Drittens: Ezechiel wird gesendet, um von Gott zu reden. Das tut er dann auch. Er redet von Gott auch auf die Gefahr hin, dass man ihn nicht hören will. Und so geht es darum, dass wir von Gott reden. Und da muss nicht einmal das Wort Gott explizit genannt werden. Es geht darum, dass in unserem Reden, Tun und Handeln Gott dabei ist. Dies möchte ich uns als Frage zur persönlichen Gewissenserforschung mitgeben: Ist Gott, und alles, was mit ihm zu tun hat, in meinem Reden mit dabei?
Liebe Brüder und Schwestern!
Ezechiel schaut Gott, Ezechiel stellt sich auf die Füße, Ezechiel redet von Gott. Er tut es in nicht leichter Zeit. Und auch wenn Erfolg keine Vokabel Gottes ist, so hat es ihn und die Menschen ein Stück weiter gebracht. Wir können es ihm, in unserer Zeit, nachmachen. Selbst wenn es uns aufs Erste nicht wirklich weiterbringt. Es wird uns sicherlich nicht zurückfallen lassen auf unserem Lebens- und Glaubensweg. Amen.