Bilder der Himmelfahrt
Schriftstellen:
Lesung aus der Apostelgeschichte 1,1-11.
Aus dem Heiligen Evangelium nach Markus 16,15-20.
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Die Schrifttexte und Gebete des heutigen Festes sind reichhaltig. In ihnen leuchten uralte Bilder auf, die erwachsen sind aus den jahrhundertelangen Erfahrungen des Gottesvolkes. Die Menschen machen Erfahrungen mit Gott. Die Jünger machen ebenfalls Erfahrungen mit dem Auferstanden. Drei Bilder möchte ich herausgreifen, um das Geschehen zu erhellen.
Erstes Bild: Die Wolke, die den auffahrenden Christus den Blicken der Jünger entzieht. Es ist keine Regenwolke, die aufzieht und auch keine Schönwetterwolke. Die Wolke gehört zur biblischen Symbolsprache, die damals noch jeder verstand. Im Alten Testament wird erzählt, wie auf dem Wüstenzug Israels eine Wolke vor dem Gottesvolk herzog, um es zu führen. Diese Wolke ist Bild für die Nähe Gottes. Gott ist seinem Volk nahe, er zieht mit ihm und ist doch der Verborgene, über den niemand verfügen kann. Bei der Verklärung auf dem Berg Tabor überschattete Jesus eine lichte Wolke aus der die Stimme hörbar wurde: „Das ist mein geliebter Sohn.“ Wenn vom scheidenden Jesus erzählt wird, dass ihn eine Wolke aufgenommen habe, so ist das biblische Sprache, die sagen will: Jesus tritt endgültig ein in die Herrlichkeit Gottes. Er ist von nun an verborgen. Und doch ist er seinen Gläubigen nahe. Er ist bei ihnen alle Tage bis zum Ende der Welt. Er zieht vor ihnen her und führt sie so wie Gott damals sein Volk geführt hat. Wenn ihn eine Wolke aufnahm, bedeutet dies nun nicht, dass er ferne sei, dass er weg, weit weg von den Menschen und der Erde sei, sondern genau das Gegenteil. Als Aufgefahrener in den Himmel ist er den Menschen nahe, noch viel näher als er es als Lebender auf der Erde sein konnte. Vom Vater aus ist er den Menschen gegenwärtig. Der heilige Augustinus sagt: „Er ist von uns nicht fortgegangen als er zum Himmel zurückkehrte, sondern er sagt: Siehe ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Das Bild der Wolke meint: Wir sind auf dieser Welt als Gläubige nicht allein. Wer auf Jesus setzt ist nicht verraten und verkauft, nicht einem Wunschtraum verfallen, sondern Jesus bleibt als der Auferstandene verborgen und geheimnisvoll unter uns. Denken wir oft an die heilige Gegenwart Gottes.
Zweites Bild: Die Männer in weißen Kleidern, die plötzlich dastehen und den empor starrenden Jüngern sagen: „Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ Der Blick der Jünger wird auf diese Weise vom Himmel zur Erde zurückgeholt. Wir dürfen keine Guck-in die Luft Christen werden. Wir kennen wohl die Geschichte vom Hans-Guck-in-die-Luft, der nur nach oben, und nicht auf den Weg schaut, der stolpert und schließlich in den Fluss fällt. ,,Wenn der Hans zur Schule ging, stets sein Blick am Himmel hing. Nach den Dächern, Wolken, Schwalben, schaut er aufwärts allenthalben.“ Das Reich Gottes ist eben nicht über den Wolken, sondern es soll hier auf der Erde anbrechen. Als Zeugen Christi sollen die Jünger bis an die Grenzen der Erde Menschen sammeln, damit die Gottesherrschaft einen sichtbaren Raum gewinnt. Das Reich Gottes ist aus dem Stoff der Erde. Es ist verwandelte Welt. Diese Umwandlung der Welt wird am Pfingsttag mit der Herabkunft des Heiligen Geistes beginnen und immer weitergehen. „Was steht ihr da und schaut zum Himmel?“ Die Erde ist das Feld der Gottesherrschaft. Hier und jetzt beginnt das Reich Gottes, immer dann, wenn wir uns an Christus orientieren. Und das Reich Gottes ist nicht fern, in einer anderen Welt und fernen Zukunft, sondern es will jetzt anbrechen unter uns. Es keimt, schlägt Wurzeln und wächst, wo Menschen von seiner Gegenwart angesteckt versuchen zu leben, wie er gelebt hat. Himmelfahrt holt uns auf die Erde herunter, zeigt uns deutlich die Defizite unsere Welt, aber auch die Vision einer Verwandlung, wenn wir in seiner Spur gehen.
Drittens: Jesus erscheint auf dem Berg in Galiläa vor den zwölf beziehungsweise den elf Jüngern. Er erscheint nicht vor der ganzen Welt. Er erscheint nicht einmal vor all seinen Jüngern. Sicher hatte er nach Ostern mehr Anhänger und mehr Sympathisanten als nur diese elf. Matthäus zufolge zeigte er sich zu dieser letzten, abschließenden Erscheinung aber nur dem Zwölferkreis, also denen, die er zur Mitte des endzeitlichen Gottesvolkes gemacht hatte. Damit will Matthäus sagen: Jesus können wir nicht mehr sehen. Aber wir können diejenigen sehen, die er sendet und die ihm nachfolgen. An sie können wir uns halten. Mit ihnen ist er in unserer Mitte - alle Tage bis ans Ende der Welt. Und somit ist von der Kirche die Rede. Die Gemeinschaft der Kirche trägt heute sein Werk fort und hält den Glauben lebendig. Und das macht die Kirche so wertvoll und kostbar, weil sie den Glauben an Jesus weiterträgt.
Liebe Brüder und Schwestern!
Der Auferstandene geht zum Vater. Er zieht sich nicht aus der Welt zurück, sondern von dort her ist er den Seinen wirksam gegenwärtig. Das schenkt Vertrauen und Zuversicht. Und Vertrauen und Zuversicht möchte uns der Glaube für unseren Alltag schenken. Betrachten wir diese Bilder der Himmelfahrt des Herrn gerne. Amen.