Glauben ohne Zweifel
Schriftstellen:
Lesung aus der Apostelgeschichte 4,32-35.
Aus dem Heiligen Evangelium nach Johannes 20,19-31.
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Beim heutigen Evangelium haben wir wahrscheinlich meist eine schwarz-weiße Herangehensweise. Da ist der ungläubige Thomas, der in Wahrheit gar nicht so ungläubig ist, wie er oft hingestellt wird. Und da lässt sich dann schön sagen, dass es im Glauben keine Zweifel geben darf. Wer welche hat, der macht eben etwas falsch. So einfach ist das nicht. Ich möchte heute den Blick weniger auf das lenken, was Thomas tut, was er scheinbar falsch oder richtig macht. Ich möchte heute auf das blicken, was der Auferstandenen tut. Welche Möglichkeiten spielt der Auferstanden Thomas zu? Und was dürfen wir hier für unser Leben und unseren Glauben daraus mitnehmen.
Erstens: Der Auferstandener ist ein großer Gönner. Er gönnt dem Thomas eine weitere Begegnung. Eine Woche vorher waren die Jünger ja schon ohne Thomas beisammen. Der Auferstandene kommt extra für Thomas ein zweites Mal. Er gewährt ihm sozusagen eine Privataudienz. Er gönnt ihm extra eine Begegnung. So ist Gott. Er vergönnt. Er ist der große Gönner unseres Lebens. Und wie ist es bei uns? Wie steht es bei uns mit dem vergönnen? Können wir unseren Mitmenschen etwas vergönnen, wenn sie mehr bekommen? Und da geht es jetzt nicht bloß um Materielles, obwohl wir das einander auch vergönnen sollen, wenn es redlich erworben ist. Können wir einander Aufmerksamkeit, Anerkennung und Erfolg vergönnen. Wie oft mischt sich hier Neid in unser Leben und auch Gier. Neid, Gier und Vergleichen mit anderen sind der Tod des persönlichen geistlichen Lebens. Und das Vergönnen hat auch damit zu tun, ob ich selber genießen kann und auch genießbar bin.
Zweitens: Der Auferstandenen gibt den Jüngern Nachhilfeunterricht im Glauben. Das hat er schon zu Lebzeiten getan, den Menschen und den Jüngern immer wieder Hilfen für den glauben gegeben. Das tut er besonders als Auferstandener: Er zeigt sich den Jüngern mehrmals. Er lässt sich anfassen. Er redet sie vertraut an. Er isst mit ihnen. Er beschert ihnen ein volles Fischnetz. Er hält dem Thomas seine Wunden hin. Das sind lauter Zeichen, die zum Glauben anregen. Er gibt Nachhilfeunterricht. Nachhilfeunterricht bedeutet, dass ich eben Hilfe brauche, dass ich noch nicht alles verstandenen habe. Deshalb müssen wir Christen immer wieder hineinschauen in die Heilige Schrift, um die Geschichten von Gott und Jesus stets neu zu hören. Die Geschichte Gottes ist die große Lehrmeisterin für das Leben und den Glauben. Der Sonntagsgottesdienst ist die wöchentliche Nachhilfeeinheit für den Glauben. Hier komme ich her, um Gott zu lieben. Von hier gehe ich dann weg um die Menschen zu lieben. Nachhilfe ist, wie der Name schon sagt eine Hilfe. Und eine Hilfe muss ich annehmen. Sonst hilft es nichts. Es geht bei dieser Nachhilfe darum immer mehr „ein Herz und eine Seele zu werden.“ So wurde heute in der Apostelgeschichte die Jerusalemer Urgemeinde beschreiben. Die Beschreibung ist vielleicht auch etwas mehr ideal als Wirklichkeit. Aber Ideale sind dazu da um Wirklichkeit zu werden. Auch, wenn die Kirche leider selbst oft an ihren idealen gescheitert ist, wofür es stets neu des Schuldbekenntnisses bedarf, so dürfen wir nicht die Ideale permanent vereinfachen, sodass dann wenig bis gar nichts übrig bleibt.
Drittens: Der Auferstandene kommt dem Zweifel entgegen. Es steckt noch in vielen Menschen die Haltung drinnen, dass man nicht zweifeln darf, im Glauben schon gar nicht. Da hat auch die Kirche mit Schuld. Noch vor 150 Jahren sagte das Erste Vatikanische Konzil: „Zweifel ist Sünde.“ Heute sehen wir das anders. Man muss auch den Zweifel erstnehmen. Ich möchte sogar sagen, dass ein gesunder Zweifel, eine gesunde Skepsis, Motor für den Glauben ist. Der Glaube braucht das Suchen und fragen. Ein Glaube, der noch nie gerungen hat ist nicht viel wert. Das hat Thomas kapiert, das Suchen und Herantasten an Jesus. Wer für alles eine Erklärung hat, wer sich nicht schwertut die Katastrophen und Krisen in der Welt, die Bosheit der Menschen, das Leiden Unschuldiger, die Armut, den Hunger und Krankheiten mit einem guten Gott in Verbindung zu bringen, der ist bei einem oberflächlichen Glauben stehen geblieben. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass wir sehr viel Oberflächlichkeit im Glauben erleben. Das ist das Hauptübel und deshalb wird er immer weniger attraktiv. Es braucht die persönliche Begegnung mit dem Auferstandenen, gerade auch in unseren Zweifeln.
Liebe Brüder und Schwestern!
Es ist großartig, wie sich der Auferstandenen dem Thomas zu erkennen gibt. Er gönnt ihm so viel. Er gibt ihm Nachhilfe und er kommt dem Zweifel entgegen. Das möchte er auch bei uns tun, damit wir nicht, wie die Jünger mit verschlossenen Türe und verschlossenen herzen hocken bleiben. Amen.